Nexus One vorgestellt:Googles iPhone-Gegner

Google bringt sein eigenes Handy auf den Markt, doch wer mit einer Revolution gerechnet hat, wird enttäuscht: Die langfristige Strategie des Suchgiganten sieht anders aus.

Johannes Kuhn

Wenn Google ein neues Produkt vorstellt, dürfen Superlative nicht fehlen: "Dieses Gerät", erklärt Vizepräsident Mario Queiroz, "gehört zu einer neuen Kategorie von Telefonen, die wir 'Superphone' nennen."

Nexus One vorgestellt: Google-Handy Nexus One: In Deutschland im Frühjahr erhältlich

Google-Handy Nexus One: In Deutschland im Frühjahr erhältlich

(Foto: Foto: Google, oH)

Nexus One heißt das "Superphone", das der Suchgigant in Mountain View vorgestellt hat. Mit dem Multimedia-Handy verkauft Google erstmals ein Endgerät direkt an den Kunden - in den USA für 529 Dollar ohne Vertragsbindung.

Anders als im Softwaregeschäft, so glauben Experten, kann Google die Branche dieses Mal aber nicht revolutionieren: Das Gerät, an dem sich alle messen müssen, ist das iPhone. Nexus One nimmt den Kampf auf: Es sei "schmal wie ein Bleistift" und so "leicht wie ein Schweizer Taschenmesser", versprechen die Macher, dafür ist das Display mit einer Diagonale von umgerechnet 9.4 Zentimeter größer als das des Konkurrenzprodukts von Apple (8,9 cm). Das Display zeigt 480 mal 800 Pixel an.

Ein Ein-Gigahertz-Prozessor treibt das Smartphone an, mit 512 MB ist der Arbeitsspeicher des Geräts recht klein. Wie beim iPhone navigieren die Nutzer sich per Touchscreen durch die Menüs, wohl aus Angst vor einer Apple-Klage verzichtete Google jedoch darauf, das Gerät auf Zweifingergesten reagieren zu lassen.

Kleine Extras statt einer Revolution

Statt großer Umwälzungen versucht Google augenscheinlich, beim Nexus One mit kleineren Extras zu punkten: So besitzt das Handy zwei Mikrofone, um Nebengeräusche beim Telefonieren besser abdämpfen zu können. Das Display passt sich den äußeren Lichtverhältnissen an, Textfelder können per Spracheingabe ausgefüllt werden.

Nexus One wird vom taiwanesischen Hersteller HTC produziert und arbeitet mit dem Google-Betriebssystem Android in der Version 2.1. In letzterem sehen Beobachter auch den Grund für Googles Ausflug auf den Hardware-Markt: Zwar haben bereits viele Mobilfunkanbieter Handymodelle mit Android-OS im Angebot, doch offensichtlich glaube Google nicht, dass deren Geräte das Potential des Betriebssystems ausnutzen, sagt Carolina Milanesi von der IT-Marktforschungsagentur Gartner: "Google will keine Geräte verkaufen, sondern Dienstleistungen im Netz anbieten. Und dafür brauchen sie ein Handy, das alle technischen Möglichkeiten des Android-Betriebssystems ausschöpft."

Googles Geschäftsmodell basiert auch im mobilen Web auf Werbung: Im November kaufte das Unternehmen für 750 Millionen Dollar den Mobilfunk-Werbeanbieter AdMob. Bislang sind allerdings nur rund vier Prozent aller verkauften Smartphones mit Android ausgestattet. Um wirklich über eingeblendete Anzeigen auf eigenen Diensten Geld zu verdienen, muss Google also die Reichweite von Android-Handys steigern.

Google wird sich Feinde machen

Aus diesem Grund greift Google zu unkonventionellen Mitteln: In den USA wird das Mobiltelefon nicht nur mit einem Datenvertrag von T-Mobile (179 Dollar), sondern auch ohne Vertrag angeboten. Für 529 Dollar können amerikanische Kunden das Handy direkt bei Google bestellen. In Deutschland soll das Handy im Laufe des Frühjahrs bei Google erhältlich sein, einer der Mobilfunkpartner für den passenden Vertrag wird in Europa Vodafone sein.

Mit seiner Geschäftsstrategie dürfte sich Google einige Feinde machen: Mobilfunkanbieter werden den Direktvertrieb mit Argwohn begutachten, ist die Kombination aus subventioniertem Endgerät und Vertrag doch bislang ein Hauptargument, um Kunden an sich zu binden. Handy-Hersteller von Motorola bis Sony Ericsson werden ihrerseits kaum glücklich sein, die Macher ihres Handy-Betriebssystems plötzlich mit einem eigenen Konkurrenz-Smartphone auf dem Markt zu sehen.

Zumindest letztere haben derzeit keine andere Wahl, glaubt John Delaney vom IT-Marktforschungsunternehmen IDC: "Es gibt derzeit für diese Unternehmen keine Alternative zu Android, deswegen werden sie kaum aus Trotz dem Google-Betriebssystem den Rücken kehren."

"Am Anfang einer langen Reise"

Das Nexus One ist also kein Versuch, Google zum neuen Apple zu machen - es ist vor allem ein weiteres Gerät, um möglichst viele Nutzer des mobilen Internets dazu zu bringen, Dienste von Google zu verwenden. So versprach Google-Vize Queiroz denn auch, "erst am Anfang einer langen Reise zu sein".

Die nächste Station, so munkelt man, könnte Finnland sein: Wenn auch der angeschlagene Branchenführer Nokia künftig auf das Android-Betriebssystem setzt, würde Googles Marktmacht unabhängig vom Erfolg des Nexus One beträchtlich wachsen.

"Ist es ein iPhone-Killer?", fragte ein Journalist den Google-Vertreter bei der Vorstellung von Nexus One. "Es ist ein Superphone", antwortete dieser gelassen, "Der Konsument entscheidet, was er kauft."

Auch viele kleine Stiche können töten, hätte er ergänzen können.

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