Optimierte Suchmaschinen:Ich google, also bin ich

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Was in der Suchmaschine nicht ganz oben auftaucht, hat kaum Chancen, im Internet wahrgenommen zu werden.

Alexander Stirn

Der Ritterschlag kommt im Jahr 2004. In seine 23. Auflage nimmt der Rechtschreib-Duden, seit jeher Hüter der deutschen Sprache, ein neues Verb auf: googeln. Ich google, du googelst, jeder googelt - nach alten Freunden, Feinden und sich selbst, nach den Bundesligaergebnissen von 1963, nach Barack Obama, nach Inspiration für die Diplomarbeit und natürlich auch nach Fakten für diesen Artikel. Google ist gut, Google ist schnell. Und ganz nebenbei bestimmt Google längst, wie Menschen die Welt sehen.

Wer bei den Suchergebnissen vorn landet, kann sich auf rege Klicks einstellen. (Foto: Foto: dpa)

Jeder deutsche Internetnutzer tippt, wie die Marktforscher von Comscore errechnet haben, im Schnitt 109-mal pro Monat einen Begriff in eine Suchmaschine ein. In 80 bis 90 Prozent der Fälle kommt das Ergebnis von Google. Allein aus Deutschland erreichen Monat für Monat etwa 3,5 Milliarden Suchanfragen die Google-Server. Was die nicht ausspucken, scheint nicht zu existieren.

Wie Google die Welt sieht

Mehr noch: Was Google nicht ganz oben auflistet, hat kaum eine Chance wahr genommen zu werden. Studien zufolge klicken mehr als die Hälfte der Suchenden auf eines der drei ersten Ergebnisse. Für ihre Hausarbeiten sollen Studenten, so ist bei Google zu lesen, nur die ersten fünf Seiten mit Suchresultaten berücksichtigen, Doktoranden klicken sich immerhin durch 50 Seiten.

Gut möglich, dass der beste Treffer aber erst auf Seite 72 auftaucht. Denn Googles Sortieralgorithmus ist zwar gut, er ist aber nicht so schlau, um aus einer Handvoll Suchbegriffen den gewünschten Kontext herauszulesen. Der Google-Code handelt vielmehr nach der Maxime: Quantität gleich Qualität. Webseiten, die von vielen anderen, möglichst zuverlässigen Angeboten verlinkt werden, landen weiter oben. Die Masse macht's. Und die Masse hat immer recht.

Optimierung ist ein lohnendes Geschäft

Kein Wunder, dass beinahe jeder versucht, Suchergebnisse - und damit die öffentliche (Google)-Meinung - in seinem Sinn zu manipulieren. "Suchmaschinen-Optimierung" ist zu einem lukrativen, zuweilen auch halbseidenen Geschäft geworden. Sonnenschirm-Verkäufer, Preissuchmaschinen und Nachrichtenwebsites geben Millionen aus, um ihre Seiten so zu trimmen, dass sie bei Google ganz oben auftauchen - und dadurch möglichst viele Käufer, Nutzer, Leser anziehen.

Im Schnitt locken Nachrichtenseiten heute bereits 30 bis 40 Prozent ihrer Leser über Suchmaschinen an. Mit Folgen: Online-Journalisten haben begonnen, nicht mehr primär für die Leser, sondern für Google zu schreiben - indem sie zum Beispiel wichtige Schlüsselworte in ihren Texten unablässig wiederholen.

Die Googleisierung macht auch vor dem Bildungsbereich nicht Halt. Schüler stöpseln ihre Referate aus Texten zusammen, die sie im Netz gefunden haben. Lehrer stöhnen, haben ihre Unterrichtsmaterialien aber auch den erstbesten Google-Ergebnissen zu verdanken. Dabei sind Suchmaschinen - nicht nur für Schüler - ideale Hilfsmittel. Nie zuvor war es so leicht, an Informationen zu kommen. Wer googelt, muss sich aber nicht nur ein neues Verb aneignen. Er muss auch lernen, Suchergebnisse richtig einzuschätzen und souverän mit ihnen umzugehen.

© SZ vom 6.9.2008/vw - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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