Open-Data-Projekt der Bundesregierung:Streit um Deutschlands offene Daten

Alle Daten für alle? Die Bundesregierung will in wenigen Tagen ein Open-Data-Projekt startet. Doch Netzaktivisten sind von der Umsetzung nicht überzeugt. Sie werfen der Regierung grobe Fehler vor.

Von Johannes Boie

Das Schiff ist noch nicht vom Stapel gelaufen, schon gibt es Streit um den Kurs: Führende Netzaktivisten und Datenschutzexperten werfen dem Bundesinnenministerium vor, bei der Planung einer Webseite grobe Fehler zu begehen.

Das Portal daten-deutschland.de soll am 19. Februar im Internet freigeschaltet werden. Mit dem Projekt möchte die Bundesregierung zum ersten Mal auf Bundesebene umfassend dem weltweiten Trend nach frei verfügbaren Daten gerecht werden. Seit das Internet zur Grundausstattung in jedem Haushalt gehört und immer schneller funktioniert, gibt es die Möglichkeit, all die von Behörden, Verwaltungen, Regierungen erhobenen Daten denjenigen, die sie bezahlen und von ihnen betroffen sind, zugänglich zu machen - nämlich den Bürgern.

Hinter dem Trend, dem sich die Regierungen in den USA und Großbritannien bereits mit gut nutzbaren, umfangreichen Internetseiten voller Daten für jedermann stellen, steckt der sehr grundsätzliche Gedanke, dass jede Art von Wissen im digitalen Zeitalter allen Menschen jederzeit zur Verfügung stehen sollte. Dabei kann es sich - um wenige Beispiele zu nennen - um anonymisierte Flugüberwachungsdaten handeln, um Straßenverzeichnisse, Krankheitsfälle oder eine Übersicht über zugelassene Kreditinstitute. Aktivisten und Regierung streiten nun darüber, wie die Daten den Bürgern am besten zur Verfügung gestellt werden können.

Aktivisten fordern Standards von Bundesregierung

Die Aktivisten, darunter mit Markus Beckedahl der Betreiber der bekannten Bürgerrechtsseite netzpolitik.org und mit Christian Heise ein Vertreter der Open Knowledge Foundation, die sich ebenfalls für Bürgerrechte im Netz einsetzt, fordern vom Bund, sich bei der Aufarbeitung und Bereitstellung der Daten auf einer Webseite an zehn Regeln zu halten. Die als zehn "Open Data Principles" bekannten Regeln gelten Programmierern als Standard für Projekte wie daten-deutschland.de und werden auch von der Enquete-Kommission fürs Internet im Bundestag empfohlen.

Die Regeln sollen dafür sorgen, dass die Daten für jeden Interessierten einfach lesbar sind. So sind zum Beispiel technische Hinweise für Programmierer aufgeführt, die dafür sorgen, dass enorm umfangreiche Datensätze anschaulich präsentiert werden können. Die Fragen, unter welchen Umständen die einzelnen Datensätze genützt und verbreitet werden dürfen, werden bei Projekten von daten-deutschland.de durch Lizenzen geregelt. Was kompliziert klingt, ist eine einfache Angelegenheit: Jeder Datensatz unterliegt einer bestimmten Lizenz, die es zum Beispiel erlauben kann, die Daten einmalig zu verwenden, oder auch, sie gegen Geld oder gratis an Dritte weiterzugeben.

Die Aktivisten fordern, möglichst alle Inhalte auf daten-deutschland.de so zu lizenzieren, dass eine möglichst vielfältige Verwendung der Daten ermöglicht wird. Doch das Bundesinnenministerium beruft sich bislang auf Gesetze, nach denen es "im Ermessen der jeweiligen Datenbereitsteller" liege, unter welchen Bedingungen sie ihre Daten den Bürgern zur Verfügung stellen.

Vorbildcharakter für andere Projekte

Aktivist Heise befürchtet deshalb, dass es allen Behörden, die ihre Daten zu dem Projekt beisteuern, zu einfach gemacht werde, die Verwendung ihrer Daten zum Beispiel für kommerzielle Zwecke zu untersagen. Das Resultat wäre dann im schlechtesten Fall, dass zwar viele Daten im Netz vorhanden wären, aber zum Beispiel von Journalisten kaum genutzt würden.

Als bekanntes Mitglied der Netzgemeinschaft war Heise von Anfang in die Entwicklung mit eingebunden. Jetzt urteilt er, dass das Projekt "in eine Richtung geht, die ich nicht mittragen kann." Gerade weil die Webseite Vorbildcharakter für weitere Projekte dieser Art in Deutschland habe, sei es fatal, wenn sie ohne Änderungen an den Start ginge.

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