Online-Demo für Birma:Schweigen als Widerstand

Im Internet regt sich weltweiter Protest gegen die Militärjunta in Birma: Mehr als 5000 Blogger demonstrieren heute im Netz für Meinungsfreiheit - mit einem einfachen Mittel.

Johannes Kuhn

Der Nachrichtenfluss ist versiegt, die Gerüchte regieren: Weil Internet- und Telefonverbindungen nach Myanmar immer noch instabil sind und Blogger mit ihren Einträgen Verhaftungen riskieren, schweigen Birmas Cyber-Dissidenten.

Online-Demo für Birma: Online-Demo: Mit so einem Banner protestieren Blogger gegen die Militärjunta

Online-Demo: Mit so einem Banner protestieren Blogger gegen die Militärjunta

(Foto: Screenshot: www.free-burma.org)

Tausende Blogger aus aller Welt wollen heute aus Solidarität mit der Protestbewegung ebenfalls schweigen. Am "International Bloggers' Day for Burma" wollen sie keine Beiträge veröffentlichen und nur ein rotes Banner mit der Botschaft "Free Burma" auf ihr Blog stellen.

Der Italiener Dario Salvelli hatte vergangene Woche zu einer solchen Protestaktion aufgerufen, deutsche Blogger wie Robert Basic griffen die Idee auf und stellten für den Austausch ein Wiki und eine Teilnehmerliste ins Netz, auf der sich inzwischen über 5500 Blogger aus allen Kontinenten eingetragen haben.

Im Internet regt sich neben breiter Zustimmung auch Kritik. Abseits der üblichen Verdächtigungen, dass die beteiligten Blogger über die Aktion vor allem Aufmerksamkeit für ihre Seiten generieren wollten, steht vor allem eine Frage im Raum: Wieso demonstriert die Blogosphäre ausgerechnet bei Birma Solidarität und nimmt keine Notiz von anderen Krisengebieten wie Simbabwe oder Somalia? Viele Blogger sehen das anders: "Ist es nicht begrüßenswert, dass die Blogcommunity wenigstens jetzt, wenigstens einmal ihr politisches, soziales Gewissen entdeckt?", schreibt beispielsweise Marc Scheloske in seinem Blog Wissenswerkstatt.

Tatsächlich beherrschen die Proteste in Birma auch noch Tage nach ihrer vermeintlichen Niederschlagung das Internet. Der Exil-Birmane Ko Htike wurde durch sein Blog zu einem vielgefragten Gesprächspartner der Medien, unabhängige Exilanten-Nachrichtenseiten wie Mizzima oder Irrawaddy entwickelten sich zur wichtigen Anlaufstelle für Informationen aus dem isolierten Land. Auch ein deutscher Blogger versucht inzwischen, die Nachrichten zum Thema aus dem Netz zusammenzutragen, in den Mikro-Blogging-Dienst Twitter werden beinahe minütlich neue Berichte aus aller Welt eingespeist.

Schweigen als Widerstand

Die Abschaltung des Internets durch die birmanische Regierung am vergangenen Freitag dürfte nicht unwesentlich zur Mobilisierung der "freien" Netzgemeinde beigetragen haben. "Damit hat die birmanische Regierung gezeigt, dass sie etwas falsches tut, etwas zu verbergen hat", erklärte der Xiao Qiang, Direktor des China Internet Project der International Herald Tribune, "an dieser Front ist selbst ein geschlossenes Blog ein mächtiges Blog. Sogar Schweigen kann im Internet eine starke Botschaft sein."

Auf der Studenten-Plattform Facebook, die bislang nicht unbedingt für größere politische Auseinandersetzungen bekannt war, ist die Online-Solidarisierung nur einen Klick entfernt. Über 300.000 Benutzer haben sich inzwischen in die Gruppe "Support the monks' protests in Burma" eingetragen. Dort werden Informationen über Protestmärsche und Mahnwachen ausgetauscht, aber auch Boykottaktionen diskutiert. Manchmal wirkt dies freilich eher wie eine chaotische Studentenrunde in der Wohnheimsküche oder gar unfreiwillig komisch, zum Beispiel wenn ein User vorschlägt, die Mönche als Zeichen der Unterstützung doch "in unsere Facebook-Gruppe einzuladen".

Während die Facebook-Zusammenschlüsse eher lose sind, versuchen es Menschenrechtsaktivisten mit klassischen Petitionen. Amnesty International bietet hierfür einen Vordruck für einen Protestbrief an den birmanischen Außenminister an, nach Angaben der Online-Aktivistengruppe Avaaz unterstützen mehr als 550.000 Internetnutzer eine Petition an den chinesischen Präsidenten Hu Jintao und den UN-Sicherheitsrat.

Bei der Frage, ob der Online-Aktivismus die realen Geschehnisse beeinflussen kann, sind selbst die Initiatoren skeptisch. "Kurzfristig wird es sicherlich Enttäuschungen geben", glaubt Robert Basic, "weil es unwahrscheinlich ist, dass unsere Aktion messbare Folgen haben wird. Aber sie kann dabei helfen, dass sich politisch interessierte Menschen vernetzen und von diesem Punkt weitermachen."

Ob ein weitergehendes Engagement, das mehr als nur ein paar Mausklicks benötigt, Realität wird und wie lange die Aufmerksamkeitsspanne der Internet-Gemeinde beim Thema Birma wirklich ist, dürfte sich erst in einigen Monaten zeigen. Zumindest, so hoffen die Organisatoren, erreichen die Solidaritätskundgebungen die Menschen, für die sie bestimmt sind: Der in Birma empfangbare Sender Radio Free Asia hat bereits über "Free Burma" berichtet.

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