Süddeutsche Zeitung

Neues Design:Twitter wird menschlicher

Hallo! XYZ hat auch was dazu gesagt! Twitter weist seine Nutzer jetzt deutlich darauf hin, wenn Nutzer sich unterhalten. Wird das Netzwerk zur Schwatzbude?

Von Bastian Brinkmann

Was ist Twitter? Das soziale Netzwerk ist eigentlich dreigespalten. Manche nutzen es als Nachrichtenschleuder, als Informationstunnel, der einen zu vielen Artikeln und Informationen führt, die man selbst nie gefunden hätte. Von Twitter stark beworben wird die zweite Möglichkeit, Twitter als Klatschbörse zu nutzen und die neuesten Promifotos direkt aus dem Wohnzimmer live zu konsumieren (von dieser Nutzung verspricht sich der Konzern offenbar eine hohe Reichweite und damit mehr Werbedollars). Und dann gibt es noch die Möglichkeit, seinen Schulfreunden, Nachbarn und Blogbekanntschaften zu folgen, wie bei Facebook - nur mit kurzen Statusaktualisierungen.

Viele nutzen alle drei Funktionen - und die Grenzen werden weiter verwischen, denn Twitter hat ein entscheidendes Details seiner Seitenarchitektur verändert, um den persönlichen Touch der Seite zu erhöhen: Antworten auf Tweets werden nun mit einer farbigen Linie markiert, teilt Twitter in seinem Blog mit. Das sieht folgermaßen aus (die Farbe kann in den Einstellungen geändert werden):

Twitter bricht damit sogar mit der chronologischen Linearität, derzufolge ein neuer Tweet immer den alten verdrängt. Zwar experimentiert das Unternehmen bereits damit, dass ein Algorithmus den Nutzern die "Top-Tweets" der vergangenen Stunden anzeigt. Doch bisher galt für die Nutzer als Maßstab: neu, live, jetzt!

Durch die neue Konversationsfunktion tauchen plötzlich auch Stunden oder Tage alte Tweets wieder im Nachrichtenstream auf, wenn ein Nutzer antwortet, dem man folgt. Bisher musste man den Kontext einer im Fluss auftauchenden Antwort per Klick anfordern.

Ist das eine gute Designidee? Das kommt darauf an, wie man Twitter nutzt, wem man folgt, wie man filtert. Wer nur das neueste Foto sehen will, das Boris Becker aus dem Familienurlaub postet, der wird davon nicht unbedingt etwas merken. Viele Promis unterhalten sich nicht ausgiebig mit anderen Sternchen oder ihren Fans - das ist auch oft gar nicht mehr möglich; Justin Bieber etwa bekommt wahrscheinlich mehr Fanpost über Twitter als er lesen kann (und das liegt nicht unbedingt an seinen Lesefähigkeiten).

Wer nichts verpassen will, könnte ebenfalls profitieren. Wenn zwei Fachjournalisten diskutieren, ob es nachrichtlich relevant oder schon lange bekannt ist, dass der Anonymisierungsdienst Tor Geld vom Pentagon bekommt, kann es interessant sein, die Unterhaltung und die Argumente nachzulesen.

Klar: Nicht jeder hat etwas zu sagen. Manche nun im Nachrichtenfluss auftauchende Anmerkungen werden verzichtbar sein. Denn selbst ein flüchtiges "Danke für den Link" versendet sich jetzt nicht mehr so schnell wie zuvor. Und wenn sich mehrere Nutzer beim Witzeln übertreffen wollen (soll auf Twitter vorkommen), wird das auch sichtbarer. Es erhöht den Anreiz, durch kontroverse Links oder Aussagen Replys einzusammeln, um so die Sichtbarkeit der eigenen Tweets zu erhöhen - nicht unbedingt ein Qualitätstreiber. Doch wem es zu viel wird, der kann immer noch Leuten entfolgen.

Linktipp: Der Techblog Gigaom argumentiert, dass Twitter mit der neuen Konversationsansicht mehr Nutzer locken will - die der Konzern braucht, um sich für einen Börsengang aufzuhübschen.

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