PC-Rollenspiel "Diablo 3" im Test:Glücksspiel mit dem Teufel

Taktische Herausforderung oder ein simples Glücksspiel? Hinter dem einfachen Konzept des PC-Rollenspiels "Diablo 3" verbirgt sich überraschende Spieltiefe. Für Kritik sorgt aber, dass nun zum ersten Mal auch um echtes Geld gespielt wird.

Matthias Huber

Es gibt da eine Szene in Diablo 3, die auf den ersten Blick zynisch erscheint. In einer Nebenmission geht es um die Ehefrau eines Farmers, die sich in eine Untote zu verwandeln droht. Ohne dass der Spieler vor irgendeine Wahl gestellt würde, bietet die eigene Spielfigur plötzlich dem verzweifelten Bauern bereitwillig "Hilfe" an, jene Gattin umzubringen. Ebenfalls ohne größere Bedenken nimmt dieser das Angebot dankend an. Erst viele Spielstunden später taucht die Frau als Geistererscheinung auf und stellt diesen Pragmatismus moralisch in Frage.

PC-Rollenspiel "Diablo 3" im Test: Ein Barbar trotzt in Diablo 3 den Flammen der Hölle.

Ein Barbar trotzt in Diablo 3 den Flammen der Hölle.

(Foto: Activison Blizzard)

Solches Handeln ist typisch für die comichaft überzeichnete Fantasy-Welt, in der Diablo 3 spielt: Das Spielprinzip und die Spielmechanik verlangen vom Spieler größtmögliche Effizienz. Der genannte Auftritt kurz vor Schluss der Einzelspieler-Kampagne wirkt vor diesem Hintergrund wie ironische Selbsterkenntnis der Entwickler.

Diablo 3 ist wie seine Vorgänger ein zutiefst utilitaristisches Spiel. Erklärtes Ziel ist es, eine Spielfigur zu erschaffen, die nicht nur den Herausforderungen ge-, sondern ihnen letztlich sogar entwachsen sein wird. Die Geschichte um den Höllenfürsten Diablo, der jetzt schon zum dritten Mal die Schöpfung unterwerfen will, ist nur Mittel zum Zweck. Sie führt von der Verteidigung eines kleinen Dorfes bis zum Endkampf vor den Pforten des Himmels, präsentiert in zwar spektakulären, aber doch etwas arg pathetischen computergenerierten Videosequenzen.

Vordergründig handelte es sich bei der Diablo-Reihe also mal um Rollenspiele für den PC, ein Genre, das mit aktuellen Beiträgen von Mass Effect bis Skyrim oder auch World of Warcraft eine sehr große Bandbreite abdeckt. Ein Reiz dieser Gattung besteht darin, immer wieder folgenschwere Entscheidungen zu treffen, um daraus die Fähigkeiten seiner Spielfigur zu entwickeln. Bereits die Vorgänger aus den Jahren 1996 und 2000 gehörten in dieser Hinsicht nicht zu den komplexesten Vertretern, doch mit diesem dritten Teil hat Entwicklerstudio Blizzard auch den letzten Rest der Genre-Wurzeln der Stromlinienform der Spielmechanik geopfert.

Taktische Herausforderung hinter simplem Spielprinzip

Auf den ersten Blick ist Diablo ganz einfach: Der Spieler schickt seinen Helden - einen Krieger, Zauberer, Jäger, Kampfmönch oder Medizinmann - mit einem Klick der linken Maustaste an die ausgewählte Stelle. Trifft der Mauscursor einen Feind, so greift der Held an. Jeder Mausklick entspricht einem Schwerthieb oder einem Zauberspruch - bei den Hundertschaften an Gegnern, die Höllenfürst Diablo dem einsamen Spieler entgegenschickt, ist ein ausdauernder Zeigefinger gefragt.

Trotzdem, eine reine, stupide Klickorgie war vielleicht noch der erste Teil der Reihe. Blizzard ist in der Branche berühmt dafür, die Maxime "easy to learn, hard to master" für seine Spiele perfektioniert zu haben. Rund um Starcraft, einem Strategiespiel aus gleichem Haus, hat sich in Asien und den USA längst eine professionelle Wettkampfszene etabliert, deren Protagonisten wie Profisportler hauptberuflich viele Stunden täglich trainieren, um dann in Turnieren um Preisgelder in Millionenhöhe anzutreten. Auch das Online-Rollenspiel World of Warcraft hat eine kleine Turnierszene hervorgebracht.

Überraschend komplex - und doch vom Zufall geprägt

Es ist allerdings unwahrscheinlich, dass sich Diablo 3 auch zur Wettkampfdisziplin entwickelt - schon weil es bislang keinerlei Spielmechanik dafür gibt. Hinter der Geschicklichkeitsübung für die Maushand verbirgt sich ein umfangreiches taktisches System, das deutlich anspruchsvoller als in den beiden Vorgängern daherkommt.

Im zweiten Teil gab es noch einen Fertigkeitenbaum, dessen verschiedene Zweige, für die sich der Spieler endgültig entscheiden musste, beispielsweise zu einem hochspezialisierten Axtkämpfer führten. An ihre Stelle sind jetzt eine Reihe automatisch nach und nach verfügbarer Fähigkeiten getreten. Will er etwas anderes ausprobieren, so kann der Spieler sie fast jederzeit austauschen. Nur eine kleine Zeitstrafe von wenigen Sekunden sorgt dafür, dass er sich vor einem Kampf auf die jeweilige Taktik festlegen muss.

Diablos beachtliche taktische Komplexität ergibt sich nun aus der schieren Zahl von Kombinationsmöglichkeiten: Auf sechs gleichzeitig aktive Fähigkeiten kommen mit Varianten jeweils etwa 20 verschiedene Aktionen, Zaubersprüche, Kampfmanöver. Außerdem wählt der Spieler aus einer etwa 15 Einträge langen Liste drei besondere Eigenschaften. Damit ergeben sich für jede der fünf Charakterklassen gut 50.000 unterschiedlicher Konfigurationen, unter denen es die für die nächste Herausforderung jeweils beste auszuwählen gilt. So mag beispielsweise für einzelne starke Gegner eine ganz andere Zusammenstellung nötig sein, als für Horden klappriger Skelette.

Der eigentliche Reiz der Diablo-Reihe liegt aber nicht in ihren spielerischen Herausforderungen. Mit mehreren Millionen (zum großen Teil zufallsgenerierten) verschiedenen Spielgegenständen, mit denen man seine Figur ausrüsten kann, spricht Diablo 3 unverblümt den Sammel- und Optimierungstrieb des Spielers an. Immer mächtiger wird der eigene Held, je bessere Rüstung, je durchschlagskräftigere Waffen er findet. Jeder Gegner hinterlässt solche Gegenstände, mal mehr, mal weniger nützlich.

Andere, besonders mächtige Gegenstände, sind nur an bestimmten Stellen auffindbar - mit teils lächerlichen Wahrscheinlichkeiten im Promillebereich. Das perfekte, bestmögliche Schwert auch noch ausgerechnet mit der passenden Charakterklasse zu finden, kommt einem Sechser im Lotto gleich. Dennoch, die Frequenz, in der ein Spieler seinen Helden umrüstet, ist so hoch, dass ein unwiderstehliches Versprechen in der Luft hängt: Der nächste Klick könnte der wichtigste sein.

Gemeinschaftserlebnis ist Teil der Motivation

Diese Aussicht und die permanenten kleinen Erfolgserlebnisse sind es, die auch nach vielen Stunden fesseln. Viele Spieler haben mit dem zweiten Teil eine hohe dreistellige Zahl an Spielstunden verbracht - und sind dennoch nie fertig geworden. Das wird bei Diablo 3 nicht anders sein. Der Spielfortschritt ist nicht linear zur Erzählung, auch wenn die Geschichte von den Mächten der Hölle, die sich die Schöpfung unterwerfen wollen, das vorgaukelt. Der eigentliche Spielfortschritt findet in der Rüstungsspirale zwischen Helden und Horden statt.

Wird der Spieler stärker, so gibt es immer noch größere Herausforderungen, die ohne den neuen Zauberstab nicht zu bewältigen wären. Wer bereit ist, sich diesem Suchtpotential zu unterwerfen, der findet in Diablo 3 das ideale Laster.

Auch spielt Diablo 3 höchst effektiv mit dem Stolz der Spieler auf das virtuell Erreichte. Bereits für den ersten Teil - 1996 eine absolute Pioniertat - hat Blizzard das Spiel in einen umfangreichen Online-Service eingebunden. Im Battle.net können Spieler sich gemeinsam den Dämonen, Untoten und Monstern stellen, die über das verschlafene Dorf Tristram herfallen. Dass sie dabei verstohlen auch den ein oder anderen bewundernden Blick auf die schimmernde Rüstung des Kampfgefährten werfen, versteht sich von selbst.

Außerdem tauschen sie hier ihre Beute aus oder handeln darum. Diablo 3 ist nun der erste Teil der Reihe, der gar nicht mehr offline (wohl aber alleine) gespielt werden kann - nach Angaben des Herstellers, um Schummeleien im Spiel zu unterbinden. Ebenfalls neu ist ein virtuelles Auktionshaus, in dem die Spieler überschüssige Rüstungsteile gegen virtuelle Goldstücke oder ab kommender Woche auch gegen echtes Geld anbieten können. Blizzard behält von diesen Echtgeld-Auktionen eine Provision ein.

Letzteres stieß im Vorfeld der Veröffentlichung auf herbe Kritik: Einerseits gefährde Blizzard dadurch die Fairness und Spielbalance und nehme in Kauf, dass unter den Spielern eine Zwei-Klassen-Gesellschaft entstehe. Andererseits wird dem Studio vorgeworfen, sich mit dieser offiziellen Verkaufs-Plattform für virtuelle Gegenstände auch an Kinderarbeit und Ausbeutung zu bereichern.

So ist in den letzten Jahren vor allem in Asien eine beachtliche Industrie entstanden, die derlei Gegenstände (meist illegal) zum Verkauf anbietet. Erspielt werden die Handelsgüter zumindest unter fragwürdigen Arbeitsbedingungen, oft auch von Kindern. Dieser Industrie bietet Blizzard nun eine legale Handelsplattform. Darüber hinaus ist noch ungeklärt, ob angesichts der hohen Zufallsabhängigkeit der Erfolge in "Diablo III" ein solches Angebot überhaupt mit dem deutschen Glücksspielgesetz vereinbar ist. Denn bei aller lobenswerten spielerischen Komplexität: Ein Glücksspiel ist Diablo ganz gewiss.

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