Neuer Tablet-PC von Amazon:Angriff mit Berechnung

Amazon fordert Apple heraus. Der Internethändler bringt am Mittwoch ein neues Tablet auf den Markt und will eine Menge Geld damit verdienen - auch wenn es nur einen Spottpreis kosten soll.

Varinia Bernau

Der angebissene Apfel ist allgegenwärtig: Anderthalb Jahre ist es her, dass Apple das erste iPad in die Läden gebracht hat, einen flachen, per Fingerstreich zu bedienenden Computer. Mehrere Rivalen haben seither zur Aufholjagd angesetzt, doch Apple hält sie alle auf Abstand. In Europa etwa prangt noch immer auf acht von zehn verkauften Tablets das Logo von Apple. An diesem Mittwoch schickt sich nun wieder einer an, Apples Siegeszug zu stoppen: Das Online-Warenhaus Amazon wird einen Tabletcomputer vorstellen. Es könnte für Apple der ärgste Rivale werden.

Der 1994 gegründete Internetpionier gibt sich zwar noch schmallippig. Dafür ist das Geraune unter Analysten und Technikfreaks umso vielsagender. Der Tenor: Amazon kann es mit Apple aufnehmen. Das für gewöhnlich gut informierte Technologieblog Techcrunch berichtet, dass Amazon sein Gerät zu einem Preis von 250 Dollar in die Läden bringen werde. Das Tablet wäre damit nur etwa halb so teuer wie Apples günstigstes iPad-Modell.

Niedrige Preise

Verbraucher dürfte das freuen, die Aktionäre von Amazon weniger, gibt Analyst Colin Gillis zu bedenken. Amazon neige dazu, Preise niedrig anzusetzen, um Begierde zu wecken - selbst wenn am Ende weniger in der Kasse bleibt.

Allerdings könnte das für sein virtuelles Kaufhaus bekannte Unternehmen das Geld an anderer Stelle reinholen: Das neue Gerät wird auch eine Schnittstelle zu Amazons digitalem Laden für Bücher, Filme und Musik haben - zu Unterhaltung also. Alles das, was auf den Tablets in erster Linie abgespult wird.

Das neue Gerät, so berichtet Techcrunch, laufe zwar auf Basis des von Google entwickelten Betriebssystems Android. Allerdings handele es sich um eine vom aktuellen Entwicklungsprozess abgenabelte Version, an der Amazon auf eigene Faust weitergearbeitet habe. Google-Dienste seien bei einem Testgerät nirgendwo zu sehen gewesen, Apps, kleine Zusatzprogramme, könne man sich zum Beispiel nur von Amazons eigener Plattform herunterladen.

Farbiger Bildschirm

Mit dem Kindle, einem Lesegerät für digitalisierte Bücher, hat Amazon bereits gezeigt, dass das Unternehmen Verluste bei seinen Geräten durch den Verkauf von Büchern und Zeitschriften auszugleichen versteht. "Das neue Gerät ist ein Marketingwerkzeug, um eine Beziehung zu den Kunden zu schaffen und die eigenen Dienste anzubieten", sagt der Marktforscher James McQuiveay vom Umfrageinstitut Forrester.

Für das Tablet, das anders als der schwarz-weiße Kindle über einen farbigen Bildschirm verfügt, habe Amazon zudem große Magazin-Verlage wie etwa Condé Nast und Hearst gewonnen und könne auch Filme und Sendungen der US-Senderkette Fox zeigen, berichtet das Blog All Things Digital.

Nach Einschätzung des Analysten Colin Sebastian könnte Amazon im Laufe des ersten Jahres drei Millionen seiner Tablets verkaufen. Zum Vergleich: Von Apples iPads gingen inzwischen 29 Millionen Geräte über die Ladentische. Und der Platzhirsch verteidigt diesen Vorsprung mit allen Mitteln: Den Rivalen Samsung hat Apple mit einer Reihe von Patentklagen überzogen.

Zwar ließen die Koreaner nun wissen, dass sie an ihren Absatzprognosen für Tablets festhalten. Aber Marktbeobachter bezweifeln dies - zumal einige Gerichte bereits einen vorläufigen Verkaufsstopp für die Geräte von Samsung verhängt haben.

Etwas anderes könnte noch schwerer wiegen: Samsung verlässt sich bei seinen Tablets vollständig auf das Google-Betriebssystem Android. Das spart zwar einiges an Aufwand und Kosten. Dafür können die Koreaner aber auch nur begrenzt beeinflussen, wie Android weiterentwickelt wird. Und an den vielen Zusatzprogrammen auf der Plattform verdient vor allem Google, nicht Samsung.

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