Nach Berichten über Spionagesoftware:Vorladung zum Verhör

Omar Radi

Omar Radi spricht nach einer Anhörung bei einem Gericht in Casablanca mit den Medien im März 2020.

(Foto: Abdeljalil Bounhar/AP)

Auf dem Handy des Journalisten Omar Radi wurden Spuren einer Spionagesoftware der Firma NSO gefunden. Nach Berichten befragen nun Behörden den Reporter.

Von Moritz Baumstieger

Die Antwort des Staates ließ nur drei Tage auf sich warten: Am Montag hatte die SZ gemeinsam in Kooperation mit mehreren internationalen Medien und dem Rechercheverbund Forbidden Storys über den Hackerangriff berichtet, mit dem mutmaßlich marokkanische Behörden das Mobiltelefon des Journalisten Omar Radi ausspioniert hatten. Digital-Forensiker von Amnesty International hatten auf Radis Gerät Spuren einer Spionagesoftware der israelischen Firma NSO gefunden, die laut Eigenaussage eigentlich zur Kriminalitätsbekämpfung entwickelt wurde, mit der zuletzt aber offenkundig immer wieder politische Aktivisten und Journalisten ausgespäht wurden.

Am Mittwoch dann stand ein Beamter vor dem Haus von Radis Eltern, so berichtet es der Journalist der SZ in Chatnachrichten, und übergab ein Schreiben der Nationalen Brigade der Justizpolizei (BNPJ). Eine Vorladung zum Verhör um 9.30 Uhr an diesem Donnerstag. Die genauen Vorwürfe, zu denen die Beamten Radi vernehmen wollten, wurden in dem Schreiben nicht genannt, am Mittwochabend bestätigte der Generalstaatsanwalt des Königreiches jedoch kursierende Gerüchte: Gegen den ausspionierten Journalisten ermitteln die marokkanischen Behörden nun wegen Spionage - genauer wegen des "Verdachts der Annahme von Mitteln ausländischer Quellen in Verbindung zu nachrichtendienstlichen Gruppen".

In den Tagen bevor Forbidden Storys die Manipulation von Radis Smartphone offenlegte, waren Artikel auf Klatschseiten im Internet erschienen, die Radis Kontobewegungen detailliert nachzeichneten und über ausländische Geldgeber raunten. Vorwürfe der Spionage und des Landesverrats sind in vielen autoritär geführten Ländern im Nahen Osten und Nordafrika ein häufig genutztes Mittel, um missliebige Stimmen zu diskreditieren. Als Journalist ist Radi auch für internationale Medien wie etwa die BBC, al-Jazeera und Le Monde tätig.

Die "Pegasus" genannte Software, mit der Radi ausspioniert wurde, kann laut Amnesty International auf Smartphones aufgespielt werden, ohne dass der Nutzer dazu auf einen infizierten Link klicken muss - es reicht, wenn das betreffende Handy in die Nähe einer manipulierten Funkzelle gerät. Marokkanische Behörden wollten in Bezug auf den Angriff auf das Smartphone von Omar Radi keine Stellungnahme abgeben, die Firma NSO äußerte sich "zutiefst beunruhigt".

Im Gespräch mit der SZ bezeichnete Radi die Polizeibehörde BNPJ als "die Elite, unser FBI", in der Vergangenheit gab es jedoch immer wieder Vorwürfe wegen Folter und Misshandlungen seitens ihrer Beamten. Ihm selbst sei bei früheren Befragungen jedoch nie Gewalt angetan worden, so Radi. Angst habe er aber keine, die BNPJ sei im Umgang mit ihm stets "elegant" geblieben. Am Donnerstag verbrachte Radi sechs Stunden im Polizeigebäude, bevor er entlassen wurde. Die Beamten werden ihn jedoch bald wieder einbestellen, erklärte Radi in einem Statement. Die Vorwürfe gegen ihn - deren Details weiter als geheim eingestuft sind - seien lächerlich, die ganze Angelegenheit ein "Abstieg in die Hölle". Die grundlegendste Arbeit von Journalisten werde kriminalisiert.

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