OpenBC:Ich klicke, also bin ich

Mit dem Netzwerk OpenBC vertreiben sich Yuppies weltweit die Zeit am Arbeitsplatz - nun strebt der Internetanbieter an die Börse.

Kristina Läsker

Manchmal sind die Headhunter echt lästig, sagt Nadja Lorenz (Name v. d. Red. geändert). Seit Juni 2004 ist die Unternehmensberaterin im Online-Netzwerk Open Business Club anmeldet, sie hat berufliche und persönliche Infos samt Foto ins Netz gestellt.

Alle zwei Wochen klopfen Vermittler per Mail an, erzählt die 33-Jährige. Die Personalberater bieten ihr entweder gleich eine Stelle an oder "sie wollen nur mal Kontakt aufnehmen". Eingestiegen ist Lorenz bisher auf keines der Angebote. "Da war nichts dabei, was passte."

Etwa 1,45 Millionen Kunden, ein Viertel davon Frauen, hat die im August 2003 gegründete Online-Plattform bereits angelockt. Entwickelt wurde sie von einer Hamburger Internetfirma, die nun sogar in den nächsten sechs Monaten an die Börse gehen will.

Die Idee von Gründer Lars Hinrichs: "Grundsätzlich geht es bei OpenBC darum, schneller die relevanten Leute zu finden und Geschäfte abzuschließen." Gerne pflegt der 29-Jährige mit solch markigen Sprüchen das Image seiner Kontaktbörse als Marktplatz für erfolgreiche Manager.

Auch Flirten ist erlaubt

Doch wer Nutzer befragt, entdeckt das eigentliche Wesen der Online-Plattform. www.openbc.com. ist ein gut gemachtes Spielzeug, mit dem sich Yuppies die Zeit am Arbeitsplatz vertreiben. Ein seriös dekorierter Treff für Mittdreißiger, bei dem es um Klatsch und Tratsch geht - und weniger um Big Business. Beraterin Lorenz hat statt neuer Kunden neue Freundinnen gefunden, als sie vor zwei Jahren in eine andere Stadt umzog. "Die suchten wen zum Inline skaten."

Auch der 36-jährige Journalist, der hier oft nach Informanten für die nächste Story jagt, lässt sich gerne in Gesprächsforen "einen guten Wein empfehlen". Auch Flirten gehört zum virtuellen Alltag. "Es ist ja schon ein Weilchen her, aber Du bist noch genauso hübsch wie damals", schreibt der Abteilungsleiter einer Bank einer wiedergefundenen Studienfreundin.

Er will keine Geschäftszahlen von der Münchnerin wissen, sondern nur, ob er bei einer Versetzung lieber nach Penzberg oder nach Bad Tölz ziehen soll. Täglich meldeten sich "etliche Tausend" Neugierige an, sagt Hinrichs. "69 Prozent unserer Mitglieder kommen durch Einladung und persönliche Empfehlungen auf die Plattform." Dass sich die Spielwiese so ausdehnt, liegt an einer cleveren Idee aus den 50er Jahren. Damals entwickelte der New Yorker Psychologe Stanley Milgram die These, dass jeder jeden über maximal sechs Ecken kennt.

Möglichst gut vernetzt zu sein, hat auf OpenBC großen Wert

Internetmanager Hinrichs nutzte dieses "Kleine-Welt-Phänomen" und startete einen Schneeballeffekt, indem er die eigenen Kontakte im Netz offen zugänglich machte. Und so geht es bei OpenBC darum, über den eigenen Freundeskreis einen möglichst großen Zugang zu anderen Menschen zu erhalten. Wer den Lebenslauf ins Netz stellt, sieht auch Ausbildung, Werdegang oder Job anderer Leute - und kann beliebig Kontakte knüpfen.

Nutzer können Milgrams These am Bildschirm verfolgen: Wer jemanden anklickt, dem zeigt OpenBC, über wie viele Ecken er diese Person kennt, und über wen er Kontakt aufnehmen könnte. Endloses Klicken von Kontakt zu Kontakt ist die Folge, Neugier statt Geschäftsgebahren der Antrieb.

Doch wenn es nicht das Geld ist, was zieht die Jungmanager zu OpenBC? Die Plattform entpuppt sich bei zweitem Blick als geduldete Form des sozialen Austauschs. Zwischen Meeting eins und Meeting zwei kann man in private Mails und Chats flüchten, anders als Telefonate fallen sie kaum auf.

Ich klicke, also bin ich

Und wen eine 50-Stunden-Woche daran hindert, seine Freunde zu treffen, den treibt es zu den anderen Sehnsüchtigen auf OpenBC; ein bisschen Anschluss bei all der Karriere. Hier warten Gleichgesinnte - und viele alte Bekannte. Er suche "Deal Opportunities" und "Kontakte" schreibt ein Investmentbanker, dessen Hobby Golfen ist. Der Mann mit Schlips hat 371 bestätigte Kontakte. Möglichst gut vernetzt zu sein, hat auf OpenBC großen Wert; auch wenn die Kontakte vor sich hingammeln.

Oft findet Aufarbeitung von Privatem statt. "Ich habe hier meine Ex-Freunde wiedergefunden", erzählt eine Jungmanagerin - ein Schelm ist, wer da nach Unterschieden zu Partnerschaftsbörsen wie Finya fragt. Was einige übersehen: OpenBC ist nicht real. Vielmehr geht es vor allem den vielen Selbständigen darum, sich optimal zu verkaufen: Da werden Kurzpraktika aufgebauscht, Fähigkeiten und Erfahrungen gepriesen und phantasievolle Hobbies gepflegt.

Zukunftsträchtige Klitsche

Strippenzieher Hinrichs dürften die Motive der Nutzer egal sein; solange die Kasse stimmt. Zehn Millionen Euro will er mit 62 Mitarbeitern dieses Jahr umsetzen. Den Gewinn will er nicht verraten. "Wir nehmen seit dem dritten Monat mehr Geld ein, als wir ausgeben - ohne Werbung." Das ist erstaunlich, denn nur 13 Prozent der Nutzer zahlen. Sie dürfen für 5,95 Euro im Monat Zusatzfunktionen nutzen: Sie sehen, wer sie angeklickt hat, haben erweiterte Suchfunktionen und können beliebig Mails schicken.

Der Zeitpunkt für die Ankündigung des Börsengangs zeigt, dass die einst daniederliegende Internetbranche im Aufwind ist: Der jüngste Coup dürfte Hinrichs inspiriert haben: Die Suchmaschine Google übernahm die Videoplattform YouTube und zahlte 1,65 Milliarden Dollar für eine - zukunftsträchtige ?! - Klitsche. Der Preis zeigt, wie hoch Erwartungen an virtuelle Plattformen sind.

Hinrichs will OpenBC gerne ausbauen. Zuletzt war der Unternehmer in Peking, wo er Ende 2005 ein Büro eröffnet hat. Um die Internationalisierung voranzutreiben, wird sich die Plattform Ende November sogar von ihrem Namen verabschieden. Aus OpenBC wird dann Xing. "Der Name ist international anwendbar", so Hinrichs. Und zumindest die chinesischen Nutzer dürften weniger Probleme haben, ihn auszusprechen.

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