Photoshop und Co:Online-Fälscher, ausgetrickst

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Digitale Bilder lassen sich nahezu perfekt fälschen - Wissenschaftler arbeiten daran, die Manipulationen aufzudecken. Dabei greifen sie tief in die Trickkiste und profitieren von kleinen einzigartigen Spuren.

Helmut Martin-Jung

Models, die es so überirdisch schön gar nicht gibt, Raketen, die nie abgehoben haben, und geschönte Bilder vom Umgang mit der Ölkatastrophe im Golf von Mexiko - an Beispielen fehlt es nicht dafür, was mit digitaler Bildbearbeitung inzwischen möglich ist. Mit immer raffinierteren Werkzeugen erlaubt Software wie Photoshop Veränderungen an den Informationen eines Fotos bis zum einzelnen Bildpunkt, die zumindest für Laien kaum noch zu erkennen sind. Verlieren Fotos im Zeitalter ihrer technischen Manipulierbarkeit nun völlig ihren dokumentarischen Charakter?

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Noch gebe es weniger Fälschungen, als man annehmen würde, sagt Hans Baumann. Der 60-Jährige - besser bekannt unter dem Namen Doc Baumann -, ist Deutschlands prominentester Experte für digitale Bildbearbeitung. "Die meisten werden ja doch schnell aufgedeckt", so seine Erfahrung. So wie die Bilder, die der Ölkonzern BP vor kurzem noch auf seiner Webseite zeigte. Weil einige der Monitore auf der Originalaufnahme vom Kontrollzentrum des Unternehmens weiß gewesen waren, hatte jemand den Inhalt anderer Monitore ausgeschnitten und überaus dilettantisch auf die weißen Flächen kopiert.

Im US-Wahlkampf 2004 hatte ein anonymer Fälscher die Schauspielerin und Anti-Kriegsaktivistin Jane Fonda relativ gekonnt, wenn auch nicht perfekt, in ein Bild des demokratischen Bewerbers John Kerry montiert. Ziel war es, Kerry in die Nähe der linken Protestbewegung zu rücken. "Das ist so ziemlich das Dreisteste, was mir bisher untergekommen ist", sagt Baumann.

Während Baumann glaubt, dass man Nachrichtenbildern in aller Regel auch künftig Glauben schenken kann, arbeiten Forscher bereits an Programmen, die Manipulationen an Bildern mit automatisierten Methoden nachweisen sollen. In Deutschland führend ist dabei die Technische Universität Dresden. Die dort entwickelte Software könne zwar bei weitem nicht jede Fälschung aufdecken, sagt der Informatiker Matthias Kirchner, "aber mehr als der Mensch".

Ein feines Auge hilft

Das liegt an den besonderem Fähigkeiten der Computer. Zum Fälschen wird häufig der sogenannte Kopierstempel benutzt. Das ist eine Funktion in Bildbearbeitungsprogrammen, die den Inhalt einer beliebigen Stelle im Bild aufnimmt und an anderer Stelle wieder wie ein Stempel aufträgt.

So lässt sich beispielsweise eine Stromleitung aus einem Bild tilgen, indem man danebenliegende Bereiche kopiert und über die Stelle stempelt. Um diese Art der Manipulation nachzuweisen, zerlegen die Experten ein Bild mit ihrer Software in viele kleine Quadrate und lassen dann vom Computer mit statistischen Methoden danach suchen, ob es Quadrate gibt, bei denen die Anordnung der einzelnen Bildpunkte exakt genauso ist wie bei einem anderen Quadrat.

Doc Baumann verlässt sich hingegen in aller Regel auf sein geschultes Auge, um zu entscheiden: Montage oder nicht. Woher kommt das Licht? Kommt es eher leicht von oben, leicht von unten? Gibt es unterschiedliche Schärfezonen? Und natürlich achtet er auch auf technische Mängel bei der Montage. Wurde zum Beispiel eine Person aus einem Bild ausgeschnitten und in ein anderes eingefügt, kann man das oft an den Haaren erkennen oder an zu weichen oder zu harten Schnittkanten.

Natürlich achtet Baumann auch noch auf andere Details, doch die möchte er nicht in der Öffentlichkeit diskutieren, um potentiellen Fälschern nicht noch Tipps zu geben. Er tritt deshalb auch nicht vor Gericht als Sachverständiger auf.

Dort geht es in aller Regel auch "nicht um eine Nase, die jemand ins Gesicht montiert wurde, sondern darum, ob ein Bild authentisch ist", sagt Frank Kürpiers vom hessischen Landeskriminalamt. Kürpiers gehört eigentlich zum Bereich der herkömmlichen Bildtechnik, hat sich die Kenntnisse in der Digitaltechnik aber angeeignet.

"Das Ganze ist ja eine sehr junge Entwicklung", sagt er. "Es gibt kaum eine Veröffentlichung, die älter ist als acht oder neun Jahre." Doch mit jeder neuen Kamera und jedem neuen Programm ändert sich die Sachlage. Dazu kommen noch Hunderte verschiedener Video-Überwachungssysteme, die ebenfalls in seinen Zuständigkeitsbereich fallen.

Die Kollegen wollen dann beispielsweise von Kürpiers wissen, ob die Bilder aus einer Überwachungskamera tatsächlich die gesuchte Person darstellen. Es könnte ja auch sein, dass ein Angeklagter nur deshalb beschuldigt wird, weil Bilder durch Kompressionsartefakte verändert wurden - das sind Bildfehler, die auftreten, wenn beim Speichern Platz gespart werden soll.

Eine Frage, die immer wichtiger wird: Wurde ein Bild, zum Beispiel eine kinderpornographische Aufnahme, mit einer bestimmten Kamera gemacht? Auch das ist ein Forschungsgebiet der Dresdener Wissenschaftler.

Der Zuschnitt als Schlüssel

Mit immer höherer Genauigkeit gelingt es ihnen inzwischen, nicht nur ein Kameramodell zu bestimmen, sondern ein einzelnes Exemplar. Ähnlich wie eine Schusswaffe charakteristische Spuren am Projektil hinterlasse, zeigten auch die Aufnahmesensoren von Kameras individuelle Abweichungen, die sehr präzise Aussagen möglich machten, wie Matthias Kirchner sagt. Schwierig wird es immer dann, wenn die Informationen der Originalbilder stark reduziert wurden, zum Beispiel um sie im Internet zu veröffentlichen.

So einfach wie sich Bilder mit Standardsoftware verändern lassen, sehen sich auch Bildredakteure zusehends vor Gewissensentscheidungen: Ist es schon Manipulation, eine Stromleitung im Hintergrund wegzuretuschieren oder einen ins Bild ragenden Ast zu entfernen? "Das ist eine große weiche Zone", sagt Baumann, der den gelöschten Ast aber tolerieren würde.

Schließlich, so argumentiert er, gebe es auch andere Möglichkeiten, die Aussage eines Bildes entscheidend zu verändern. Da ist zum Beispiel das berühmte Bild aus dem Irakkrieg, das einen von zwei US-Soldaten gefangen genommenen irakischen Kämpfer zeigt.

Der eine der beiden GIs reicht dem Gefangenen eine Wasserflasche, der andere bedroht ihn von der anderen Seite mit einem Gewehr. Schneidet man den Soldaten mit der Wasserflasche weg, belegt das Bild anscheinend die Grausamkeit des Krieges. Zeigt man nur den GI mit der Wasserflasche, verändert sich die Aussage und der Soldat wirkt wie das personifizierte Mitleid.

© SZ vom 10.08.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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