Online-Bibliothek:Einigkeit und Brecht und Freiheit

Die EU befürwortet die Google-Pläne zur Digitalisierung von Büchern - und der Internetriese zeigt sich kompromissbereit.

Bernd Graff und Johannes Boie

Europa wehrt sich: Erst schrieb Bundesjustizministerin Brigitte Zypries an ein US-Gericht, dann forderte der zweitgrößte Buchverlag der Welt, Hachette Livre, alle europäischen Verleger zum Widerstand auf. Nun versucht die EU-Kommission eine Lösung zu finden.

Online-Bibliothek: Der Internetgigant Google möchte online eine "Weltbibliothek des Wissens" aufbauen - und setzte sich dafür auch über Urheberrechte hinweg.

Der Internetgigant Google möchte online eine "Weltbibliothek des Wissens" aufbauen - und setzte sich dafür auch über Urheberrechte hinweg.

(Foto: Foto: dpa)

Ziel des europäischen Zorns ist ein in New York geschlossener Vergleich, bei dem es darum geht, ob der Internetkonzern Google verwaiste Bücher, also jene, deren Autoren nicht ermittelt werden können, sowie vergriffene, nicht länger lieferbare Werke digitalisieren und ins Internet stellen darf.

Einfluss, Bedeutung und Gewinn

Google hat im Jahr 2004 damit begonnen hat, Bücher aus Bibliotheken einzuscannen, nach eigenen Angaben deshalb, weil man eine für jedermann zugängliche "Weltbibliothek des Wissens" aufbauen möchte. Und natürlich gleichzeitig den eigenen Einfluss, die eigene Bedeutung und den Gewinn mehren möchte.

Bis heute hat Google circa zehn Millionen Bücher digitalisiert - darunter auch verwaiste und vergriffene Werke europäischer Autoren. Allerdings können diese dem Urheberrecht unterliegen, denn gemeinfrei werden Bücher erst siebzig Jahre nach dem Tod des Autors.

Um die Streitfrage mit Google zu klären, verhandelt derzeit die Medienkommissarin Viviane Reding mit dem weltweit führenden Suchmaschinenbetreiber. Ziel ist es, eine europäische Lösung zu finden. Andernfalls sei zu erwarten, dass Google mit jedem Land einzelne Abkommen treffe, erklärte ein Sprecher von Viviane Reding. Dies würde zu einer Fragmentierung des europäischen Kulturraumes führen.

Lesen Sie auf Seite 2, warum die EU-Kommission den Google-Plänen positiv gegenübersteht.

Google bewegt sich

Im Prinzip steht die Brüsseler Kommission der Digitalisierung offen gegenüber. "Wenn wir zu langsam digital werden, könnte die Kultur Europas in Zukunft leiden", sagte Reding. In Europa gibt es bereits mehrere Bibliotheken, die von sich aus Verträge mit privaten Digitalisierungsfirmen getroffen haben, zum Beispiel die Universitätsbibliothek von Oxford. Dennoch sind bis heute nur ein Prozent aller europäischen Bücher digital verfügbar.

Zu Zugeständnissen bereit

Der Internetkonzern hat sich nun ebenfalls bewegt und zeigt sich zu Zugeständnissen an europäische Verlage und Autoren bereit. Google wolle nun dezidiert auf die Bedenken eingehen und Vertreter von europäischen Verlagen und Autoren an der Beaufsichtigung des Projekts "Google Books" beteiligen, erklärte ein Unternehmenssprecher im Rahmen einer Expertenanhörung in Brüssel. Zudem stellte der Sprecher Prüfungen in Aussicht, um zu verhindern, dass Bücher fälschlicherweise als vergriffen eingestuft und dann digitalisiert würden.

Google ist bekannt für forsches Vorgehen beim Digitalisierungsprozess. Der Konzern hat sich damit viele Feinde gemacht. US-Autoren, so wie Verlegerverbände sahen sich bereits durch Google um ihre Rechte und Tantiemen gebracht. Google hat deshalb mit ihnen Ende vergangenen Jahres einen Vergleich geschlossen, der vorsieht, dass das Internetunternehmen in Nordamerika gegen Zahlung einer pauschalen Entschädigung Bücher ohne Zustimmung der einzelnen Autoren digitalisiert. Zudem sollen urheberrechtlich geschützte Bücher eingescannt werden dürfen, die derzeit nicht mehr aufgelegt werden und nicht mehr erhältlich sind.

Autoren und Verlage können in New York noch bis zum 8. September dagegen Einwände vorbringen. Eine endgültige Entscheidung über die Vereinbarung will ein US-Gericht am 7. Oktober treffen.

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