Online-Einkauf von Lebensmitteln:Käse shoppen mit der Maus

Wer Lebensmittel im Internet einkaufen möchte, wird häufig nur bei kleinen Spezialanbietern fündig. Doch jetzt kommt Bewegung in die Branche: Auch große Supermarktketten wollen ihre Kunden online bedienen.

Stefan Weber

Wenn Ingo Bohg erläutern soll, warum es eine gute Idee ist, Lebensmittel über das Internet zu verkaufen, verweist der Geschäftsführer des Online-Supermarktes Froodies, auf die Erlebnisse von Menschen wie Inga Behrens. Die Mutter von zwei Kindern im Vorschulalter hatte noch nie Spaß an den wöchentlichen Lebensmittel-Einkäufen im Supermarkt. Vor allem, wenn ihre Zwillinge mit dabei waren.

Sie hetzte dann mit den häufig nörgelnden Kindern durch die Gänge, stand an der Kasse oft in einer langen Schlange und stellte zu Hause nicht selten fest, dass sie in der Eile Wichtiges vergessen hatte. "Da ist es doch viel stressfreier, die gewünschten Produkte im Online-Shop auszusuchen und sich nach Hause liefern zu lassen. In Großbritannien oder der Schweiz ist das längst üblich", meint Bohg.

Ein Prozent Online-Bestellungen

Aber die Verbraucher in Deutschland tun sich schwer, Joghurts, Käse oder Nudeln per Computer zu ordern. Von den etwa 150 Milliarden Euro, die sie in jedem Jahr für Lebensmittel ausgeben, entfällt gerade einmal ein Prozent auf Online-Bestellungen. "Lebensmittel sind die letzte große Warengruppe, die noch nicht in nennenswertem Umfang über das Internet verkauft wird", erläutert Thomas Harms, Handelsexperte bei der Beratungsgesellschaft Ernst & Young.

Das mag daran liegen, dass es die meisten Verbraucher nicht weit haben bis zur nächsten Einkaufsstätte - in kaum einem anderem Land ist das Netz mit Supermärkten und Discountern ähnlich eng geknüpft wie in Deutschland. Hinzu kommt, dass nirgendwo anders die Kunden so sehr auf den Preis schauen und nur selten bereit sind, für Service, wie die Zustellung von Waren, extra zu bezahlen.

Weil zudem der Transport und die Anlieferung von verderblicher Ware eine komplizierte Sache ist, haben Handelsexperten dem Online-Geschäft mit Lebensmitteln lange Zeit keine Chancen eingeräumt. Aber jetzt kommt der Markt in Bewegung. Rewe, die Nummer zwei unter den Lebensmittelhändlern in Deutschland hinter Edeka, hat in der vergangenen Woche im Großraum Frankfurt einen Lieferservice gestartet.

Die Kunden können all das, was es auch in einem stationären Supermarkt zu kaufen gibt, per Mausklick bestellen und sich bringen lassen. Gegen fünf Euro Liefergebühr; ab einem Bestellwert von 150 Euro kostet es nur noch zwei Euro. Bereits im April hatte Rewe einen Service gestartet, bei dem die Kunden per Internet bestellen und ihren Einkauf fertig zusammengestellt an einem Markt abholen können. Inzwischen gibt es sechs solcher Abholmärkte.

Auf die Kombination Webshop und Abholstation setzt auch die Metro-Tochter Real. Das erspart ihr die aufwendige und teure Anlieferung an die Haustür. Seit Ende vergangenen Jahres betreibt die SB-Warenhauskette nahe Hannover einen "Drive-in": Der Kunde meldet sich an einem Terminal, zahlt und bekommt einen Parkplatz zugewiesen, wo er die Ware von einem Servicemitarbeiter entgegennimmt. Die Preise unterscheiden sich nicht von denen in den herkömmlichen Filialen. Extra zu zahlen ist lediglich eine Servicegebühr von einem Euro.

Real startet "Drive-in"

In der nächsten Woche startet Real im Großraum Köln einen weiteren "Drive-in". Konkurrent Globus steigt im November ein und eröffnet in Saarlouis seinen ersten Abholmarkt. Ob sich die Kunden am Ende damit begnügen, die online bestellten Waren in Drive-in-Stationen abzuholen, bezweifeln viele Beobachter. Für sie sind Abholstationen nur ein Zwischenschritt auf dem Weg zu einem Lieferdienst.

Auch die Tengelmann-Gruppe investiert kräftig in den Internethandel. Als einziger Handelsfilialist betreibt sie schon seit zehn Jahren einen Lebensmittel-Lieferdienst. Kunden in Berlin und München können aus 4000 Produkten aus dem Supermarktsortiment wählen und sich zustellen lassen. Nun wird der Onlineshop mit großem Aufwand herausgeputzt und der Service verbessert.

Wer macht es?

Die großen stationären Händler begreifen, dass sie jetzt in das Online-Geschäft einsteigen müssen, weil es sonst jemand anders tut", sagt Berater Harms. Längst sei es nicht mehr die Frage, ob Lebensmittel über das Internet verkauft würden, sondern wer es macht.

Kleine, wendige Internet-Firmen machen den etablierten Ladenbetreibern an ausgesuchten Standorten vor, wie das Geschäft zu betreiben ist. Wie zum Beispiel Froodies. Ursprünglich ein lokaler Lieferservice in Dortmund, stellen die Froodies-Boten inzwischen in fünf nordrhein-westfälischen Städten über das Web bestellte Lebensmittel zu. Die Waren werden von regionalen Edeka-Partnern bezogen. Noch in diesem Jahr soll ein sechster Standort, diesmal außerhalb von NRW, eröffnet werden.

"Ab 2012 wollen wir dann zügig alle wichtigen Ballungsgebiete in Deutschland erschließen", kündigt Geschäftsführer Bohg an. Froodies liefert ab 25 Euro Bestellwert kostenfrei an und verdient nach eigenem Bekunden an jeder Zustellung. Kunden sind vornehmlich Berufstätige und Mütter mit kleinen Kindern. Über Umsatz oder gar Ertrag des Unternehmens will Bohg nicht reden.

Er betont jedoch, dass der Wert einer Online-Bestellung im Durchschnitt deutlich höher ist als der eines Einkaufs im Laden. Dass Branchengrößen wie Rewe oder Real jetzt verstärkt in das Online-Geschäft einsteigen, macht den Froodies-Chef nicht bange. "Das bringt einen Schub für den gesamten Markt."

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