Süddeutsche Zeitung

Neue Website:Miet-Rentner aus dem Internet

Auf der Website www.rentarentner.de bieten ältere Menschen Dienstleistungen an - wie Autos reparieren, Firmengründer unterstützen oder sie erklären, wie man sein Geld richtig anlegt. Ein Geschäft mit Zukunft?

Sophie Crocoll

Herr Seibold vermietet sich. 40 Jahre hat er als Banker gearbeitet und sich dann selbständig gemacht; er berät Menschen, die Geld anlegen wollen. Und Rolf Seibold denkt, mit 61, darüber nach, wie es wird, wenn er in Rente geht. Er glaubt, dass Menschen dann vieles fehlt: den Tag zu strukturieren, sich geistig anzustrengen, gefragt zu sein.

Deshalb hat er sich im Internet auf einer Seite angemeldet, die Rent-a-Rentner heißt, miete einen Rentner. Menschen, die älter als 50 sind, bieten dort an, das Auto zu reparieren, Blockflötenunterricht oder Mathe-Nachhilfe zu geben, Firmengründer zu unterstützen oder - wie Rolf Seibold - Menschen zu erklären, wie sie ihr Geld anlegen können. Und sie, wenn sie wollen, dann auch zum Bankberater zu begleiten.

Vor zwei Monaten ist die Internetseite gestartet, inzwischen haben sich über 1000 Menschen angemeldet, bislang vor allem in großen Städten, fast die Hälfte sind Rentner und Leute, die es bald werden, der Rest interessiert sich dafür, sie zu mieten. Mit dem Arbeitsmarkt für Rentner spricht die Internetseite eine Gruppe an, die größer wird: Ende 2011 hatten gut 154 000 Menschen im Rentenalter eine sozialversicherungspflichtige Stelle - doppelt so viele wie Ende 1999.

Anzahl der Ruheständler steigt

In den vergangenen zwölf Jahren ist außerdem die Anzahl der Ruheständler, die mit einem Job bis zu 400 Euro im Monat verdienen, um fast 60 Prozent auf etwa 761 000 gestiegen. 120 000 von ihnen waren 75 Jahre oder älter. Ob sie arbeiten wollen oder müssen, das sagt die Statistik allerdings nicht.

Die Idee, Rentner zu vermieten, hatte Lutz Nocinski während der Weihnachtstage. Bevor er seine Familie besuchte, hatte er mit einer Freundin gesprochen - auch über die Eltern und darüber, dass sie trotz Rente das Berufsleben nicht richtig hinter sich lassen konnten.

Als er dann einen Namen für die Idee gefunden hatte und die Internetseite rentarentner.de registrieren wollte, stellte Nocinski fest, dass sie schon vergeben war - an Jonas Reese. Nocinski fragte bei Meldeämtern nach, um dessen Adresse herauszufinden, schickte ihm eine Urlaubspostkarte aus der Schweiz und bot ihm an, die Adresse abzukaufen. Die beiden schlossen sich zusammen und entwickelten die Seite.

Noch arbeiten die Gründer in ihren bisherigen Berufen, Nocinski, 45, ist IT-Berater, Reese, 33, Journalist. Mit Rent-a-Rentner verdienen sie bislang kein Geld, es ist umsonst, sich auf der Seite anzumelden. "Natürlich brauchen wir da eine Perspektive, Sponsoren, Werbung oder zusätzliche Dienste, die etwas kosten, könnten Einnahmen bringen", sagt Nocinski. Sie bereiteten sich auch darauf vor, einen Investor zu suchen. Die Entwicklung der Seite haben die Gründer selbst bezahlt.

Den beiden hilft, dass immer mehr Rentner das Internet nutzen. 60,4 Prozent der Menschen zwischen 60 und 69 bewegen sich im Netz, etwa drei Prozent mehr als im vergangenen Jahr, so eine Studie von TNS Infratest. Die Gruppe der Über-70-Jährigen wuchs mit 3,6 Prozent sogar am stärksten - allerdings surft in diesem Alter noch nicht mal ein Drittel der Deutschen.

Rolf Seibold hat sich, wie er sagt, gleich an dem Tag angemeldet, als Rent-a-Rentner online ging. Einige Anfragen hat er bereits per E-Mail bekommen, von Leuten in seinem Alter und älter, die von ihm wissen wollen, wie sie als Rentner ihr Geld am besten anlegen. Antwortet Seibold ebenfalls mit einer kurzen Mail, berechnet er dafür nichts. Bei einem Treffen verlangt er ein Honorar. Wie viel, sagt er, hänge davon ab, was der Mieter wünscht - und wie weit er zu ihm fahren müsse.

Seibold will etwas zu tun haben, wenn er in Rente geht, und er will, dass sein Wissen anderen nützt. Die Auftraggeber will er über die Internetseite finden. Seibold will sich aber auch selbst auf die Suche nach einem Rentner machen. Der soll dann für seine Eltern, die über 80 sind, die Gartenarbeit erledigen.

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Quelle:
SZ vom 10.10.2012/mri
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