Palm:Auf der Suche nach dem verlorenen Markt

Die Ära der Taschencomputer neigt sich dem Ende zu - der ehemalige Marktführer auf diesem Sektor versucht sich gerade neu zu erfinden.

Von Michael Lang

Wo Palm draufsteht, war bislang auch Palm drin. Käufer eines Taschencomputers der Marke Palm konnten sicher gehen, nach dem Einschalten des Geräts die vertraute Benutzeroberfläche des Palm-Betriebssystems vorzufinden. Hard- und Software stammten aus einer Hand, genauso wie beim Computerpionier Apple.

Palm-Gerät

Ein Palm Handheld der V-er Serie - 1999 ein Hoffnungsträger.

(Foto: Foto: Reuters)

Mit dem Ende des klassischen Taschencomputers - Analysten rechnen damit in spätestens zwei bis vier Jahren - wird es wohl auch mit diesem Automatismus vorbei sein. Schon auf der nächsten Cebit könnte der Hersteller Palmone ein Smartphone mit Windows-Betriebssystem präsentieren.

Zur Erklärung: Smartphones sind die Nachfolger der Taschencomputer, und Palmone ist die ehemalige Hardware-Abteilung von Palm. Das Unternehmen hatte sich vor zwei Jahren, als das Ende der Taschencomputer abzusehen war, in zwei unabhängige Firmen aufgespalten: Aus der Hardware-Abteilung wurde Palmone, aus der Software-Sparte entstand Palmsource.

"Beide Unternehmen sollen unabhängig voneinander ihre eigenen Märkte suchen", erklärt Wolfgang Weiß, Marketing Manager Zentraleuropa bei Palmone.

Die Väter der Aufspaltung wollten mit diesem Schritt vermeiden, dass Palm eines Tages zu einem Nischenanbieter wie Apple mit zwei Prozent Marktanteil schrumpft. "Ich möchte nicht ausschließen, dass wir unsere Geräte eines Tages auch mit einem anderen Betriebssystem anbieten, sofern es der Markt verlangt", sagt Weiß.

Bereits im vergangenen Jahr kamen Gerüchte auf, dass Palmone an einer Anpassung seines Smartphones Treo an das Microsoft-Betriebssystem "Windows Mobile" arbeite.

Mit dem Treo erwirtschaftet Palmone mittlerweile die Hälfte seines Umsatzes. Allerdings läuft der Hersteller Gefahr, sich vom Platzhirsch der Taschencomputer zu einem beliebigen Handy-Hersteller zu entwickeln.

Denn der Treo läuft bislang nur in den USA richtig gut. Dort ist das Palm OS auch Marktführer bei den Betriebssystemen für Smartphones, während das europäische Symbian-System kaum nachgefragt wird. In Europa hingegen sind die Verhältnisse umgekehrt.

"Symbian" ist mit einem geschätzten Marktanteil von 80 Prozent der unumstrittene Marktführer. Erreicht es Palmone nicht, dass die Mobilfunkanbieter den Treo in ihren Läden anbieten, wird das Unternehmen wohl langfristig vom europäischen Markt verschwinden.

Würde ein Wechsel von Palmone zu "Windows Mobile" den Treo und damit das Unternehmen retten, käme Palmsource in Existenzschwierigkeiten. Deshalb hält sich auch Palms ehemalige Software-Sparte zurzeit alle Optionen offen.

Die Marktführerschaft bei den Taschencomputern hat das Unternehmen bereits im vergangenen Jahr an Microsoft verloren. "Windows Mobile" wird durch seine Affinität zur Windows-Welt vor allem von Unternehmen geschätzt.

Deshalb ist "Windows Mobile" auch auf Smartphones sowohl in Europa als auch in den USA auf dem Vormarsch. Wie reagiert Palmsource darauf? Das Unternehmen sucht sich einen anderen Markt.

Im vergangenen Jahr kaufte Palmsource einen chinesischen Hersteller von Handy-Betriebssystemen. China Mobilesoft mit Sitz in Nanjing könnte für Palmsource zum Türöffner in das Reich der Mitte werden.

Dessen Betriebssystem läuft bereits auf einer Million Handys. Palmsource möchte die Benutzeroberfläche von Palm OS mit Adressbuch und Kalender auf die Software übertragen, um damit auf den chinesischen Massenmarkt zu gelangen.

Sind die Chinesen erst einmal auf den Geschmack von Palm OS gekommen, so die Überlegung bei Palmsource, werden sie beim Umstieg auf ein Smartphone ebenfalls zum vertrauten System greifen.

China Mobilesoft entwickelt zurzeit ein Linux-Betriebssystem für Smartphones, das mit Palmsources' aktuellem Betriebssystem Cobalt (Palm OS 6) verschmolzen wird. "Linux wird zur Grundlage aller künftigen Betriebssysteme von Palmsource", erläutert Charlie Tritschler, Vice President für Produktmarketing bei PalmSource, die Strategie.

Mit Linux, so Tritschler, ließe sich die Anpassung des Systems an die Geräte erheblich verkürzen. "Die Handy-Hersteller können ihre Geräte schneller zur Marktreife bringen", erklärt er, "und dadurch Kosten sparen."

China soll zur Basis werden, von der aus der Palmsource den weltweiten Smartphone-Markt erobern möchte. Dabei kann sich das Unternehmen der Unterstützung durch die chinesische Regierung sicher sein, die zu den großen Förderern von Linux zählt.

Palmsource liegt mit Linux übrigens im Trend. In Motorola und Samsung engagieren sich immer auch der zwei- und der drittgrößte Handy-Hersteller im Bereich der Linux-Smartphones.

Allerdings fahren die beiden Unternehmen, was ihre Betriebssysteme angeht, mehrgleisig. Palmsource dagegen bleibt nichts anderes übrig, als alles auf eine Karte zu setzen. Denn vom alten Palm OS spricht schon bald niemand mehr.

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