Online-Anzeigen:So funktioniert Googles Werbegeschäft

Online-Anzeigen: Google vergibt seine Werbeplätze nach dem Prinzip der Vickrey-Auktion: Die Kunden wissen nicht, wieviel die Konkurrenz bietet. Das höchste Gebot gewinnt, fällig wird aber nur die Summe des zweiten Gebotes.

Google vergibt seine Werbeplätze nach dem Prinzip der Vickrey-Auktion: Die Kunden wissen nicht, wieviel die Konkurrenz bietet. Das höchste Gebot gewinnt, fällig wird aber nur die Summe des zweiten Gebotes.

(Foto: Justin Sullivan/AFP)
  • Anzeigen ins Internet zu bringen, ist ein kompliziertes Verfahren - welche Werbung ausgespielt wird und wie viel sie kostet, entscheiden Algorithmen.
  • Händler haben vielfältige Einstellungsmöglichkeiten und zahlen nur, wenn Nutzer tatsächlich auf ihre Anzeigen klicken.
  • Klickbetrug ist deshalb ein großes Problem für Werbefirmen wie Google.

Von Helmut Martin-Jung

Werbeanzeigen seriöser Unternehmen, ja sogar der britischen Regierung, auf islamistischen Internetseiten, auf der Webpräsenz von Holocaust-Leugnern und anderen Extremisten, das hat das Internet-Unternehmen Google in jüngster Zeit Kritik eingebracht. Doch wie konnte es dazu kommen, wie funktioniert eigentlich das Anzeigengeschäft im Netz?

Google, der Marktführer bei Internetwerbung, verdient das meiste Geld mit den eigentlich recht unscheinbaren Textanzeigen, die auf seinen eigenen Seiten, aber auch auf beliebigen anderen Seiten eingeblendet werden können. In diesem zweiten Fall werden die Betreiber der Seiten an den Erlösen beteiligt.

Wie aber kommen die Anzeigen dorthin? Dahinter steckt ein ziemlich kompliziertes Verfahren. Dazu ein Beispiel: Das (fiktive) Fahrradgeschäft Müller will im Internet werben. Aber Fahrrad Müller möchte am liebsten, dass nur Menschen die Werbung sehen, die sich auch für Fahrräder interessieren, am besten solche, die vorhaben, sich demnächst eines zu kaufen. Und gut wäre auch, wenn nur Internetnutzer angesprochen würden, die in der Nähe von Fahrrad Müller wohnen.

Der Händler muss angeben, wie viel ihm ein Klick auf seine Anzeige wert ist

Alle diese Kriterien und noch einige mehr kann der Fahrradhändler auswählen, wenn er eine Anzeige aufgibt. Dies ist auch der wichtigste Grund, warum Google und andere Webfirmen gerne so viele Daten wie möglich über ihre Kunden speichern möchten. Platziert aber ist die Anzeige damit noch längst nicht. Im Gegensatz zu einer Zeitung, bei der man bezahlt und sich damit einen festen Platz im Blatt kauft, läuft die Sache im Netz ganz anders ab.

Unser Händler muss zuerst einmal angeben, wie viel es ihm wert ist, wenn ein potenzieller Interessent auf seine Anzeige klickt. Außerdem muss er Schlüsselwörter vergeben, zu denen seine Anzeige erscheinen soll. In seinem Fall wären das etwa die Wörter Fahrrad, Angebot, Fahrradreparatur und ähnliches.

Damit und mit der Art, wie seine eigene Internetseite aufgebaut ist, tritt Fahrrad Müller nun in Konkurrenz zu anderen Fahrrad-Inserenten. Wäre Fahrrad Müller eine Firma, die das Reizwort Fahrrad nur benutzt, um Kunden auf seine Seite zu locken, würden ihre Chancen stark sinken - außer sie wäre bereit, viel mehr pro Klick zu bezahlen.

Welche Anzeige ausgepielt wird, entscheidet sich in Millisekunden

Gewinnt also immer der mit dem meisten Geld? Meistens nicht, denn auch dafür haben sich die Werbefirmen im Internet eine Lösung einfallen lassen. Die Vergabe der Werbeplätze funktioniert nach dem Prinzip der Vickrey-Auktion. Bei dieser nach dem Wirtschaftswissenschaftler William Vickrey benannten Auktionsform wissen die Teilnehmer nicht, wie viel die Konkurrenz bietet. Es gewinnt zwar der Höchstbietende, bezahlen muss der allerdings bloß das Gebot des Zweitbietenden. Erfahrungsgemäß führt dies dazu, dass die Auktionsteilnehmer in Summe ziemlich realistisch einschätzen, wie viel sie zu zahlen bereit sind.

Die Anzeige steht nun, das Angebot ist abgegeben - aber auf welche Seiten kommt sie nun? Das entscheidet sich nicht etwa in irgendwelchen Verhandlungen per E-Mail oder durch Aktionen von flinken Mausbedienern. Es entscheidet sich in den wenigen Millisekunden, die vergehen, bis die Seite erscheint, wenn ein Internetnutzer zum Beispiel etwas bei Google gesucht hat.

Anzeigenbetrug ist ein großes Problem

Hätte also jemand "Fahrrad Angebot" eingegeben und würde dieser Jemand in der Nähe von Fahrrad Müller ins Netz gehen, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass ihm neben den Suchergebnissen auch Fahrrad Müllers Anzeige eingeblendet wird. Erst wenn der Internetnutzer aber auf die Anzeige klickt, muss Fahrrad Müller auch bezahlen.

Doch woher weiß der Radl-Unternehmer, dass der Klick auch wirklich von jemandem stammt, der sich für ein Fahrrad interessiert - oder dass der Klick überhaupt von einem Menschen stammt? Findige Kriminelle machen schon seit vielen Jahren ein Geschäft aus künstlich erzeugten Klicks. Das Ganz ist unter dem Begriff Ad Fraud, Anzeigenbetrug, bekannt und funktioniert verkürzt dargestellt so: Die Betrüger legen Webseiten an, die so viele Werbeplätze enthalten wie nur möglich. Die Inhalte klauen sie sich meist von anderen Seiten zusammen.

Auf die Anzeigen, die je nach den Inhalten erscheinen, lassen sie dann Computer automatisiert klicken. Sie nutzen dazu aber natürlich nicht ihre eigenen Rechner, sondern gekaperte, die sie fernsteuern können. Die Kunst dabei ist, die Klicks so aussehen zu lassen, als stammten sie von einem Menschen. Die Werbeanbieter wie Google verdienen zwar auch an den falschen Klicks, gehen aber trotzdem dagegen vor. Denn wenn ihre Kunden nicht mehr sicher sein können, wie viele Klicks von echten Interessenten kommen, schwindet ihr Vertrauen in den Werbeanbieter.

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