Süddeutsche Zeitung

Paypal-Chef wechselt zu Facebook:Gute Frage

Facebook macht Paypal-Chef David Marcus zum Chef seiner Chat-App. Der 41-Jährige muss eine entscheidende Frage im Silicon Valley klären: Wie lässt sich mit Messaging-Apps, die vor allem deshalb so beliebt sind, weil sie spottbillig oder gar kostenlos sind, Geld verdienen?

Von Varinia Bernau und Pascal Paukner

So etwas sagen Manager gern, wenn sie auf der Karriereleiter einen Schritt nach unten machen. Dass ihre Tage so durchgetaktet seien und sie kaum zum Nachdenken kommen. Dass sie genervt seien von den trägen Kräften in einem Konzern. Auch David Marcus, 41, der vor drei Jahren mit dem Kauf seines Start-ups Zong zur Ebay-Tochter Paypal gekommen ist und den Bezahldienst zuletzt geleitet hat, möchte sich nun, wie er sagt, "wieder die Hände schmutzig machen". Er könne es gar nicht erwarten.

Deshalb wechselt Marcus zum sozialen Netzwerk Facebook - und soll dort den Messaging-Dienst voranbringen. Sein Job wird kaum damit erledigt sein, der App ein neues Antlitz zu verpassen. Er soll, so berichtet es Bloomberg unter Berufung auf Insider, auch Antworten auf eine knifflige Frage finden: Wie lässt sich mit den Diensten, die vor allem deshalb so beliebt sind, weil sie spottbillig oder gar kostenlos sind, Geld verdienen? Über Facebooks Nachrichten-App etwa werden jeden Tag zwölf Milliarden Nachrichten versendet. Aber Facebook bringt das keinen einzigen Cent ein.

Fast 90 Prozent seiner Erlöse macht das soziale Netzwerk mit Werbung - im vergangenen Jahr 6,9 Milliarden Dollar. Doch diese Werbung wird nur auf den Seiten der Mitglieder platziert, nicht in den untereinander ausgetauschten Kurznachrichten. Und in der Branche ist die Sorge groß, die Menschen mit Anzeigen aus den Chats zu vergraulen - und zur Konkurrenz zu treiben.

Der Kunde soll Werbung als Service wahrnehmen

Die Kür sei es, sagt Klaus Böhm vom Beratungsunternehmen Deloitte, Werbung so zu platzieren, dass der Kunde sie eher als Service wahrnimmt. Eine Nachricht aus dem Fast-Food-Laden etwa, falls in der Filiale um die Ecke gerade ein Freund sitzt, dazu noch ein Rabattgutschein für einen Hamburger. Dafür müsse es der Anbieter eines Messaging-Dienstes allerdings verstehen, so Böhm, all die gesammelten Daten so zu durchforsten, dass sich daraus ein Dreiklang komponieren lässt: Worüber wird im Chat gerade geplaudert? Wo hält sich der Nutzer gerade auf? Und wie bringt man den Rabatt für den Hamburger am besten auf sein Smartphone? "Da ist äußerst schwer. Und Facebook ist nicht das einzige Unternehmen, das sich daran versucht", sagt Böhm.

Werbung in Kauf nehmen - oder eben doch für den Messaging-Dienst zahlen. Nach Ansicht von Wafa Moussavi-Amin vom Marktforscher IDC kommt mittelfristig niemand mehr darum herum. "Die Infrastruktur hinter solchen Diensten verursacht immense Kosten. Das kann kein Unternehmen nur auf dem guten Willen aufbauen." Die Frage sei nur, wer sich als erstes aus der Deckung wagt - und wer sich am Ende durchsetzt.

Als Facebook im Februar verkündete, für 19 Milliarden Dollar den Messaging-Dienst Whatsapp zu kaufen, beeilte man sich zu betonen, dass der Dienst unabhängig weiterbetrieben werde. Darin steckte das Versprechen, dass Whatsapp auf absehbare Zeit nicht auf eine Werbefinanzierung setzt. Jan Koum, Gründer der Nachrichten-App und weiter dafür verantwortlich, hat sich öffentlich mehrfach als fundamentaler Gegner von Werbeeinblendungen gezeigt. Deshalb müssen die Nutzer auch zahlen: 89 Cent pro Jahr.

Zudem hat Whatsapp mit dem Mobilfunkanbieter E-Plus eine Partnerschaft abgeschlossen: In speziellen Tarifen können Nachrichten auch dann noch verschickt werden, wenn das Guthaben für SMS bereits aufgebraucht ist. Bei E-Plus hofft man, so Kunden zu locken, die ihr Smartphone auch zu anderen Zwecken nutzen - Whatsapp lässt sich am Umsatz des Mobilfunkanbieters beteiligen.

Wird Facebook mit Marcus an der Spitze seines Messaging-Dienstes und Koum als Whatsapp-Chef nun also eine Doppelstrategie fahren? Werbung bei Facebook, Bezahlmodell bei Whatsapp?

Facebook baut Snapchat-Konkurrenten

Branchenbeobachter Böhm glaubt durchaus, dass die Leute dazu bereit wären, für einen Messaging-Dienst zu zahlen - wenn sie darin einen Vorteil sehen. Am stärksten falle dabei die Frage ins Gewicht, wie viele Freunde man in dem Chat erreiche und wie viele neue Kontakte man dort knüpfen könne. Auch deshalb legt sich Facebook so ins Zeug, um nur nicht den nächsten Trend zu verpassen.

Deshalb hat Facebook seine eigene Messaging-App gebaut, den Konkurrenten Whatsapp gekauft und sich an der Übernahme von Snapchat zumindest versucht. Der hat sich verweigert, wächst weiter rasant - und so tüftelt Facebook Medienberichten zufolge nun an einem eigenen Pendant zu Snapchat, die Slingshot heißen soll und über das Wochenende wohl aus Versehen schon einmal kurz im Netz auftauchte. Apps wie Snapchat ermöglichen das Versenden von Nachrichten, die nach einer bestimmten Zeit verschwinden. Auch diese finanzieren sich bislang vor allem über Risikokapital - also der Hoffnung, dass sich der schiere Ansturm irgendwann einmal in Gewinn ummünzen lässt.

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Quelle:
SZ vom 11.06.2014/pauk/rus
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