Süddeutsche Zeitung

Piratenpartei-Vorsitzender Nerz zum Urheberrecht:"Privatkopien sollten erlaubt sein"

Sebastian Nerz ist Vorsitzender der Piratenpartei. Im Süddeutsche.de-Fragebogen erklärt er, warum das derzeitige Urheberrecht unsinnig und veraltet ist, weshalb Repression nicht fruchtet und wie Künstler dennoch Geld verdienen können.

In der Urheberrechtsdebatte hat Süddeutsche.de die Netzpolitiker der verschiedenen Parteien darum gebeten, einen kurzen Fragebogen zum Urheberrecht im digitalen Zeitalter zu beantworten. Nach Peter Tauber (CDU), Jimmy Schulz (FDP), Björn Böhning (SPD), Malte Spitz (Bündnis 90/Die Grünen) und Halina Wawzyniak (Die Linke) folgt nun Sebastian Nerz, Vorsitzender der Piratenpartei.

Was ist die Alternative zu Acta?

Eines der grundlegenden Probleme bei Acta ist, dass es im Geheimen verhandelt wurde. Bei den Verhandlungen wurden einerseits die nationalen und supranationalen Parlamente außer Acht gelassen und andererseits nur Vertreter der großen Medienverwertungsgesellschaften zugelassen. Damit werden beispielsweise die Interessen von Künstlern und Konsumenten nicht beachtet, die erforderliche breite gesellschaftliche Debatte wird nicht geführt.

Die Alternative zu Acta ist es dementsprechend, dass der Vertrag neu verhandelt wird - aber dies nach einer Reform des Urheber- und Patentrechtes. Dabei müssen die Verhandlungen öffentlich sein und alle Betroffenen müssen gleichermaßen zu Wort kommen können.

Sollte angesichts der Möglichkeit zur digitalen Kopie das Urheberrecht reformiert werden?

Natürlich sollte es das. Allerdings nicht nur wegen der digitalen Kopiermöglichkeiten, es gibt darüber hinaus auch noch ganz andere Probleme im Urheberrecht. Wir haben in den letzten Jahren immer nur neue Verschärfungen des Urheberrechts gesehen - mittlerweile sind Werke für 70 Jahre nach dem Tod des Künstlers geschützt, verwaiste oder anonyme Werke für ebenfalls mindestens 70 Jahre. Auch ohne die Digitalisierung wäre das unsinnig.

Gleichzeitig hat das Urheberrecht neue Kunstformen (wie Remixing) und Marktmodelle (wie Crowd-Funding) verschlafen. Es konzentriert sich einseitig auf die Interessen großer Verwertungsgesellschaften und versucht diese veralteten Modelle zwangsweise durchzusetzen. Das kann nicht funktionieren. Das ist übrigens auch nicht im Interesse der Künstler. Viele ältere Verträge sehen beispielsweise eine vollständige und exklusive Nutzungsgenehmigung für bestimmte Verwertungsgesellschaften vor. Dabei wurden Zahlungen für bestimmte Verkaufsformen eingeführt wie zum Beispiel Anteile an den Verkaufserlösen von CDs. Davon profitieren die Verwertungesellschaften die aber dem Künstler keinen Anteil an den Erlösen geben. Wer einen solchen älteren Vertrag hat, hätte also beispielsweise von Download-Vertrieb nichts.

Auch das lange Zeit gesetzlich geführte Recht auf Privatkopie wurde 2003 faktisch abgeschafft. Ich frage mich aber, warum es beispielsweise illegal sein soll, mit einem Freund zusammen auf zwei IPods parallel ein Musikstück zu hören, aber nicht es ihm auf Kassette zu überspielen. Es gibt noch viel mehr solche Beispiele, in denen das Urheberrecht einseitig die Belange der Verwertungsgesellschaften über die Interessen der Urheber und der Konsumenten stellt. Es ist schlicht veraltet und reformbedürftig.

Zu den Positionen der Piratenpartei im Urheberrecht hat der Landesverband Bayern eine Zusammenfassung erstellt.

Was sollte erlaubt sein - und was nicht. Und welche Sanktionen sollte es geben?

Kopien im privaten Umfeld sollten prinzipiell erlaubt sein. Auch sollten Remix- und abgewandelte Kunstwerke (wie Parodien) vereinfacht werden. Eine Nennung der ursprünglichen Urheber sollte dabei selbstverständlich sein. Auch eine Stärkung der Nutzung für Bildung und Wissenschaft ist erforderlich, wie die Debatte um Gema-Gebühren in Kindergärten eindrucksvoll belegt hat. Eine kommerzielle Nutzung sollte wiederum nur mit Einverständnis des Urhebers möglich sein.

Wie kann eine angemessene Vergütung für Künstler im digitalen Zeitalter gewährleistet werden?

Es gibt viele unterschiedliche Marktmodelle für Künstler. Manche setzen dabei auf Crowdfunding - ein bekanntes kostenlos erhältliches Webcomic sammelt derzeit Gelder für einen Nachdruck der Printausgabe und hat bislang weit über 750.000 Dollar eingesammelt, andere setzenauf Merchandising-Artikel, auf Spenden oder auf einen klassischen Digitalvertrieb. Ein Experiment des Heise-Verlages zeigte dabei beispielsweise, das die meisten Konsumenten bereit sind, freiwillig mehr Geld auszugeben als sie es sonst täten.

Insgesamt zeigt die Erfahrung der letzten Jahre, dass Repression nicht fruchtet. Die Kunden wenden sich dann nur von den Verwertern ab. Bietet man aber nützliche Funktionen wie übersichtliche Shops, eine gute Audio-Qualität, Extras wie hübsche Alben-Cover oder Merchandising-Artikel, eine transparente Beteiligung der Künstler an den Erlösen, so sind die allermeisten Konsumenten eher bereit ihre Wunschmusik zu kaufen als sie herunterzuladen. Auch kostenpflichtige oder werbe-finanzierte legale Streaming-Angebote oder cloudbasierte Dienste haben Hochkonjunktur. Aber eine Kriminalisierung des Probehörens würde dagegen nichts nutzen. Im Gegenteil, damit werden nur zukünftige Kunden und Fans vergrault.

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