Online-Rollenspiel "Guild Wars 2":Erfrischende Konkurrenz für World of Warcraft

Schleimpilze sammeln muss hier niemand. Das neue Online-Rollenspiel "Guild Wars 2" verzichtet auf genretypischen Pipifax. Stattdessen wartet eine faszinierende Heldenreise durch einen Abenteuerspielplatz voller Katzenmonster, Trickbetrüger und Illusionisten.

Dennis Kogel

Blühende Felder, grüne Wiesen und den Zauberstab schwingenden Magier in bunten Kostümen: Fast könnte man an ein weiteres mittelmäßiges Online-Rollenspiel denken. Doch spätestens beim ersten Treffen mit den Charr, einem Volk erfindungsreicher Katzenmonster mit Ziegenhörnern, die in einem industriell gefertigten Todesstern hausen und in der umliegenden Steppe mit Schwarzpulverwaffen gegen eine Geisterarmee kämpfen, ist klar: "Guild Wars 2" ist kein Fantasy-Spiel wie jedes andere. Es ist besonders.

Das beginnt beim Geschäftsmodell. Wo Online-Rollenspiele wie "World of Warcraft eine Monatsgebühr zwischen 10 bis 15 Euro verlangen, streicht "Guild Wars 2" die Abogebühren komplett. Das Spiel muss nur einmal gekauft werden, weitere Gebühren fallen danach nicht mehr an.

Damit ist "Guild Wars 2" nahe dran am aktuellen Trend, Online-Rollenspiele zu sogenannten Free-to-Play-Titeln zu machen, die zwar gratis spielbar sind, aber wichtige Features erst gegen Bezahlung im Online-Shop des Herstellers zugänglich machen. Auch "Guild Wars 2" hat einen solchen Shop für Spielfunktionen und Gegenstände, im Gegensatz zu anderen Free-to-Play-Spielen üben diese aber keinen großen Einfluss auf das Spiel aus. Auch nicht unwichtig: Die Sonnenbrillen, Hüte und zeitlich begrenzten Boni aus dem Online-Shop lassen sich auch mit der virtuellen Spielwährung erwerben.

So ist es kein Wunder, dass das Geschäftsmodell auf großes Interesse in der Branche stößt. Denn kaum eine Woche vergeht, in der Betreiber großer Online-Rollenspiele nicht über fallende Profite bei Abo-Modellen klagen oder - wie zuletzt beim Multimillionendollarprojekt "Star Wars: The Old Republic" - ein weiteres Spiel von Abonnement auf Free-to-Play wechselt.

Und das Spiel selbst? Das ist noch spannender ist als sein Geschäftsmodell. Zwar folgt "Guild Wars 2" grundsätzlich auch der bewährten Online-Rollenspiel-Formel aus Monsterkampf und Heldenaufwertung, die "World of Warcraft" populär gemacht hat, doch das Spiel nimmt sich genauso viel Neues vor, wie es Altes erfolgreich wiederholt.

Städte und Charaktere in kunstvollem Design

Wie auch schon in "World of Warcraft" wählen Spieler aus einer Kombination von einem von fünf Völkern und acht Berufen einen persönlichen Favoriten aus und begeben sich damit auf Heldenreise. Wo in anderen Spielen althergebrachte Fantasy-Archetypen wie Zwerge, Elfen und Orks durch die Gegend laufen, sind es bei "Guild Wars 2" sonderbare Wesen wie die militaristischen Katzenmonster der Charr oder die koboldartigen Asura. Neben Kriegern und Zauberern lassen sich in dieser Welt auch sogenannte Mesmer, Illusionen wirkende Trickbetrüger, oder auch Ingenieure spielen. Das Spiel fühlt sich frisch an. Verstärkt wird der Eindruck vom kunstvollen Design der Umgebungen, der Städte und der Charaktere.

Auch das Quest-System, der Kern vieler Rollenspiele, wurde überarbeitet. Während in den meisten Online-Rollenspielen statische Nichtspielercharaktere den Helden langweilige Aufgaben - jage 25 Wölfe, sammle 14 Schleimpilze - aufdrücken, lässt "Guild Wars 2" Spieler Aufgaben selbst entdecken.

Unterwegs im Brachland der Charr etwa treffen Spieler auf einen Riesen, der versucht, ein Dorf niederzureißen. Um das Monster aufzuhalten und die Siedlung zu retten, müssen sich Spieler spontan zusammenschließen. Das funktioniert dabei, ohne dass man sich dafür vorher verabreden muss, Teil einer mächtigen Gilde ist oder sich durch monatelanges Spielen die bestmögliche Ausrüstung im Spiel zusammengesucht hat. Jeder Spieler in der Nähe kann mitmachen, jeder wird im Erfolgsfall belohnt.

Für Online-Rollenspiele ist ein solches System erfrischend, denn trotz des vermeintlichen Miteinander spielt man in den meisten Spielen nur nebeneinander her. Auch hier ist das hin und wieder der Fall. Ausschweifende Kommunikation und gezielte Zusammenarbeit erfordern die Riesenangriffe nicht, aber zumindest freut sich der Spieler über das gelegentliche Vorhandensein von Mitspielern, statt sich zu wundern über die Vielzahl der Helden, die desinteressiert aneinander vorbeilaufen.

Dauerhaften Einfluss auf die Spielwelt gibt es allerdings nicht. Egal ob man den Riesen besiegt hat oder nicht, am nächsten Tag kommt er sicherlich wieder vorbei, um anderen Helden die Chance zu geben, auch mal dabei zu sein.

Innovativstes Online-Rollenspiel seit langem

Abgesehen davon plagen das Spiel im Moment eine ganze Reihe kleinerer und größerer Probleme, die typisch für den Start sind: Spieler können nicht gemeinsam auf Abenteuerreise gehen, weil Freunde durch den Massenansturm anderer Spieler auf sogenannte Überlauf-Server geschoben werden. Sie spielen dann zwar immer noch das gleiche Spiel, können auch theoretisch am selben Fleck wie ihre Freunde sein, sind aber durch die Server-Architektur voneinander getrennt.

Auch das Auktionshaus, in welchem mit Waffen und Rüstungen gehandelt werden kann, ist noch nicht für alle Spieler verfügbar. Das ist frustrierend, aber immerhin versucht Entwickler ArenaNet seit dem Start die Fehler zu beheben.

Und dennoch: "Guild Wars 2" ist das innovativste und interessanteste große Online-Rollenspiel seit langer Zeit. Es ist ein Spiel, das sich traut, seinen Spielern neben den neuartigen Quests gleichzeitig auch ein hochspannendes Fertigkeitssystem zuzumuten, bei dem die Wahl der Waffe den Kampfstil und die Taktik des eigenen Charakters beeinflusst.

Es traut sich, ein Spiel zu sein, das es nicht nur versteht, Spieler zum Zusammenarbeiten zu motivieren, sondern auch gleichzeitig jedem Helden eine persönliche Geschichte verpasst wie in einem klassischen Rollenspiel für Einzelspieler. Es traut sich, neben den Heldentaten und Kämpfen gegen Riesen einen gewaltigen Wettkampf aufzuziehen, bei dem Spieler in Gruppen gegeneinander antreten und viel Teamwork und Koordination mitbringen müssen, um in kleinen und großen Schlachten, Festungen und Stützpunkte zu erobern.

All das ändert natürlich nichts daran, dass auch "Guild Wars 2" letztlich wie "World of Warcraft" ein großer, bunter digitaler Abenteuerspielplatz ist. Aber das ist auch schon sehr viel.

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