Piratenpartei stellt Internetthesen vor:De Maizières "rührende Ahnungslosigkeit"

Lesezeit: 2 min

Der Innenminister hatte vorgelegt, nun zieht die Piratenpartei nach: Mit ihren Thesen zur Netzpolitik will sie ihr Revier markieren.

Dominik Stawski

Als Christopher Lauer seine Rede beginnt, dreht sich über seinem Kopf eine Disco-Kugel. Die Schwarzlicht-Röhre lässt die weißen Hemden im Raum strahlen. In die Wände der alten Fabrikhalle sind Festplatten eingelassen, als Couchtisch dient ein Computer.

Positionieren gegen den Innenminister: Die Piratenpartei will mit einer progressiven Internetpolitik den Vorstellungen der Bundesregierung etwas entgegensetzen. (Foto: dpa)

Normalerweise wird hier, in der Berliner C-Base, einem abgestürzten Raumschiff, wie es die Mitglieder sagen, gehackt. Doch heute findet in dem Raumschiff die Pressekonferenz der sechstgrößten Partei Deutschlands statt.

Die Piratenpartei hat geladen. Sie will sich positionieren, sie muss es auch, denn der Bundesinnenminister Thomas de Maizière hat im Juni vorgelegt. 14 Thesen zur Netzpolitik hat er veröffentlicht. Es geht also um das, was die Piratenpartei überhaupt erst ins Leben rief. 2006 wurde sie genau hier in der C-Base gegründet, um endlich Politik für das Internetzeitalter zu machen.

Christopher Lauer, der Geschäftsführer der Piratenpartei, dreht das Mikrofon auf. Es sind kaum Journalisten gekommen. Trotzdem dankt Lauer, dass sie "so zahlreich" erschienen sind. Wahrscheinlich meint er die Zuschauer im Internet-Stream, der auch gerade läuft.

Es dauert ein paar Sätze, bis Lauer sagt, was er von den Thesen des Innenministers hält. De Maizière sei ein "Hinterbliebener der Industriegesellschaft, der sich in der Komplexität einer Informationsgesellschaft nicht wohl fühlt". Die Piraten begrüßten zwar, dass die Netzpolitik endlich in zur Agenda der Regierung gehöre, sagte Lauer, inhaltlich aber lässt er nicht viel Gutes an den Vorschlägen des Innenministers.

Es prallen zwei Prinzipien aufeinander: Die Piraten - sie verlangen Autonomie für das Internet. Und der konservative Bundesinnenminister - er will Auswüchse im Netz mit Gesetzen eindämmen.

"Rührende Ahnungslosigkeit"

Konkret greift Lauer zwei Vorschläge des Innenministers an. Er bemängelte die Forderung nach einem "digitalen Radiergummi", mit dem jeder Einzelne seine Daten im Internet löschen können soll. Das sei absurd, sagte Lauer, weil die Daten nie ganz verschwinden würden.

Das vermeintliche Löschen würde dazu führen, dass "sich illegale Datenbestände in den Händen weniger Krimineller anhäufen". Und er kritisierte die Forderung, Gegendarstellungen im Internet zu ermöglichen. Das lasse sich nicht realisieren und zeugte von "rührender Ahnungslosigkeit". So etwas lasse sich gar nicht umsetzen. "Dann bräuchten wir eine Regulierungsbehörde, ein Gegendarstellungsbüro."

Eine Idee allerdings begrüßen die Piraten. Den Datenbrief. In ihm sollen Bürger einmal jährlich von Firmen und Behörden über die Verwendung der über sie gespeicherten Angaben informiert werden sollen. Das sei sinnvoll, sagte Lauer, aber "das darf nicht dazu führen, dass kleine Unternehmen wegen des Versendes des Briefes in den Ruin getrieben werden".

Grundrecht auf Internetzugang

Nachdem Lauer fast 40 Minuten lang Stück für Stück die Thesen und Ideen der Bundesregierung als "absurd" und "hanebüchen" abgekanzelt hat, legt er selbst ein Papier vor. Es sind nicht 14, es sind zehn Thesen. Viele bleiben abstrakt, aber es gibt einige Bemerkungen darin, die den Grundsatz der Piraten-Politik beschreiben.

- "Netzpolitik gehört in Hand der Netzbürger." Wer nicht im Netz lebe, könne für das Netz keine passenden Regeln machen, sagen die Piraten.

- "Das Netz braucht keine neuen Straf- und Sicherheitsgesetze". Die Piraten plädieren dafür, die Anonymität im Netz zu erhalten. In ihren Thesen schreiben sie: "Anonymität erschwert zwar in Einzelfällen eine Verfolgung von Straftaten, doch das Abschaffen von Anonymität zerstört mehr Sicherheit, als sie schafft."

- "Das Recht auf Netzzugang ist ein Menschenrecht und sollte explizit in die Verfassung aufgenommen werden". Die Piraten wollen, dass beispielsweise Hartz-IV-Empfängern ein Recht auf einen persönlichen Computer und Netzzugang zugestanden wird.

In einigen Punkten decken sich die Forderungen der Piraten mit dem, was der Chaos Computer Club vor wenigen Tagen in seinem Thesenpapier zur Netzpolitik veröffentlicht hat.

Es ist der Tag vor der politischen Sommerpause in Berlin. Für den Herbst wird erwartet, dass die Bundesregierung konkretere Vorschläge für die Netzpolitik vorlegt. Die Piraten und Christopher Lauer warten gespannt darauf.

© sueddeutsche.de/joku - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: