Neues Computerspiel: L.A. Noire:Schau mir in die Augen, Täter!

Mit düsterer Krimi-Atmosphäre und einer neuartigen Gesichts-Animation will Rockstar Games im neuen Spiel "L.A. Noire" überzeugen. Die Spieler erwartet Polizeiarbeit: Beweise sammeln, Zeugen befragen und Täter verhören. Droht da nicht gähnende Langeweile?

Lukas Köhler

Die Frau, die die Tür öffnet, wirkt verstört. Gerade hat eine Bande Krimineller auf der Suche nach ihrem Mann die gesamte Wohnungseinrichtung verwüstet. "Verzeihen Sie, wenn ich mich kurz setze?" entschuldigt sie sich und lässt sich auf dem Sofa nieder. Detektive Cole Phelps nutzt die Gelegenheit, um sich in der Wohnung umzusehen und findet Hinweise, dass ihr Mann in dunkle Machenschaften verstrickt ist.

Mit "L.A. Noire" veröffentlichte Rockstar Games ein neues Spiel, das in seiner optischen Aufmachung an Titel wie "Grand Theft Auto 4" oder "Mafia II" erinnert. Doch das Gameplay unterscheidet sich grundlegend. Es gilt Kriminalfälle zu lösen und nicht wie üblich, als Krimineller erfolgreich zu sein. Dazu sammelt der Spieler in der Rolle des Detective Cole Phelps Beweise, befragt Zeugen und verhört Tatverdächtige.

Dabei erinnert das Spiel sehr an alte Point-and-Click Abenteuer. Alle Beweise und Erkenntnisse landen automatisch in Phelps Notizblock. Darauf muss der Spieler in den Gesprächen zurückgreifen, denn immer wieder muss er sich entscheiden: Lügt der Befragte oder erzählt er die Wahrheit?

Nicht immer ist das klar und kluges Kombinieren ist gefordert. Bezichtigt der Spieler einen Befragten vorschnell als Lügner, ohne einen Beweis zu haben, blockt die Person schnell ab und sagt meist gar nichts mehr. Oder er provoziert ihn so sehr, dass der Befragte verärgert die entscheidende Information verrät.

Gerade diese Vernehmungen machen den besonderen Reiz von "L.A. Noire" aus, denn neben dem Blick auf die Notizen ist gerade der in das Gesicht des virtuellen Gegenübers entscheidend. Mit Hilfe von 32 HD-Kameras wurden die Gesichtszüge der Schauspieler bis ins kleinste Detail aufgezeichnet und auf die Figuren im Spiel übertragen.

Neue Wahrnehmungsebene in der Spiele-Welt

Tatsächlich wirken die Gesichter der Figuren im Spiel sehr lebendig. Zwar ist die Augenpartie hin- und wieder noch etwas starr, doch insgesamt zeigt sich hier eine neue Qualität der 3D-Darstellung, gegen die ein Nico Bellic aus GTA 4 blass aussieht.

Dem Spielgefühl fügt es damit eine völlig neue Wahrnehmungsebene hinzu. Huschte da nicht gerade ein Zucken um die Augenwinkel des Verdächtigen? Warum vermeidet der Zeuge so nervös den Augenkontakt? Solche Zeichen muss der Spieler bei seinen Entscheidungen berücksichtigen und liegt schnell mal daneben.

Eine erfolglose Befragung führt allerdings nicht zum Game Over. Es schadet nur der Statistik am Ende, die zeigt, wie gut ein Fall gelöst wurde. Die fehlende Information muss nun auf anderen Wegen beschafft werden. Sollte der Spieler gar nicht mehr weiter wissen, helfen ihm neben dem Partner auch die Intuitionspunkte, die wie ein Joker in einer Quizshow eingesetzt werden können.

Liebe zum Detail

Im Vergleich mit anderen Action-Spielen fordern die Macher von "L.A. Noire" eine weitaus ruhigere, analytischere Vorgehensweise vom Spieler. Zwar gibt es auch zwischendurch Schießereien und Verfolgungsjagden, doch weniger, als das bei "GTA" oder ähnlichen Spielen der Fall ist. Man muss sich auf die Geschichte einlassen.

LA Noire Screenshot Befragung

Bei Verhören muss der Spieler genau auf den Gesichtsausdruck des Befragten achten.

(Foto: Screenshot Rockstar Games)

Reine Actionfans könnten also schnell enttäuscht sein. Ihre gute Hand-Augen-Koordination ist in diesem Spiel eher selten gefragt. Denn selbst in den Actionsequenzen muss man keine komplizierten Tastenkombinationen beherrschen. Trotzdem zieht einen das Spiel in seinen Bann.

Das liegt vor allem an der gelungenen Spielatmosphäre, die im virtuellen L.A. von 1947 herrscht. Dank der immer erfolgreicheren Filmindustrie boomt die Stadt und lockt allerlei Stars und Glamour an. Aber damit auch viele Taugenichtse, Verbrecher, Betrüger und die Mafia.

Die Korruption blüht überall, auch bei der Polizei. Hinter der glänzenden Fassade Hollywoods versteckt sich eine düstere Stadt. Diese Stimmung einzufangen war den Entwicklern sehr wichtig.

Dazu werteten sie Hunderttausende alte Fotos, topographische Karten und Luftbilder aus, um ein realistisches Abbild zu erzeugen. Am Ende kann sich der Spieler in rund 20 Quadratkilometern des historischen Los Angeles frei bewegen, in dem von der Schaufensterauslage bis zur Straßenlaterne fast alles originalgetreu wiedergegeben wird.

Noire-Abend mit Freunden

Dazu kommt noch die spannende Story, die die mehr als 20 Kriminalfälle umklammert und in der Phelps eigene Vergangenheit aufgearbeitet wird. Dabei erinnert "L.A. Noire" an Krimiserien wie CSI oder Law&Order. Rockstar schielt damit wohl auch auf neue Zielgruppen.

Fans solcher Serien werden sich darüber freuen, endlich aktiv in das Geschehen eingreifen zu können. Sogar von Spielabenden ist die Rede, an denen Freunde zusammen an den Fällen knobeln.Tatsächlich gibt es in "L.A. Noire" immer wieder Situationen, gerade bei den Verhören, in denen sich über die weitere Vorgehensweise gut diskutieren lässt.

Rockstar verspricht 40 bis 60 Stunden Spielspaß, die wohl recht kurzweilig werden. Zumindest, wenn der Spieler sich auf die Zeitreise in das düstere Los Angeles einlässt und eine kriminalistische Spürnase besitzt. Dann kann es passieren, dass der Controller, wie ein guter Krimi, nach den ersten Kapiteln nicht mehr zur Seite gelegt wird.

"L.A. Noire" von Rockstar Games/Team Bondi. Für Playstation3 und Xbox 360.

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