Neuerungen bei Bing und Google:Wie Suchmaschinen erwachsen werden

Microsoft bindet soziale Netzwerke stärker in Bing ein, Google hingegen will detailliertere Kontextinformationen liefern: Die Welt der Suchmaschinen verändert sich gerade rapide - und die jetzigen Veränderungen sind nur der Beginn einer Evolution.

Johannes Kuhn

Google stellte Falle für Microsoft

Google und Bing sind bald keine Angelegenheit fürs dunkle Wohnzimmer mehr (Symboltext zu Symbolbild): Soziale und semantische Elemente werden für Suchmaschinen immer wichtiger.

(Foto: dpa)

Es war lange Zeit ruhig, viel zu ruhig auf dem Suchmaschinen-Markt: Google hat sein Produkt nach und nach weiterentwickelt, was meist panische SEO-Fritzen, selten aber die Nutzer merkten. Während Yahoo komplett aufgab, versuchte Microsoft mehr oder weniger, die Google-Suche mit besserem Design zu imitieren. Dazu kamen noch kleinere Konkurrenten, die entweder zu verkopft (Wolfram Alpha) oder zu unbekannt (Duckduckgo) waren.

Nun tut sich etwas, genauer gesagt erhält die Suche zwei neue Elemente. Bereits vor einiger Zeit kündigte Google an, mit "Search, plus your World" die Ergebnisse aus Google Plus in die Suche einfließen zu lassen. Die aufflammende Kritik entspricht der Angst, dass Google seine eigenen Produkte in der Suche bevorzugt, doch deutet sich bereits länger an, dass die Suche sozial werden muss, um relevant zu bleiben.

Hier kommt Microsoft ins Spiel, das am Donnerstag eine große Änderung bei Bing ankündigte. Neben einer separaten Darstellung von Rezensionen oder Karten in einer neuen Spalte steht hier ebenfalls das Soziale im Mittelpunkt: Ein Eingabefeld für Twitter und Facebook erlaubt es Nutzern der Bing-Suche, direkt auf der Seite Anfragen direkt an Freunde zu stellen und gleichzeitig sehen, wer im Online-Freundeskreis oder offenem Web als Fachmann für ein bestimmtes Thema gilt.

Die Lücke: Wer kann mir antworten?

Damit nutzt Microsoft nicht nur den exklusiven Zugang zu Twitter- und öffentlichen Facebook-Updates, sondern beginnt meiner Meinung nach eine Lücke zu schließen: die fehlende Möglichkeit, von Nutzern jenseits seiner Kontaktkreise wertvolle Informationen zu erhalten.

Facebook bietet zwar Fragen an, aber "Facebook Questions" ist trotz API so undurchschaubar, dass es keine Rolle spielt. Quora hat sich in technologienahen Feldern bewährt, bleibt aber unübersichtlich und ohne großen Einfluss. Auch für Twitter gibt es keine Sammelseite oder einheitliches Hashtag (#asktwitter oder #followerpower werden gerne verwendet). Die Bündelung in einer Suchmaschine kann deshalb durchaus sinnvoll sein - allerdings stellt sich die Frage, ob der Bing-Umweg wirklich praktikabel ist.

In eine andere Richtung geht das, was Google gerade ausprobiert. Die semantische Suche ist inzwischen ein Forschungsfeld für sich, nun baut auch der Marktführer offenbar auf Verknüpfung von Informationen, die weit über Schlüsselwörter hinausgehen. Ein Screenshot bei Engadget zeigt, wie so etwas aussehen könnte: Wer nach einer bekannten Person sucht, erhält auf der rechten Seite eine Art Kurzbiographie und weitere Schlagworte, nach denen im Zusammenhang mit dieser Person gesucht wurden.

Diese Form der Informationsdarstellung ist nicht neu: Bei Wolfram Alpha finden sich solche Rahmendaten zu fast jeder Suchanfrage. Wer hier nach dem Begriff "Deutschland" sucht, erhält beispielsweise Name, Flagge, Karte, Statistiken und Nachbarländer.

Mehr Informationen, längere Verweildauer

Die zusätzlichen Schlagworte ergänzen die bisherigen "verwandten Suchbegriffe", die quasi alle Suchmaschinen anbieten (Google in Form von Instant Search). Die semantisch gefilterten Schlagworte sind relevanter, da hier nicht die pure Masse, sondern auch ein gewisses Kontextwissen einfließt. Duckduckgo schafft es hier bereits heute, zumindest im englischsprachigen Bereich sinnvolle Begriffe anzubieten.

Wenn die Suche der Zukunft sozial und semantisch ist, wie sieht dann die Kombination aus beidem aus? Im Idealfall kann ich eine Frage stellen (so wie es schon bei Google rudimentär möglich ist, siehe das Suchergebnis auf "what is 2+2?") und erhalte darauf eine Antwort mit Kontext, Hintergrundinformationen und Hinweisen auf Nutzer, die zu diesem Thema etwas zu sagen haben, diese Frage bereits beantwortet haben oder sogar gerade Zeit haben, dies zu tun.

Wenn es für Suchmaschinen darum geht, immer mehr Informationen auf der eigenen Seite zu liefern (und damit die Verweildauer zu steigern), stellt sich zwangsläufig die Frage nach den Grenzen der Darstellung. Der Google-Screenshot und die dreispaltige Bing-Suche zeigen, dass die reguläre Suchmaschinen-Oberfläche nur wenig Platz für Kontext-Informationen bietet.

Womöglich steht also die nächste bereits die nächste Evolutionsstufe bevor. Die jetzigen Oberflächen könnten dann bald wie internetfähigee Nokia-Handys aus dem Jahr 2006 im Vergleich zu Touchscreen-Smartphones von heute aussehen.

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