iPad-Rivale "Kindle Fire":Amazon schickt sein Feuer-Tablet ins Rennen

Hat der Online-Händler Amazon einen iPad-Konkurrenten entwickelt, der Apple wirklich gefährlich werden kann? Halb so teuer wie das Apple-Tablet zielt der "Kindle Fire" auf einen Massenmarkt - und fesselt den Nutzer an den digitalen Amazon-Kosmos.

Johannes Kuhn

Jeff Bezos hat seine Kritiker nicht vergessen: Als Amazon 2007 den E-Book-Reader Kindle auf den Markt brachte, hatten ihm viele den Reinfall prognostiziert. "Es wird ein furchtbarer Flop", zitiert er Tech-Bloggern zufolge die damalige Einschätzung eines selbsternannten Experten, als er an diesem Mittwoch auf der Bühne in New York City steht.

Damals kaufte noch kaum jemand digitale Bücher, zudem gab es Zweifel an einem Bildschirm, der statt digitaler Pixel nur elektronische Tinte zeigte. Inzwischen, so lautet Bezos' Botschaft, hat sich der Kindle längst durchgesetzt, ob als einzelnes Gerät oder als App für Smartphones und Tablets.

Aus 90.000 angebotenen digitalen Büchern sind längst über eine Million geworden, sie verkaufen sich bei Amazon inzwischen besser als Druckwerke - doch wie viele E-Books und Kindles Amazon absetzt, verrät Bezos aber auch dieses Mal nicht.

An diesem Mittwochmorgen nämlich stellt Bezos das Gerät vor, das für den Konzern den vielleicht ambitioniertesten Schritt seit 2007 markiert: Die Amazon-Antwort auf das Apples iPad. "Kindle Fire" ist nicht nur Lesegerät, sondern ein vollwertiger Tablet-Computer mit einem sieben Zoll (17,8 cm) großen Bildschirm und einem Touchscreen, der mit zwei Fingern bedient werden kann. Der Clou: Mit einem Startpreis von 199 Dollar ist es deutlich billiger als das Konkurrenzprodukt, das ab 500 Dollar zu haben ist.

Amazon mit der iTunes-Taktik

Der "Kindle Fire" beruht Berichten zufolge auf einer älteren Version des Google-Betriebssystems Android, wurde aber von Amazon so stark modifiziert, dass die Oberfläche anderen Tablets kaum noch ähnelt. Der Nachteil: Damit dürften viele Apps von Googles Android Market, die auf neueren Versionen basieren, nicht mit dem Amazon-Gerät kompatibel sein.

Dass der Online-Buchhändler den Android Market ausspart und ihn offenbar nicht einmal ins Menü einbaut, hat Methode: Das Tablet ist komplett auf den Einkauf digitaler Güter bei Amazon ausgelegt. Einen App-Store bietet Amazon ebenso an wie den Download digitaler Bücher und MP3s, aber auch den Abruf von Hollywood-Filmen und Serien im Stream. Im Kindle Fire kommen alle Funktionen zusammen - wer dabei an Apples geschlossenes iOS- und iTunes-System denkt, liegt richtig.

Ähnlich wie bei Apples angekündigtem iCloud-System speichert Amazon alle Daten auch auf Amazon Servern. So können Nutzer beispielsweise Bücher vom lokalen Speicher des Geräts löschen, sich diese aber gegebenenfalls später wieder vom Amazon-Server herunterladen.

Auch der extra entwickelte Browser "Amazon Silk" genannt soll Teile beliebter Webseiten bereits auf Amazon-Servern speichern, damit diese schneller aufrufbar sind. Anders als das iPad besitzt das Feuer-Tablet allerdings keine UMTS-Antenne, die Daten werden nur über Wlan übertragen. Eine Kamera fehlt dem Gerät ebenso, dafür ist es mit 400 Gramm etwas leichter als das iPad 2 mit etwa 600 Gramm.

Neben dem "Fire" wird Amazon einen weiteren Kindle auf den Markt bringen, der jedoch wie gehabt vor allem zum Lesen dient: Der Kindle Touch besitzt einen berührungsempfindlichen Schwarz-Weiß-Bildschirm und lässt sich mit den Fingern steuern. In der UMTS-Variante wird er 149 Dollar, in der Wlan-Version 99 Dollar kosten. Wie beim Amazon-Tablet wird auch der Touchscreen-Kindle vorerst nicht in Deutschland erscheinen.

Zudem bringt Amazon eine Billig-Version des Kindle auf den Markt, das über Schalter am unteren Bildschirmrand gesteuert wird. Das Gerät soll mit 170 Gramm leichter als sein Vorgängermodell sein. In den USA kostet der Kindle 79 Dollar, in Deutschland wird er für 99 Euro zu haben sein und ab 12. Oktober versendet.*

Der Preissturz ließ sofort auch die Aktien des E-Book-Konkurrenten Barnes & Noble um sieben Prozentpunkte purzeln, der mit dem Nook ebenfalls ein Lesegerät für digitale Bücher anbietet, den Preiskampf aber wahrscheinlich nicht durchhalten wird.

Billige Hardware, viele Kunden

Die Dumpingpreise für die Amazon-Geräte sind für den Kunden gute Neuigkeiten, bergen für das Unternehmen jedoch auch Risiken: Den herkömmlichen Kindle verkauft Amazon in den USA schon länger mit Verlust, allein die Materialkosten des Geräts betragen dem Industrieanalysten iSupply zufolge 155 Dollar.

Wenn Bezos' Strategie aufgeht, wird der Verlust aus dem Verkauf der Hardware durch den Kauf digitaler Inhalte durch die vielen neuen Kindle-Besitzer wieder kompensiert. Damit geht Amazon den entgegengesetzten Weg, den Apple verfolgt, das über die digitalen Inhalte seine Hardware verkauft.

Für die Konkurrenz in Cupertino, aber auch Tablet-Hersteller wie Samsung oder HTC dürften Amazons Flachcomputer und der beginnende Preiskampf deshalb keine guten Neuigkeiten bedeuten. Zwar verkaufte Apple im vergangenen Quartal 9,25 Millionen iPads. Das Marktforschungsinstitut Forrester geht allerdings davon aus, dass Amazon aufgrund des Preises bereits im Weihnachtsgeschäft im vierten Quartal zwischen zwei und drei Millionen "Fire"-Tablets an den Kunden bringen könnte.

*Absatz 9:30 Uhr geändert

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