Süddeutsche Zeitung

Open Access:Forscher zollen Swartz #pdftribute

Der freie Zugang zu Informationen war eines der Lieblingsthemen des Hackers Aaron Swartz. Nach seinem Tod tobt nun eine Debatte über Open Access im Netz. Manche Wissenschaftler veröffentlichen aus Protest ihre Arbeiten für alle zugänglich.

Von Pascal Paukner

Eigentlich hatte Micah Allen nicht damit gerechnet, dass sein Aufruf irgendjemand interessieren würde. Also ging der Neurowissenschaftler erst einmal schlafen. Als er dann am nächsten Morgen aufwachte, hatte er es schon geschafft: Unter der Reddit-Meldung vom Tod des Hackers Aaron Swartz stand sein Kommentar an prominentester Stelle. Ganz oben, weil Dutzende Mitglieder der Community, die Swartz mitgegründet hatte, den Kommentar für den besten hielten.

Ein passendes Andenken an Swartz könne es sein, nicht zugängliche wissenschaftliche Artikel online zu stellen, hatte Allen geschrieben. Deshalb solle man diese über einen Online-Speicherdienst veröffentlichen und den Link twittern. Offenbar sahen viele seiner Kollegen das ebenfalls so und verbreiteten den Aufruf - vor allem über Twitter.

Dort etablierte sich für den akademischen Massenprotest der Hashtag #pdftribute. Dutzende Wissenschaftler haben dort in den letzten Stunden Dokumente veröffentlicht, eine eigens dafür geschaffene Webseite aggregiert und archiviert Twitter-Links mit dem Hashtag. Auch die Aktivistengruppe Anonymous rief über Twitter dazu auf, sich an der Aktion zu beteiligen. Ein Teil der Gruppe hatte zuvor bereits die Webseite des Instituts für Technologie Massachusetts (MIT) gehackt und zu einer neuen Copyright-Gesetzgebung aufgerufen.

Diskussion über Open Access

Der Protest gegen die Veröffentlichungspraxis der Wissenschaftswelt ist eine Form des zivilen Ungehorsams, die begründet ist in Schwartz' Kampf für einen freien Zugang zu Informationen. 2011 hatte der Hacker für die Öffentlichkeit unzugängliche wissenschaftliche Arbeiten veröffentlicht. Ihm drohte deshalb zuletzt eine mehrjährige Haftstrafe. Die Familie des Toten gibt den Ermittlungen in diesem Fall eine Mitschuld am Tod.

Der Onlineprotest scheint indes unter Forschern eine neue Diskussion über den freien Zugang zu wissenschaftlichen Publikationen auszulösen. Kritiker der Aktion mahnten an, Wissenschaftler sollten generell unter offenen Lizenzen publizieren und nicht nur an solchen "Wohlfühlaktionen" teilnehmen. Auch dass viele #pdftribute-Twitterer sich zwar solidarisierten, aber nur wenige tatsächlich Dokumente veröffentlichten, wurde kritisiert.

Anmerkung der Redaktion: Wir haben uns entschieden, in der Regel nicht über Suizide zu berichten, außer sie erfahren durch die Umstände besondere Aufmerksamkeit. Die Berichterstattung im Fall Swartz gestalten wir deshalb bewusst zurückhaltend, wir verzichten weitgehend auf Details. Der Grund für unsere Zurückhaltung ist die hohe Nachahmerquote nach jeder Berichterstattung über Suizide.

Wenn Sie sich selbst betroffen fühlen, kontaktieren Sie bitte umgehend die Telefonseelsorge. Unter der kostenlosen Hotline 0800-1110111 oder 0800-1110222 erhalten Sie Hilfe von Beratern, die schon in vielen Fällen Auswege aus schwierigen Situationen aufzeigen konnten.

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