Oracle:Trumps "toller Typ" will Tiktok

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Oracle-Chef Larry Ellison soll an Tiktok interessiert sein. (Foto: dpa)

Larry Ellisons Software-Konzern Oracle steigt ins Milliarden-Rennen um die Video-App aus China ein. Aber was will er mit Tiktok?

Von Jannis Brühl und Helmut Martin-Jung, München

Larry Ellison ist ein Mann der intensiven Gefühle. Der Milliardär liebt seine riesige Yacht so sehr, wie er jede Niederlage hasst. Am meisten hasst er gegen Microsoft zu verlieren. Wenn es gegen den Konzern aus Redmond geht, lässt er auch schon mal Detektive den Müll von Microsofts Lobbyisten nach belastendem Material durchkämmen. Die jahrzehntelange Rivalität von Oracle und Microsoft setzt sich nun auf einem Gebiet fort, auf dem sich beide nicht wirklich auskennen: In dem von US-Präsident Donald Trump erzwungenen Wettbieten um die Video-App Tiktok.

Die Financial Times hat berichtet, Oracle verhandele wie Microsoft mit Bytedance, dem chinesischen Konzern, dem Tiktok gehört. Dafür sei das Unternehmen auf Sequoia Capital und General Atlantic zugegangen, zwei der Investoren von Bytedance. Tiktok hat bis zu einer Milliarde Nutzer, vor allem Teenager laden dort Videos hoch. Da Tiktok dem Bytedance-Konzern aus China gehört, bezichtigt die US-Regierung die App, ein Werkzeug des chinesischen Staates zu sein. Der könne auf die Daten von US-Nutzern zugreifen und sie ausspionieren. In einem einmaligen Schritt hat Trump Bytedance bis zum 15. September Zeit gegeben, das US-Geschäft von Tiktok zu verkaufen - sonst verbiete er die App. Microsoft galt bislang als aussichtsreichster Kandidat für einen Kauf, es geht um bis zu 50 Milliarden Dollar.

Viel Geld für Zukäufe hat auch Oracle, aber welches Interesse leitet Ellison? Denn Oracle ist auf Geschäftskunden spezialisiert. Mit Privatkunden, gar jugendlichen, hatte das Unternehmen bis dato nichts zu tun. Oracles Corporate-Welt ist das Gegenteil der kurzweiligen Tanz- und Comedy-Clips, die Teenager auf Tiktok basteln. Auch Microsoft ist vor allem auf Geschäftskunden fixiert, hat aber immerhin mit seiner Spielekonsole Xbox ein florierendes Geschäft mit teils jugendlichen Gamern, und mit Linkedin immerhin ein soziales Netzwerk, auch wenn es dort um berufliche Kontakte geht. Oracle hat dagegen überhaupt keine Erfahrung mit sozialen Medien. Außerhalb der Branche ist das Unternehmen allenfalls bekannt für seinen schillernden Gründer und dessen Kaltschnäuzigkeit.

Vielleicht ist der Einstieg in die Tiktok-Verhandlungen eine Verzweiflungstat. Das Unternehmen des stets braun gebrannten, 76-jährigen Ellison ist nicht mehr, was es in den Neunzigern war. Oracle hat den Übergang von Rechenanlagen, die bei den Kunden stehen, zum Cloud-Computing verpasst. Ein Gewinner ist Oracle schon länger nicht mehr, sondern hintendran hinter Amazon, Google und Microsoft.

Warum also Tiktok? Interessant für Ellison könnten Tiktoks Daten sein. Die App erfasst die Vorlieben ihrer Nutzer, um ihnen dann Video-Werbung anzuzeigen. Auch dank des Tiktok-Booms machte Bytedance 2019 so drei Milliarden Dollar Gewinn, der Umsatz zum Vorjahr verdoppelte sich. Mit den Daten der jungen Tiktok-Nutzer könnte Oracle seine eigene Marketing-Cloud nach vorne bringen, ein System aus mehreren Anwendungen. Damit könnte die Firma dann etwa Facebook Konkurrenz machen. Das dürfte auch einem Ellison-Fan in Washington gefallen: Donald Trump. Ellison gehört zur raren Sorte der Trump-Unterstützer im Silicon Valley. Er und Oracles Geschäftsführerin Safra Catz sitzen in dem Gremium, das die Regierung beim Neustart der Wirtschaft berät. Catz war auch in dem Team, das der Trump-Regierung nach der gewonnenen Wahl zur Seite stand. Trump ließ seine Präferenz für den Tiktok-Verkauf schon durchblicken: "Oracle ist ein großartiges Unternehmen und sein Besitzer ein toller Typ."

Aus dem China-Geschäft zog sich Oracle ohnehin mehr und mehr zurück, vergangenes Jahr entließ das Unternehmen 900 der 1600 Mitarbeiter seines Entwicklungszentrums in China, der Marktanteil in dem Land ist klein. Anders als der Konkurrent Microsoft, dessen Dienste viele Chinesen nutzen, müsste Oracle bei einem Zwangskauf von Tiktok also kaum Revanche befürchten.

© SZ vom 20.08.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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