Photokina 2008:Superrechner mit Objektiv

Digitale Kameras bieten immer mehr technische Spielereien: Von automatischer Lacherkennung bis hin zur GPS-Ortung. Doch die Technik birgt weiterhin große Tücken.

H. Martin-Jung

Einst mussten Fotografen unter das schwarze Tuch schlüpfen, das den Sucher ihrer gewaltigen Plattenkameras abschirmte. Heute sind die Bildschirm-Menüs mancher Digitalkameras umfangreicher als die Speisekarte eines Chinarestaurants. Es ist eben aufwändig, in guter Qualität aufzuzeichnen, was das Auge einfach so erfasst.

Photokina 2008: Photokina 2008: Auf der größten Fotografie-Messe der Welt ist die Technik der Zukunft zum Greifen nah.

Photokina 2008: Auf der größten Fotografie-Messe der Welt ist die Technik der Zukunft zum Greifen nah.

(Foto: Foto: ap)

Dabei wünschen sich die meisten Kamerabesitzer vor allem das: Fotografien sollen zeigen, was der Fotograf im Moment des Auslösens gesehen hat. Oft sind die Ergebnisse weit von diesem Anspruch entfernt, aller digitalen Technik zum Trotz. Deren neuester Stand ist von Dienstag an auf der weltgrößten Foto-Messe, der Photokina in Köln, zu sehen. Bis zur perfekten Kamera ist es noch immer ein weiter Weg, doch gibt es interessante Entwicklungen.

Keine klobige Spiegelreflexkamera

Die spannendste bietet etwas für Fotografen, die höhere Ansprüche stellen als sie eine herkömmliche Kompaktkamera befriedigen kann, die aber dennoch keine klobige Spiegelreflexkamera mit sich herumschleppen wollen. Es geht um Kameras mit einem Sucher, der zwar wie bei Spiegelreflexkameras den Blick durch das Objektiv ermöglicht und damit ziemlich genau zeigt, was später auf dem Bild zu sehen sein wird.

Nur wird das Licht hier nicht von einem schräg im Kameragehäuse angebrachten Spiegel auf weitere Spiegel im charakteristischen "Erker" dieses Kameratyps reflektiert, sondern direkt über das Objektiv vom elektronischen Bildsensor erfasst.

Der Sucher ist also eher ein Monitor, ein elektronischer Sucher. Das erlaubt es nicht nur, die Kameras so zu bauen, dass man die Objektive wechseln kann. Weil der Spiegel wegfällt, können die Linsenelemente bei gleichbleibender Qualität auch platzsparender konstruiert werden. Einziger Nachteil: Der Monitorsucher bietet nicht die Brillanz eines guten Spiegelreflexsuchers. Als erster Hersteller hat Panasonic ein solches Modell vorstellt.

Superrechner mit Objektiv

Die schlicht G1 genannte Kamera fällt auch dadurch aus dem Rahmen, dass sie für die Aufzeichnung der Bilder einen 13 mal 17 Millimeter großen Sensor im neuen Micro-Four-Thirds-Standard nutzt. Er ist um einiges größer als die Sensoren von Kompaktkameras, liefert aber wie diese dennoch nur 12,1 Millionen Bildpunkte.Genaue Tests der G1 und möglicher Neuvorstellungen auf der Photokina stehen noch aus, alles spricht aber für die größeren Sensoren.

Dass eine Inflation der Megapixel bei winziger Sensorgröße nicht nur sinnlos ist, sondern sogar die Bildqualität verschlechtert, hat sich bereits herumgesprochen. Die ersten Digitalkameras zu Beginn der 90er Jahre machten Bilder, auf denen man die einzelnen Punkte fast zählen konnte, so grob waren die Aufnahmen. Lange galt es daher als Qualitätsmerkmal, wenn eine Kamera viele Bildpunkte aufzeichnen konnte.

Längst werden diese Bildpunkte, englisch: picture elements oder kurz pixel, in Millionen gezählt - es ist diese Zahl, die seither als Megapixel durch Werbebroschüren wabert und auf der Vorderseite der meisten Kompaktkameras angegeben wird. Aber auf den nur wenige Millimeter großen lichtempfindlichen Siliziumplättchen - quasi der Filmrolle des Digitalzeitalters - müssen die einzelnen Bildpunkte sehr nahe zusammenrücken, wenn auf derselben Fläche immer mehr davon Platz finden sollen. Durch verschiedene Effekte führt dies bei kleinen Kameras dazu, dass die Bildqualität jenseits von etwa sechs Megapixeln sogar abnimmt, vor allem wenn die Lichtverhältnisse schlecht sind.

Zwar setzen viele Hersteller von Kleinkamers auch auf der Photokina das Megapixelrennen fort - aktuell liegt die Bestmarke bei 15 Millionen Bildpunkten. Langsam setze aber ein Umdenken ein, sagt Dietmar Wüller, Chef eines Messlabors, das im Auftrag von Fachzeitschriften Kameras nach standardisierten Verfahren prüft: "Die Hersteller sind alarmiert, dass man das nicht immer so weitertreiben sollte", sagt er. "Langsam kommt das auch beim Marketing an." Gut möglich, dass künftig andere Werte als die Megapixel zur Messlatte werden.

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Superrechner mit Objektiv

Bitte lächeln

Da ist zum Beispiel die Gesichtserkennung. Mit ihrer Hilfe werden Gesichter automatisch scharf dargestellt, auch wenn im Vordergrund Blumen ins Bild ragen. Wahlweise regelt die Automatik die Einstellung der Belichtung und die Intensität des eingebauten Blitzes, wenn sie ein Gesicht im Vordergrund erkennt - das vermeidet hässlich grellweiße Köpfe.

Oder aber die Belichtung wird automatisch so eingestellt, dass auch das Gesicht einer Person zu erkennen bleibt, die vor hellem Hintergrund steht. Einige Modelle treiben dieses Spiel noch weiter und bieten eine Smile-Funktion an. Ausgelöst wird vollautomatisch, wenn die anvisierte Person lächelt. "Das ist aber eine nutzlose Spielerei", sagt Kamerakenner Wüller.

Mehr profitieren dürften Kamerabesitzer von anderen neuen Funktionen. So können einige Geräte ihre Bilder drahtlos per Funk (Wlan) auf andere Geräte überspielen, andere haben einen GPS-Empfänger und können damit - freie Sicht auf den Himmel vorausgesetzt - stets protokollieren, wann und wo das Bild aufgenommen wurde. Viele Modelle reduzieren außerdem mit raffinierten Mechanismen Verwacklungen.

Einiges getan hat sich auch bei der Fähigkeit der Kameras, bewegte Bilder aufzunehmen. Mit einem Modell von Casio können Zeitlupenfilme mit bis zu 1200 Bilder pro Sekunde gemacht werden, dann allerdings höchstens in internettauglicher Qualität. In die andere Richtung geht Canons neue Spiegelreflexkamera EOS 5D Mark II, die Videos in Full HD-Qualität aufzeichnet - besser als die meisten Videokameras. Fotos macht sie auch, mit beeindruckenden 21 Megapixeln, die der große Sensor der Kamera auch hergibt.

Während die großen und teuren Spiegelreflexkameras nach dem Druck auf den Auslöser mit nahezu unmerklicher Verzögerung das Bild schießen, dauert es bei Kompaktkameras oft noch zu lange, bis das Bild im Kasten ist. Zwar hätten die Hersteller an diesem ärgerlichen Nachteil der Digitaltechnik hart gearbeitet, sagt Experte Wüller. Die durchschnittliche Auslöseverzögerung liege aber immer noch zwischen 0,5 und 0,7 Sekunden.

Grund dafür ist das komplexe Zusammenspiel von automatischer Scharfeinstellung und Belichtungssteuerung. Scharfgestellt wird über den Bildsensor. Dessen Messungen müssen von der Kamera-Elektronik mehrmals ausgelesen und analysiert werden. Wer schneller sein will, kann vor dem endgültigen Abdrücken den Auslöser schon einmal halb drücken und so das Scharfstellen bewirken. Bei stark bewegten Motiven funktioniert diese Methode aber naturgemäß nicht.

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