Personal Computer in der Krise:Ich hatt' einen Blechkameraden

Die Computer-Hersteller haben den Blues, Marktforscher liefern ständig neue Horrorzahlen: Ist der Personal Computer am Ende, überflüssig gemacht von Tablets und Smartphones? I wo, das Gerede vom Tod des PC ist mindestens verfrüht. Und das ist gut so.

Von Helmut Martin-Jung

Fragen waren das, damals in den 1980er- und 1990er-Jahren. Heikle Fragen. Zum Beispiel welche Steckkarte man als erste in die dafür vorgesehene Leiste auf der Platine drücken sollte. Dorthin also, wo man womöglich erst mal den Staub rausblasen, dann das Kabel-Gewölle beiseiteräumen musste. Es war der Ort, den ein normaler Nutzer so gut wie nie sah: das Innere eines Computers. Also: welcher Steckplatz zuerst? Das konnte nämlich entscheidend sein. Genauso entscheidend wie die Software für diese Steckkarten, die Treiber.

Nie gehört, interessiert Sie alles nicht? Ist Ihr gutes Recht. Und übrigens: Sie sind nicht allein. Es will sich doch kein Mensch mehr rumschlagen mit diesen ganzen Problemen von früher. Sondern einfach das Gerät einschalten und loslegen. Einmal getippt, zweimal gewischt - ha, wie das auf einmal alles einfach geht! Bei Apple spricht man schon länger von der Post-PC-Ära, Microsoft versucht gerade, sich neu zu erfinden. Und Google, na ja, die rechnen sowieso damit, dass schon bald das meiste mobil erledigt wird, mit Tablets und den smarten Telefonen.

Recyceln gegen Rohstofflücke

Auslaufmodell Personal Computer? I wo, und das ist gut so.

(Foto: dpa)

Also adieu, PC? Servus, Laptop? Alle paar Wochen vermelden Marktforschungsinstitute neue Horrorzahlen, immer gibt es scheinbar eindeutige Sieger - Smartphones und Tablets - und einen eindeutigen Verlierer: den PC. Nicht, dass man den grauen Kisten und den vielen hässlichen Laptops besonders hinterhertrauern müsste, aber das Gerede vom Tod des PC ist mindestens verfrüht.

Das zeigt schon ein Blick auf die Zahlen: 2012 wurden laut der Beratungsfirma Gartner 351 Millionen PCs ausgeliefert, in diesem Jahr sollen es nur 325 Millionen sein, 2014 aber wieder 329 Millionen. Zu diesem Ergebnis kommt man, wenn man die Kategorie der "ultramobilen Geräte", die Gartner gesondert aufführt, hinzurechnet. Das ist kein Etikettenschwindel, denn auch ein flacher, leichter Laptop ist und bleibt: ein PC. Auf jeden Fall aber gilt: Mehr als 300 Millionen Geräte sind kein Pappenstiel.

Bei den Herstellern herrscht zwar Alarmstimmung, sie waren schließlich gewohnt, dass es immer nur nach oben ging mit den Verkäufen der Rechner. Wie aber kommt es, dass sich die scheinbar aus der Zeit gefallenen Kisten noch behaupten können, obwohl natürlich - niemand würde das bestreiten - die Verkaufszahlen von Tablets und Smartphones einen Rekord nach dem anderen brechen? Warum werden weiterhin jedes Jahr Hunderte Millionen der totgesagten, der belächelten Blechkameraden gekauft?

Produktives Arbeiten mit dem Tablet? Schwierig

Nun, die Erklärung ist ziemlich einfach. Ein Tablet ist ein hübsches Spielzeug, wie geschaffen dazu, auf dem Sofa während des "Tatorts" darüber auf Facebook abzulästern, mal eben schnell ein paar Fotos herzuzeigen, Mails zu überfliegen. Aber wenn man wirklich produktiv arbeiten will, dann fängt es auf den flachen Geräten mit ihren Touchscreens schnell an, umständlich zu werden.

Das gilt schon, wenn man einen längeren Text schreiben will. Ja, es gibt Tastaturen zum Anstecken oder zum Verbinden über Funk. Aber es bleibt immer das Gefühl des Kompromisses. Das Gefühl, dass das auch besser gehen könnte, viel besser. Und es ist noch gar nichts davon gesagt, dass man viele professionelle Programme anders als mit Maus und Tastatur (und möglichst einem ordentlich großen Bildschirm) gar nicht sinnvoll nutzen kann.

So schnell werden die PCs nicht verschwinden

Bei einem stationären PC lassen sich viele Bauteile relativ leicht austauschen, durch bessere ersetzen. Eine größere Festplatte? Kein Problem. Mehr Grafikpower? Bitte schön! Mit ein bisschen Geschick kriegt man das auch selber hin. Bei Tablets und Smartphones dagegen kann man höchstens noch den Akku aus dem Gehäuse herausnehmen, bei den meisten mittlerweile nicht mal mehr das. Die einzelnen Teile sind verklebt, mit Spezialschrauben verschraubt, Reparaturen lohnen sich schon nach kurzer Nutzungsdauer nicht mehr, zumindest nicht finanziell. Wer es sich zutraut, kann sich daran wagen, zum Beispiel einen defekten Bildschirm oder Akku selbst auszuwechseln. Ohne viel Fingerspitzengefühl geht dabei aber nichts, bei den vielen Anleitungen im Netz wird daher auch fast immer die Warnung eingeblendet: Nachmachen auf eigenes Risiko. Nachträglich aufrüsten? Fehlanzeige. Ein anderes Betriebssystem? Höchstens was für Spezialisten.

Nein, die kleinen Wunderflundern sind im Wesentlichen geschlossene Systeme, an die man nicht herankommt. So kann man auch nichts durcheinanderbringen, aber man ist den Herstellern in höherem Maße ausgeliefert als beim relativ offenen System PC.

Woher aber die rasch entflammte Liebe zu den Tablets und Smartphones? Das ist schnell erklärt. Die Geräte leisten etwas, das Laptops und vor allem stationäre PCs nicht oder nur unvollständig können: Sie machen die Nutzung des Internets mobil. Dass Apps - also die Miniprogramme für Handys und Tablets - zu Milliarden heruntergeladen werden, liegt ja nicht bloß daran, dass wir alle Spielkinder sind. Das auch, aber vieles ergibt erst Sinn, wenn man es dort nutzen kann, wo man gerade ist: die Karten-App, wenn man sich in der Stadt verirrt hat, die Taxi-App, wenn man eines braucht und so weiter. Die neuen Geräte haben uns auch etwas zurückgegeben, was die PCs uns gestohlen hatten: Unsere Finger direkt zu Steuerbewegungen zu nutzen, nicht auf dem Umweg über Tastaturen oder eine Maus. Und sie haben es verstanden, Dinge, die kompliziert zu sein schienen, die Installation von Programmen etwa oder Updates, so simpel zu lösen, dass das nun wirklich alle hinkriegen.

PC + Touch = Problem gelöst? Von wegen!

Man könnte daher leicht auf den Gedanken kommen, dass es doch am besten wäre, die beiden Welten zu vereinen. PC + Touch = Problem gelöst? Von wegen! Microsofts Windows 8 versucht genau das, doch viele ältere oder komplexere Programme sind für die Fingerbedienung nicht geeignet - und es stellt sich schnell wieder das Gefühl des unvorteilhaften Kompromisses ein. Es wird daher wohl eher so sein, dass die beiden Gerätekategorien noch geraume Zeit nebeneinander existieren werden, und es wird immer neue Zwitterformen geben.

Vielleicht aber wäre es eine Lösung, die touch-basierten Geräte zu verwenden wie ein Eingabegerät, so wie manche Hersteller das schon machen für Fernsehgeräte. Ein Smartphone oder Tablet dient dabei als zweiter Bildschirm, aber nicht in erster Linie zum Gucken, sondern um Dinge zu machen, die sich mit herkömmlichen Tasten-Fernbedienungen nicht oder bloß sehr umständlich erledigen lassen: nach Sendungen suchen zum Beispiel, Aufnahmen programmieren, Zusatzinformationen abrufen, an Quizsendungen teilnehmen. Am ehesten könnte man Apple zutrauen, das hinzukriegen, haben die Kalifornier ihre Hard- und Software doch fest in der Hand.

Aber wenn es hart auf hart kommt, wenn die Seminararbeit ansteht, die Finanzen der Firma verwaltet werden müssen, eine Fabrik zu leiten oder Zeitungsseiten zu gestalten sind, wird kaum einer das mit einem Tablet machen wollen. Ob flach und leicht wie ein MacBook Air oder die gute alte Kiste unterm Schreibtisch: So schnell werden die PCs nicht verschwinden.

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