Süddeutsche Zeitung

Patentstreit mit Motorola:Hickhack um Online-Verkaufsstopp für Apple-Produkte

Im Patentstreit mit Motorola nimmt Apple ältere Versionen des iPhones sowie iPads mit UMTS-Empfang in Deutschland zwischenzeitlich aus dem Online-Shop - um sie wenig später wieder anzubieten. Auslöser ist das Urteil eines Mannheimer Gerichts.

Der Patentstreit zwischen den großen Elektronikkonzernen wird immer konfuser. Nachdem Apple am Freitag zunächst einen Verkaufsstopp bestimmter iPad- und iPhone-Modelle über den deutschen Onlineshop verkündet hatte, nahm der US-Konzern die Entscheidung später wieder zurück.

Derweil trug Motorola beim Gerichtsmarathon vor dem Landgericht Mannheim einen Etappensieg davon. Von dem zeitweisen Onlineverkaufsstopp waren die Modelle iPhone 3G, iPhone 3GS und iPhone 4 sowie alle UMTS-fähigen iPad-Computer betroffen. Davon ausgenommen war das aktuelle Modell iPhone 4S. Ein Apple-Sprecher sagte, der Konzern habe so handeln müssen, "weil Motorola sich wiederholt weigert, ein Patent zum UMTS-Standard zu vernünftigen Bedingungen zu lizenzieren, obwohl es bereits vor sieben Jahren zu einem Industriestandard-Patent erklärt wurde". Hintergrund war ein Gerichtsurteil des Landgerichts Mannheim vom Dezember.

Am Freitagnachmittag ruderte Apple allerdings zurück. Alle Produkte sollten im Tagesverlauf wieder online zu bestellen sein. Es sei eine neue Situation eingetreten, sagte der Sprecher, ging aber nicht weiter darauf ein.

Auch die iCloud verstößt gegen Patentrecht

Das Landgericht Mannheim entschied derweil erneut zugunsten von Motorola. Der Konzern hatte Apple vorgeworfen, mit seinem Online-Speicherdienst iCloud ein Patent verletzt zu haben. Das Mannheimer Gericht sprach eine permanente Verfügung gegen den sogenannten Push-Nachrichten-Dienst aus, bei dem E-Mails sofort an mobile Geräte weitergeleitet werden. Die Folgen dieses Urteils sind noch unklar.

Eine Motorola-Sprecherin kommentierte das Urteil mit den Worten: "Wir sind erfreut, dass das Gericht die Wichtigkeit unseres intellektuellen Eigentums anerkannt hat und uns eine einklagbare Verfügung in Deutschland gegen Apple Sales International erteilt hat." Apple nahm dazu keine Stellung.

Es war schon das zweite Mal, dass die deutschen Verbraucher von den Patentstreitereien behindert werden. Wegen Klagen von Apple darf seit Sommer das Samsung-Tablet Galaxy Tab 10.1 nicht in Deutschland verkauft werden.

In beiden Mannheimer Fällen richteten sich die Urteile gegen die irische Tochter Apple Sales International, was den Stopp der Online-Verkäufe im Apple-Store erklärt. Beim neuen iPhone 4S hat Apple zum Teil andere Zulieferer, die breitere Patentlizenzen haben. Daher war das aktuelle iPhone-Modell von dem Urteil nicht betroffen.

Die Auseinandersetzungen um sogenannte standard-essenzielle Patente, ohne die eine Technologie wie etwa UMTS im Prinzip nicht umgesetzt werden kann, rückten zuletzt immer mehr in den Mittelpunkt. Auch Samsung führt gegen Apple zum Teil solche Patente ins Feld. Die EU-Kommission ermittelt deswegen gegen den südkoreanischen Konzern.

Die Motorola-Patente sind im Zusammenhang mit der geplanten Übernahme des Mobilfunksegments von Motorola durch Google ebenfalls Gegenstand von EU-Untersuchungen. Mit der aktuellen Entwicklung werde Deutschland endgültig zum Brennpunkt in dem weltweit geführten Patentkrieg, sagte der deutsche Experte Florian Müller, der die Streitigkeiten in der Branche verfolgt.

In Deutschland laufen Verfahren neben Mannheim auch in Düsseldorf und München. In Düsseldorf versucht Apple, Samsungs iPad-Rivalen Galaxy Tab 10.1 und das modifizierte Modell Galaxy Tab 10.1N aus dem Handel zu halten. In Mannheim scheiterte Samsung zuletzt mit zwei Patentverletzungsklagen gegen Apple.

Apple scheiterte in München

Dem US-Konzern gelang es diese Woche in München im Gegenzug nicht, das Galaxy Tab 10.1N und das neue Samsung-Smartphone Galaxy Nexus per einstweiliger Verfügung zu stoppen.

Die Verfahren in Deutschland sind Teil eines groß angelegten Patentkonflikts in der Mobilfunk-Branche, bei dem besonders oft Hersteller von Geräten mit dem Google-Betriebssystem Android im Visier stehen. Google vermarktet die Plattform als offen und lizenzfrei, im Smartphone-Markt ist Android inzwischen klarer Marktführer.

Übernahme durch Google noch nicht genehmigt

Der im Oktober verstorbene Apple-Chef Steve Jobs warf Google vor, Android von Apples iPhone-System iOS abgekupfert zu haben und trat deswegen einen Patentkrieg los. Die Auseinandersetzung mit Motorola ist besonders interessant: Google ist gerade dabei, den Mobilfunk-Pionier für 12,5 Milliarden Dollar zu übernehmen. Das erklärte Ziel dabei ist, das Patent-Arsenal hinter Android zu stärken. Bei Motorola liegen tausende grundlegende Technologie-Patente.

Die Regulierer haben bisher aber noch kein grünes Licht für die Übernahme gegeben. Viele der Motorola-Patente gehören zum Grundstock von Standards und müssen daher zu besonderen Konditionen lizenziert werden.

Dieser Text wurde um 17:40 Uhr aktualisiert.

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