PC-Fabrik in Nordkorea:Tigersprung in die Steinzeit

Im Land des letzten großen Führers Kim Jong Il gibt es nun endlich eine volkseigene PC-Fabrik. Nordkorea, so gilt es zu entwarnen, greift damit weder IBM, noch Dell, noch Apple an. Aber warum müssen die Computer so steinzeitlich daherkommen?

Bernd Graff

Das ist jetzt ganz schön. Relative frische dreißig Jahre nach der Etablierung von Personal Computern im dekadenten Westen setzt Nordkorea an zu seinem eigenen PC-Tigersprung. Frisch deswegen, weil zwischen dem Westen und den letzten Kräften der kommunistischen Progression wenig vom großen Tauwetter stattgefunden hat, in dem der globale Kommunismus, sofern nicht chinesisch ausgeprägt, dahin geschmolzen ist.

PC-Fabrik in Nordkorea: Nordkoreas Propaganda zeigt gern Bilder ihres Führers Kim Jong-Il in angeblich hochtechnisierten Anlagen. Demnächst auch aus einer PC-Manufaktur?

Nordkoreas Propaganda zeigt gern Bilder ihres Führers Kim Jong-Il in angeblich hochtechnisierten Anlagen. Demnächst auch aus einer PC-Manufaktur?

(Foto: AFP)

Ist ja auch egal. Im Land des letzten großen Führers Kim Jong Il gibt es jetzt eine PC-Fabrik. Das weiß man, weil die nordkoreanische Tagesschau darüber berichtet hat. Pünktlich um 20 Uhr, gleich nach der nordkoreanischen Nationalhymne und also 15 Minuten vor der nordkoreanischen Nationalhymne, die dort das TV-Programm vollflächig bestreitet, zeigte man: Menschen, die auf etwas schauen, was wie Rechenknechte aus der Zeit der Punischen Kriege aussah. Nordkorea, so gilt es zu entwarnen, greift damit also nicht IBM, Dell und Apple an.

Was indes bemerkenswert ist. Nicht nur, dass es diese Me-Too-Produkte aus Nordkorea nun gibt. Das wurde schließlich ja auch mal Zeit. Sondern, dass sie so steinzeitlich daherkommen.

Nachbarland China produziert in vollautomatisierten Volkswerkstätten Ansehnliches - meist für den dekadenten Westen. Da hätte man doch erwarten können, dass Nordkorea auf der technischen Höhe des befreundeten Staates einsteigt. Gut, dann eben nicht.

Dafür hat man jetzt drei Computertypen vorgestellt, die es in folgenden Geschmacksrichtungen gibt: Für die Schule, für die Universität, für das Büro. Zwei laptopartige Gebilde und ein stationärer Rechner, der nicht an einen Monitor, sondern an einen Fernseher angeschlossen wird.

Der nordkoreanische Aufklärungsspot zeigte Menschen mit Gummihandschuhen, die sich an Tastaturen vergingen, mutmaßlich, um sie einzubauen. Auf einem anderen Bild sah man, wie jemand eine Maus bediente.

Multimedialität à la Kommunismus

"Man kann damit multimedial operieren", wurde ein Verantwortlicher der Fertigungsstätten zitiert. "Man kann Texte darstellen und bearbeiten, Gehirntraining betreiben, in Nachschlagewerken nachsehen und sogar Fremdsprachen lernen."

Schluss mit der Multimedialität

Das ist Multimedialität à la Kommunismus. Denn beschrieben wird nur: dass die Dinger Texte tippen und korrigieren und - bei vorhandenem Fernseher - sogar lesen lassen. Die dann allerdings in bunt. Angegebene Batterielaufzeit: etwa zweieinhalb Stunden. Muss ja dann auch mal wieder Schluss sein mit der Multimedialität!

Weitere Spezifikationen der Geräte, etwa, woher die Fernseher kommen sollen, wurden nicht gegeben. Über Prozessoren und Speichermedien wurde gleich gar nichts gesagt.

Experten diskutieren nun im Netz, welche Laptop-Vorbilder Nordkorea wohl nachgebaut haben mag. Spekuliert wird über eine Net-Book-Variante, die in obskuren US-Webshops für 99 Dollar feilgeboten wird. Geraunt wird andernorts auch die Marke Sylvania.

Man weiß es also nicht. Über das zum Einsatz kommende Betriebssystem kann auch nur spekuliert werden. Windows wird es nicht sein. MAC OS schon mal gar nicht. Linux also muss es sein, vermutlich die berüchtigte "Red Star"-Edition aus Nordkoreas eigenen Abkupferwerkstätten.

"Gemach, gemach", hatte der nordkoreanische Fabrikvertreter im Fernsehen noch gesagt, "diese Computer und die dafür nötige Software verdanken sich ausschließlich der Expertise unseres Volkes. Sie sind gedacht und gemacht, um alle ihre Aufgaben ohne Schwierigkeiten zu erfüllen." Das ist ja auch völlig in Ordnung, wenn man nur Texte tippen will, und es gleich multimedial nennt.

Man fragt sich aber schon, warum die gezeigten Tastaturen dazu römische Buchstaben aufwiesen, die Bildschirme aber koreanische Zeichen darstellten. Das soll Kims Sorge sein, nicht unsere.

Abgesehen von einem USB-Anschluss, der nur eine der drei Varianten für Datentransfer aufweist, kommen die Kästen in kein Netz. Ins Internet schon gar nicht. Dessen Erfindung ist im Nordkoreanischen Fünfjahresplan nicht vorgesehen.

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