Online-Werbung:Adblocker-Branche zittert vor Google

Online-Werbung: Google plant Änderungen an Chromium-basierten Browsern.

Google plant Änderungen an Chromium-basierten Browsern.

  • Google will die Regeln für Browser wie Chrome ändern, die den Chromium-Code des Konzerns verwenden.
  • Adblocker sind kleine Zusatzprogramme für Browser, die Werbung aus Webseiten herausschneiden.
  • Adblock-Firmen wehren sich gegen Googles Pläne.

Von Jannis Brühl

Wer entscheidet, welche Werbung Internetnutzer sehen oder nicht? Google will in dieser Frage verstärkt mitbestimmen - und verunsichert damit die Branche, in der einige viel Geld verdienen, indem sie Werbung unsichtbar machen: die der Adblocker. Das sind kleine Zusatzprogramme für Browser, die Werbung aus Webseiten herausschneiden.

In Deutschland verwendet bis zu einem Drittel der Surfenden Adblocker, die meisten auf stationären PCs und Laptops. Auf Smartphones und Tablets ist die Technik weniger verbreitet. Nutzer setzen Adblocker aus verschiedenen Gründen ein. Manche empfinden eine bestimmte Art von Werbung als störend: Videos, die unvermittelt starten, Kästchen, die vor einem Artikel aufploppen. Andere wollen verhindern, dass Tracking-Software ihre Wege durchs Netz für Werbezwecke nachverfolgt.

Die meisten Adblocker sind Erweiterungen von Internet-Browsern. Mit Chrome nimmt Google im Browser-Ökosystem eine zentrale Rolle ein. Chrome baut auf Chromium auf, einem Open-Source-Programmcode für Browser. Diese Code-Basis wird nicht nur von Chrome selbst, sondern auch von Opera und bald auch von Microsoft in seinem Edge-Browser genutzt. Der Marktanteil der Chromium-basierten Browser dürfte deshalb auf mehr als 70 Prozent steigen. Änderungen an Chromium können deshalb weitreichende Auswirkungen auf große Teile des Internets haben.

In eigener Sache:

Verlage, die werbefinanzierte Nachrichtenseiten betreiben, kritisieren Adblocker seit langem. Sie sind auf Einnahmen aus Online-Werbung angewiesen, um Lesern ihre Seiten weitestgehend gratis zugänglich machen zu können. Werber und Verlage bemühen sich, ihre Werbung weniger nervig zu gestalten - schließlich werden immer weniger Anzeigen gesehen, wenn Adblocker sie blockieren.

SZ.de erklärt auf dieser Seite, welche Tracker auf unserer Seite eingesetzt werden und wie sie deaktiviert werden können. Warum wir Nutzer bitten, Ihren Adblocker zu deaktivieren, lesen Sie hier. Auch die Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH hat bereits gegen den Hersteller Adblock Plus geklagt.

Eine der geplanten Veränderungen löst jetzt Diskussionen aus. Googles Entwickler überlegen, die Zugriffsmöglichkeiten von Browser-Erweiterungen auf Webseiten-Daten einzuschränken. Das dürfte ein Problem für die meisten Adblocker werden, die dann deutlich weniger Werbung blockieren könnten als bisher. Sie könnten nur noch eine begrenzte Zahl sogenannter Muster hinterlegen - das sind Regeln darüber, bei welcher Werbung ihre Programme anspringen und blockieren. So eine Regel kann zum Beispiel lauten: Wenn eine Webseite sich mit der URL 'http://www.beispiel.com' verbindet, dann blockieren! Googles Vorschläge sehen eine Begrenzung auf 30 000 Regeln vor, manche der Erweiterungen verwenden aber mehr als 100 000.

Viel Schadsoftware im Chrome Store

Google begründet seine Idee mit der Sicherheit der Nutzer: Browser-Erweiterungen könnten gefährlich sein. Tatsächlich tummeln sich im Chrome-Erweiterungs-Store viele Anbieter von Spionage- und anderer Schadsoftware.

Raymond Hill, der den Adblocker Ublock origin entwickelt hat, unterstellt Google, es gehe dem Konzern um eine Machtdemonstration. Die vorgeschlagenen Änderungen würden seine komplexen Filter-Mechanismen unmöglich machen. Marc Al-Hames ist Geschäftsführer des Software-Firma Cliqz aus München, die den Adblocker Ghostery anbietet. Über Googles Vorschlag sagt er: "Google hat dann volle Kontrolle darüber, welche Sachen geblockt werden und welche nicht. Das ist ein Abschotten des Geschäftsmodells."

In den Foren und Mailinglisten, in denen Entwickler mögliche Änderungen an Googles Open-Source-Projekt debattieren, laufen die Anbieter nun Sturm gegen die Neuerung. Al-Hames droht mit einer Beschwerde gegen Google beim Bundeskartellamt, sollte der Konzern den Plan umsetzen.

Ein Google-Sprecher erklärt, man wolle niemanden aussperren: "Wir möchten sicherstellen, dass alle grundlegenden Anwendungsfälle mit diesen Änderungen weiterhin möglich sind, und arbeiten mit Entwicklern zusammen, um sicherzustellen, dass ihre Extensions auch in der neuen Version funktionieren."

Nicht der erste Clinch zwischen Google und Adblocker-Firmen

Vergangenes Jahr hatte Google schon einmal die Adblock-Anbieter irritiert. Damals führte der Konzern in Chrome einen fest installierten Adblocker ein. Externe Blocker wurden dadurch teilweise überflüssig.

Google sät mit seinen Überlegungen auch Misstrauen innerhalb der Adblocker-Branche: Entwickler Raymond Hill mutmaßt, dass ein bestimmter Werbeblocker von der Änderung bei Chromium nicht betroffen wäre: Adblock Plus von der Kölner Firma Eyeo ist mit mehr als 500 Millionen Downloads Marktführer unter den Blockern - mit einem umstrittenen Geschäftsmodell.

Adblock Plus arbeitet mit zwei Listen: einer schwarzen und einer weißen. Werbung von der Blacklist wird blockiert. Was auf der Whitelist steht und den Kriterien von Adblock Plus entspricht, wird dem Besucher der Webseite angezeigt. Große Unternehmen zahlen für die Aufhebung dieser Sperre und kommen auf die Whitelist. Mit dem Geld finanziert sich der Werbeblocker. Gegner von Adblock Plus werfen Eyeo deshalb Erpressung vor. Auch Google bezahlt Adblock Plus, erst am Montag hatte das Bundeskartellamt den Deal der beiden für legal erklärt. Wie viel Geld fließt, machen die Unternehmen nicht transparent.

Eine Sprecherin von Eyeo wandte sich gegen "'Interpretationen', wir hätten an dem aktuellen, restriktiven Vorschlag mitgewirkt, was keineswegs der Fall ist". Auch das eigene Produkt sei betroffen. Wie die Konkurrenten versuche man, die Änderungen zu verhindern.

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