Noah Conference:Speeddating im Tempodrom

Gründerkonferenz NOAH für die Internetwirtschaft

Man kennt sich: US-Medienstar Arianna Huffington und Springer-Chef Mathias Döpfner.

(Foto: Gregor Fischer/dpa)

Vielen Start-ups in Berlin fehlt es zwar nicht an guten Ideen, wohl aber an Geldgebern. Auf der Noah Conference werben sie um Investoren. Auch Oliver Samwer und Eric Schmidt lassen sich blicken.

Von Markus Balser und Varinia Bernau, Berlin

Der Mann kennt sich aus mit den großen Deals in der digitalen Welt. Als Investmentbanker bei Lehman Brothers hat er sie lange genug selbst eingefädelt. Als die Bank dann 2008 pleite ging, nahm Marco Rodzynek die Sache selbst in die Hand. Er gründete eine Beratungsgesellschaft. Und er richtete regelmäßig eine Konferenz in London aus, um aufstrebende Firmen mit Geldgebern zusammenzubringen.

Jetzt ist der gebürtige Deutsche zurück in seiner alten Heimat. Nicht aus Nostalgie, sondern weil Berlin, wo an jedem Tag zwei neue Start-ups entstehen, für Investoren inzwischen so interessant wie London ist. Vielleicht auch weil ihn die Kanzlerin mal gefragt hat, ob er mit seiner Noah Conference nicht nach Berlin kommen wolle. So zumindest erklärt er seinen Auftritt, als er am Dienstag Morgen auf die mit grünen Scheinwerfern angestrahlte Bühne im Tempodrom klettert. Äußerlich ist er noch immer der Investmentbanker: Anzug, Krawatte, mit Gel glatt gestrichenes Haar.

Die Noah Conference soll kein Blabla sein

Die Anekdote mit der Kanzlerin ist seine Art zu betonen, in welch exklusivem Kreis man sich hier trifft. Schließlich gibt es inzwischen eine Menge Konferenzen, auf der mal mehr und mal weniger tiefgründige Gedanken, mal mehr und mal weniger wertvolle Visitenkarten ausgetauscht werden. Die Noah Conference soll kein Blabla sein. Im Zehn-Minuten-Takt dürfen die Gründer ihre Ideen präsentieren. "Und zwar nur diejenigen, die wirklich arbeiten", wie Rodzynek klarstellt.

Eingeladen wird nur, wer mindestens 20 gemeinsame Bekannte auf dem Karrierenetzwerk Linkedin vorweisen kann. Gekommen sind die Medienmacherin Arianna Huffington, Eric Schmidt, so etwas wie Googles Außenminister, Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel, die Gründer von erfolgreichen Internetdiensten und die Digitalbeauftragten einiger Dax-Konzerne.

Kreditech will Banker durch Algorithmen ersetzen

Sebastian Diemer zum Beispiel hat vor drei Jahren Kreditech gegründet, 260 Millionen Euro bei Investoren eingesammelt und seine Mannschaft auf 200 Leute aufgestockt. Er will Banker durch Algorithmen ersetzen. Übers Internet können sich Kunden bei Kreditech eine Finanzierung holen. Das Geld wird über ein Konto, eine Kreditkarte oder auch am Geldautomaten zur Verfügung gestellt. Die bei den Transaktionen erfassten Daten nutzt Kreditech, um die Kreditwürdigkeit zu überprüfen - bislang bei zwei Millionen Kunden.

Diemer schwärmt von einer Zeit, in der nicht mehr ein unschlüssiger Bankbeamter über die Vergabe eines Kredits entscheidet, sondern ein treffsicherer Algorithmus. So wie Spotify den Mann im Plattenladen ersetzt habe, der treuen Kunden eine neue Scheibe empfiehlt. So wie Amazon inzwischen am besten wisse, welche Bücher einem gefallen. "Im 20. Jahrhundert wurde die Muskelkraft durch Maschinen ersetzt, im 21. Jahrhundert ersetzen wir das Gehirn durch einen Algorithmus", sagt Diemer. "Und das beste daran: Das Öl, das die Maschinen antreibt, ist knapp. Aber die Menge an Daten, die wir zur Verfügung haben, steigt. Das macht uns klüger und klüger."

Auch Oliver Samwer sucht nach Ideen für Rocket Internet

Einer, der an die Zukunft der Algorithmen glaubt, ist der Investor Oliver Samwer. Er gehört zu den Geldgebern von Kreditech. Er sitzt in einem der Nebenräume des Tempodroms und empfängt junge Unternehmer im Halbstundentakt. Er sucht neue Ideen, die in seiner Start-up-Schmiede Rocket Internet zum großen Geschäft werden können.

Und er ist nicht der einzige: Martin Reck von der Deutschen Börse trommelt für eine neue Plattform, die Geldgeber mit Start-ups zusammenbringen soll, die dringend eine erste Kapitalspritze brauchen. Denn schon die Entwicklung von der Idee zum Produkt schaffen die meisten Gründer nicht aus eigener Kraft. Am Donnerstag soll das Pilotprojekt mit zunächst 20 Firmen vorgestellt werden. Es richtet sich an Start-ups, die einen zwei- bis dreistelligen Millionenbetrag benötigen. Neben Geld sollen sie auch eine gute Beratung von erfahrenen Managern bekommen.

Nur wenige Start-up wagen den Börsengang

Die Plattform, die auch vom Bundeswirtschaftsministerium unterstützt wird, könnte erst der Auftakt sein. Die Idee eines eigenen Börsensegments verfolge man weiter, heißt es. Denn auch den Sprung aufs Börsenparkett, um weiteres Geld für weiteres Wachstum einzusammeln, wagen bislang nur wenige Start-ups. Die schwierige Finanzierung gilt als einer der Gründe dafür, warum Europa im digitalen Geschäft hinter den USA hinterherhinkt.

Auch im Tempodrom fliegen immer wieder Zahlen durch die Luft, die dies deutlich machen: Etwa eine Milliarde Euro an Risikokapital sei im vergangenen Jahr in Berlin investiert worden, rechnet etwa Jens Müffelmann, beim Axel-Springer-Konzerns für Investitionen in aufstrebende Internetfirmen zuständig. Im Silicon Valley sei die Summer mehr als 20 Mal so hoch gewesen. Das ist gut für die Investoren. Denn die kommen auch nach Berlin, weil sie hier mehr für ihr Geld bekommen.

Aber es ist schlecht für diejenigen, die in Europa die Jobs im digitalen Zeitalter sichern wollen. Dass mehr als die Hälfte der europäischen Start-ups von amerikanischen Firmen gekauft werden, das stimme ihn ziemlich nachdenklich, sagte etwa Günther Oettinger, EU-Kommissar fürs Digitale.

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