NSA-Spionage:Ach ja. Schon wieder?

File photo shows antennas of the former NSA listening station at the Teufelsberg hill, or Devil's Mountain, in Berlin

Antennen des ehemaligen NSA-Abhörpostens auf dem Teufelsberg in Berlin.

(Foto: REUTERS)

Eine Beamtin im Bundeskanzleramt könnte ausspioniert worden sein. Könnte. Interessanter als der Fall selbst sind die Reaktionen in Berlin: Die US-Geheimdienste haben ihren Ruf hierzulande so ramponiert, dass man ihnen jederzeit alles Schlechte zutraut.

Kommentar von Hans Leyendecker

Cyberangriff aufs Kanzleramt? Durch die NSA? Diese Vermutung, diese Nachricht hat in Berlin kein Gerenne ausgelöst, vergleichsweise gedämpft fielen die ersten Reaktionen aus: Ach, ja. Schon wieder. Die Feststellung eines Politikers in einem Hintergrundgespräch, man wisse nicht, ob NSA und CIA dreist, frech oder nur dumm seien, wenn sie unverdrossen Freunde ausspionierten, war da schon der höchste Ausbruch an Emotion.

Mit der weiteren Aufklärung fiel die Geschichte dann noch lausiger aus. Es war wohl keine richtige Spionageattacke auf die Regierungszentrale. Die angeblich betroffene Referatsleiterin im Kanzleramt ist nur Referentin. Auch war der Vorgang, wenn man ihn überhaupt so benennen will, nicht neu, sondern es handelte sich um eine schon etwas verstaubte Geschichte. Und man wisse nicht so recht, beteuerten Insider, ob überhaupt ein Geheimdienst dahinterstecke. Wenn ja, dann vielleicht doch die NSA. Vielleicht auch nicht. In früheren Zeiten, vor der NSA-Affäre, wäre das eine Nicht-Geschichte gewesen. Wer, wann, wie, warum - das alles lässt sich in dem Fall nicht sauber beurteilen.

Interessant ist, was man den US-Diensten hier alles zutraut

Interessant ist bislang aber dann doch, dass die US-Dienste ihren Ruf hierzulande so ramponiert haben, dass man ihnen jederzeit alles Schlechte zutraut. Und es ist dilettantisch, dass die USA mit ihren Diensten in einem fort die Bundesrepublik brüskieren. Die deutsche Öffentlichkeit hat die Lektion gelernt, dass die Wissensgier amerikanischer Dienste auch vor der Kanzlerin nicht haltgemacht hat. Dass Barack Obama ihr Telefon nach Aufdeckung der Affäre für künftig unberührbar erklärte, bedeutete nur, dass die Handys anderer Politiker nicht unantastbar sind und dass sich die amerikanischen Dienste mühen, weiter kräftig zu spionieren. Jeder muss annehmen, dass sich die US-Dienste über ihn ein Bild machen wollen; egal ob man Politiker, Wirtschaftsführer, Soldat oder sonst wer ist.

Zur Störung des deutsch-amerikanischen Verhältnisses hat in diesem Jahr auch der Fall des BND-Schreibtischagenten beigetragen, den die CIA entlohnt hatte. Der Mann hatte Unterlagen an den US-Dienst verkauft, und manches unangenehme Detail wird in dem vermutlich 2015 stattfindenden Prozess zur Sprache kommen. Aufwand, Ertrag und Ergebnis der CIA-Aktion standen - wie fast immer - in keinem Verhältnis.

Dass die Bundesregierung daraufhin den CIA-Residenten aufforderte, das Land zu verlassen, war Ausdruck der Verärgerung über Washingtons Maßlosigkeit. Der Rauswurf war ein Signal. Die ordentliche Ladung Edward Snowdens als Zeuge vor den Untersuchungsausschuss wäre ein sehr mutiges Signal gewesen.

Es mag ja sein, dass Freundschaft für Geheimdienste keine relevante Kategorie ist. Aber es ist höchst unprofessionell, überall und unter allen Umständen zu versuchen, alle greifbaren Daten abzusaugen. Dann blickt man nicht nur nicht mehr durch. Sondern man ist sogar dann der Böse, wenn keiner weiß, wer was gemacht hat.

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