Neue Spiele auf der Gamescom:"Orks wollen einfach nur ganze Landstriche überrennen"

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Erstmals in der "Total War"-Serie befehligt man in "Warhammer" nicht nur Menschen, sondern auch Orks, Drachen, Trollen, Riesen und andere Fantasy-Ungetüme. (Foto: Creative Assembly)

In "Warhammer" kämpfen Orks mit Drachen und Trollen, "Lego-Dimensions" bringt Klötzchen-Batmans und Zelda entdeckt den Multiplayer-Modus: Eindrücke von der Gamescom 2015.

Von Matthias Huber, Köln

Mehr als 330 000 Besucher, eine Fläche von fast 22 Fußballfeldern und 700 Aussteller: Die Gamescom, die vom 5. bis 9. August in Köln stattfindet, ist die größte Computerspielmesse der Welt. Wir stellen die interessantesten neuen Spiele vor.

Total War: Warhammer

Man stelle sich das mal vor: Ein Ork, eine grünhäutiger Fantasygestalt mit Wildschweinhauern, einer Irokesenfrisur und einer mächtigen Steinaxt an der Seite sitzt an einem Schreibtisch. Er rückt sich die Brille auf der Nase zurecht, schlägt ein Buch auf, greift zum Federkiel und beginnt, Nummern in Tabellen einzutragen. "Orks haben kein Interesse daran, Steuereinnahmen zu verwalten", sagt Al Bickham, Marketing Manager von Creative Assembly, einem Entwicklerstudio, das gerade an "Total War: Warhammer" arbeitet. "Sie wollen einfach nur eine gewaltige Armee aufbauen und ganze Landstriche überrennen."

Er trifft damit den Kern dessen, worin sich "Warhammer" von den anderen Titeln der überaus erfolgreichen Strategiespiel-Reihe "Total War" unterscheidet. Diese Spiele bestehen alle aus zwei Hauptelementen: Einmal gilt es, das eigene Imperium zu verwalten - mit diplomatischem und verwalterischem Geschick über das Schicksal der Bürger bestimmen; sorgfältig abwägen, wann man es sich leisten kann, eine Grenze ein paar Kilometer zu verschieben; geeignete Orte für die Gründung neuer Städte zu finden oder sich dafür entscheiden, mit bestimmten Nachbarn trotz des martialischen Spieletitels lieber keinen Krieg anzufangen.

Und dann gibt es da die Schlachten: In Spielen wie "Total War: Shogun", "Total War: Rome" oder "Total War: Empires" befehligt der Spieler verschiedene, historisch möglichst akkurat nachgebaute Truppentypen. Von Rittern und Legionären über Samurai und Bogenschützen bis hin zu Musketieren und Renaissance-Artillerie. Die "Total-War"-Spiele gelten als die besten, was die Anforderungen an das taktische Geschick des Spielers angeht. Und jetzt in "Warhammer", dem ersten Fantasy-Spiel der Reihe, muss der sich auch mit Zaubersprüchen, Riesenspinnen, Trollen und Monstern beweisen.

Das stellt besondere Herausforderungen an das Balancing, also den Anspruch, dass kein bestimmter Einheitentyp zu mächtig wird und die Fußsoldaten überflüssig macht. "Wir haben jetzt viel mehr Werkzeuge in der Werkzeugkiste", sagt auch Andrew Hall, leitender Autor des Spiels. "Es gibt ja nicht nur diese mächtigen Zaubersprüche wie Meteoritenregen oder Eisstürme, sondern auch fliegende Monster wie Drachen und Greifen." Hall hat vorher 15 Jahre bei Games Workshop gearbeitet, dem Verlag, der das analoge Miniaturenspiel "Warhammer" herausbringt.

Der Vorteil, das wird schon nach der Vorführung einer kurzen Schlachtsequenz klar: Die bisher nur auf historische Stoffe spezialisierten Entwickler haben endlich Gelegenheit, sich auszutoben. Sie lassen Goblins - eine Art Mini-Orks - auf Riesenspinnen heranreiten und durch eine Truppe menschliche Schwertträger pflügen. Von einem Katapult wird ein mit einem vorzeitlichen Wingsuit ausgerüsteter Goblin in eine andere Truppenansammlung geschossen, um deren Formation durcheinander zu bringen. An anderer Stelle auf dem Schlachtfeld greift sich ein bierbäuchiger Riese einen einzelnen Soldaten aus der Menge und beißt ihn genüsslich in zwei Hälften - nichtsahnend, dass ein Zauberer bereits einen todbringenden Feuerstrahl vorbereitet und wenige Momente später den Riesen damit zu Fall bringen wird.

Bleibt nur noch die Sache mit den Orks und den Steuern: "Bisher war es für den Verwaltungsteil relativ egal, welche Seite des Konflikts der Spieler steuerte", sagt Bickham. "In 'Warhammer' erfordert aber jede der vier verschiedenen Spezies - ob Menschen, Orks oder andere Ungetüme - auch in diesem Teil des Spiels völlig andere Strategien vom Spieler."

Mighty No. 9

Wer kennt noch Mega Man? Den kindlich dreinblickenden Roboter mit Helm und Kanone anstelle einer rechten Hand? In den 90er Jahren gab es den Jump-and-Run-Helden auf jeder erdenklichen Konsole, die Spiele genossen einen ausgezeichneten Ruf - auch weil sie die Zocker mit einem beachtlichen Schwierigkeitsgrad herausforderten. 2013 startete Mega-Man-Schöpfer Keiji Inafune auf Kickstarter eine Kampagne für einen innoffiziellen Nachfolger des beliebten Roboters. Erlös: 3,8 Millionen Dollar. Der Name: "Mighty No. 9".

Jetzt, kurz vor der Fertigstellung, sieht "Mighty No. 9" aus wie eine Lehrstunde über Retro-Game-Design. "Mega Man" war immer ein recht langsames Spiel, die Gegner waren gefährlich, man musste etwas Distanz wahren und sich sehr vorsichtig durch die Level bewegen. "Mighty No. 9" ist dagegen ein flottes Spiel. Wichtiger noch als die Schusswaffe des Roboters ist ein kurzer Vorwärtssprint, mit dem er angeschlagenen Gegnern quasi im Vorbeisausen den Rest geben kann. Dieser kleine Trick bringt ordentlich Tempo in das angestaubte Jump-and-Run-Konzept: Der Spieler kann damit auch Abgründe überwinden, Gegner besiegen, die sonst kaum erreichbar wären, Gegenstände einsammeln. Einige Gegner, darunter auch die Bosse, sind überhaupt nur so besiegbar.

Wer "Mighty No. 9" also so spielt wie einst "Mega Man", wird nicht allzuweit kommen. Der Unterschied ist ähnlich wie zwischen "Dark Souls" und "Bloodborne": Vorsicht ist immer noch nötig, aber der Zwang zu beherzten Attacken mit sorgfältig abgewogenem Risiko hält den Spieler auf Trab und gibt dem Spiel einen gehörigen Schuss Dynamik. Ob sich dieses Tempo aber über das ganze Spiel trägt, wird erst das fertige Produkt zeigen, das Anfang 2016 auf den Markt kommen soll.

Lego Dimensions

Batman fliegt in der Tardis von Doctor Who über giftige Blumenwiesen des Zauberers von Oz, "Portal"-Heldin Chell braust lieber im DeLorean aus "Zurück in die Zukunft" mittendurch. Klingt nach einer Nerd- oder Kinderzimmer-Fantasie? Ist es auch. In "Lego Dimensions" wird die Idee von strenger Franchise-Trennung konsequent über Bord geworfen, hier darf Doctor Who aus der gleichnamigen britischen Fernsehserie auch mal Scooby Doo den Hundepopo retten, während Batman den Maschinengewehrsalven der tödlich niedlichen "Portal"-Geschütztürme ausweicht. Und all das in Klötzchen-Optik, voll mit Rätseln, Puzzles und Lego-Bau-Aufgaben.

"Lego Dimensions" ist der überfällige Brückenschlag zwischen der Lego-Computerspielreihe und den kleinen bunten Plastiksteinchen, mit denen wir alle aufgewachsen sind. Von Nintendo gibt es bereits die "Amiibos", von Activision die "Skylanders" und von Disney "Infinty" - Plastikfiguren zum Sammeln, in deren Sockel ein NFC-Chip versteckt ist. Mit einem speziellen Lesegerät, auf das der Spieler dann die jeweilige Figur stellt, lassen sich digitale Zusatzinhalte für die jeweiligen Computerspiele freischalten: Neue Helden, neue Waffen, neue Level. Und jetzt macht auch der Plastikspielzeug-Riese aus Dänemark bei dem lukrativen Geschäftsmodell mit.

Mit einem Unterschied: Bei "Lego Dimensions" sind die realen Klötzchen nicht nur Verkaufsstrategie, sondern auch Teil des digitalen Spielkonzepts. Das Lesegerät besteht aus sieben Sockeln, die in unterschiedlichen Farben leuchten. Immer wieder muss der Spieler digitale Rätsel auch dadurch lösen, dass er die Figuren auf den verschiedenen Sockeln anders anordnet oder die Figuren auf bestimmten Sockeln bestimmten Aufgaben im Spiel zuordnet. In den ersten Spielminuten ist es allerdings ziemlich verwirrend, den Blick ständig zwischen Bildschirm und Lesegerät hin und her schweifen zu lassen, aber das dürfte sich mit etwas Gewöhnungszeit von selbst erledigen.

Besonders charmant ist "Lego Dimensions" dann, wenn der Spieler auch real Steinchen auf Steinchen schichten muss, um im Computerspiel weiterzukommen: Wenn er Fahrzeuge wie beispielsweise das Batmobil verbessern will, erscheint auf dem Bildschirm eine Lego-Bauanleitung. Dann zerlegt er das Plastik-Batmobil in seine Einzelteile und baut es nach der Anleitung zu einem anderen Fahrzeug zusammen. Anschließend wird der neue Look des Gefährts auf dem Chip gespeichert. Beim nächsten Einsatz erscheint dann nicht mehr das Batmobil auf dem Bildschirm, sondern der Bat-Blaster.

Zelda Triforce Heroes

"Spring doch! Nein, nicht werfen!" - "Aber du hast uns in die falsche Richtung gedreht!" - "Äh, Leute, ich habe keine Pfeile mehr, wir müssen tauschen." - "OK, dann geh ich jetzt hoch." - "Falsche Richtung!" - "Da hinten gibt es den Schlüssel." - "Nicht allein, der hängt zu hoch!"... Chaos. Verwirrung. Und schon nach wenigen Minuten Ausprobieren die Überzeugung: Mit den richtigen Leuten wird "Zelda Triforce Heroes" verdammt viel Spaß machen. Aber was ist eigentlich genau passiert, dass meine Spielpartner und ich so aneinander vorbeigeredet haben?

"Zelda Triforce Heroes" erscheint für den Nintendo DS, die Handheld-Spielkonsole von Nintendo. Und "Triforce Heroes" ist - soweit bisher bekannt - ein Multiplayer-Spiel. Drei Helden kriechen gemeinsam durch die typischen Zelda-Verliese und -Höhlen und lösen typische Zelda-Rätsel. Die plötzlich ganz schön knifflig werden, wenn dafür drei Menschen koordiniert vorgehen müssen. So sind Gegner und Gegenstände nicht alle vom Boden erreichbar, sondern hängen oder schweben auch mal in ein bis zwei Mannshöhen in der Luft. Um sie zu schlagen, beschießen oder einsammeln zu können müssen sich die Spielfiguren auf die Schulter nehmen.

Der Spaß daran: So verschmelzen drei Figuren plötzlich zu einer. Der Spieler der untersten steuert quasi die Füße, bestimmt Bewegung und Blick- bzw. Schussrichtung, während der oberste im richtigen Moment das Schwert schwingt oder den Bogen abfeuert. Dazu noch ein Spießrutenlauf aus Gegnern, Fallen und allerlei herumfliegenden Geschossen, und das Chaos ist kaum noch aufzuhalten. Stirbt eine Figur, sterben alle, alles ist Teamwork.

Nur wie gesagt: Der Spaß bei solch kooperativen Spielen hängt zu einem großen Teil an den Mitspielern. Schon der Multiplayer-Shooter "Evolve" hat einige Spieler nach kurzer Zeit verschreckt, weil sie einfach keine Lust mehr darauf hatten, online nach passenden Kameraden zu suchen. Das kann auch für "Zelda Triforce Heroes" zum Problem werden. Nicht aber, wenn sich drei Freunde mit jeweils eigenem DS treffen. "Und jetzt da lang!" - "Nein, andere Richtung!" - "Lass mich nach unten, das wird so nix!"

Horizon Zero Dawn

Man könnte das Ungetüm für einen Dinosaurier aus "Jurassic World" halten. Eine Urzeitechse aus Stahl, mit Panzerplatten statt Schuppen, Hydraulik statt Muskeln, Feuerwaffen statt Klauen. Nach dem Ende der menschlichen Zivilisation, so erzählt es der Trailer von "Horizon Zero Dawn", einem kommenden Spiel für die Playstation 4, hat sich die Natur den Planeten zurückerobert. Und es entstand "neues Leben". Nur, dass dieses Leben nicht aus Fleisch und Blut besteht, sondern aus Eisen und Öl. Wie wilde Tiere bevölkern allerlei Arten von Maschinen die überwucherten Ruinen ehemaliger Städte: Straußenähnliche Roboter grasen auf den Steppen und tragen auf ihrem Rücken gläserne Container mit einer grünschimmernden Flüssigkeit - eine "wichtige Ressource für den Spieler", wie einer der Programmierer erklärt.

Der Spieler schlüpft in die Rolle einer menschlichen Stammeskriegerin, einer jungen Frau im modischen Steinzeit-Pelz-Outfit, bewaffnet mit einem futuristisch anmutenden Bogen samt elektrischer oder explodierender Pfeile. Sie benötigt die mysteriöse Flüssigkeit für irgendwas, pirscht sich an die Straußen-Bots heran, kriecht durch das hohe Gras, bis sie in Schussreichweite ist. Da brechen zwei gewaltige Maschinen durch die Bäume: "Das sind die Thunderclaws", nennt der Entwickler die Tyrannosaurus-ähnlichen Blechmonster. "Da sollte man lieber noch in Deckung bleiben."

Als schließlich doch ein Pfeilschuss fällt und einen der Glascontainer abschießt, flieht die aufgeschreckte Herde der grasenden Roboter - direkt auf die Thunderclaws zu, schutzsuchend. Es hilft nichts: Mit Hechtsprüngen und Rollen weicht man einer Raketensalve aus, duckt sich unter einem Schwanzhieb des stählernen Tyrannosaurus weg und trennt schließlich mit einem gezielten Pfeilschuss den Raketenwerfer vom Körper des Ungetüms. David gegen Goliath, Mensch gegen Maschine, irgendwo zwischen Terminator und Techno-Darwinismus.

"Horizon Zero Dawn" sieht in dieser ersten Spielsequenz großartig aus: Der Kampf erscheint dynamisch und reich an strategischen Möglichkeiten, die Maschinentiere wirken trotz ihres chromglänzenden Äußeren dynamisch und die offene Spielwelt lädt mit ihren schneebedeckten Gipfeln und überwucherten Hochhausruinen am Horizont zum Erkunden ein. Aber: Auch das beste Action-Rollenspiel unterhält nicht über zig Spielstunden, wenn die Abwechslung fehlt. "Andere Spiele variieren die ganze Zeit nur einen Gegnertyp, das Problem ist uns bewusst", verspricht der Programmierer. "Wie viele verschiedene wir haben werden, können wir noch nicht verraten." Nicht einmal ungefähr, ob es eher fünf oder eher fünfzig sein werden. Nach dem Wenigen, was bisher von "Horizon Zero Dawn" bekannt ist, kann diese Zahl für die Qualität des Spiels entscheidend sein. "Es werden genug sein. Versprochen", sagt der Programmierer.

Eine Milchmädchenrechnung: Die Gamescom-Besucherzahlen

Die Gamescom ist die größte Computerspielemesse der Welt. Zwar ist die E3 in Los Angeles für die Branche noch bedeutender, aber nirgendwo auf der Welt kommen so viele Menschen zusammen, um sich über Games auszutauschen. 335 000 Besucher vermeldete die Messe im vergangenen Jahr, die etwa 700 Aussteller teilten sich eine Fläche von 140 000 Quadratmetern. Dieses Jahr werden noch mehr Besucher erwartet. Möglich wird das, indem die Gamescom in einer zusätzlichen Messehalle stattfindet - jetzt auf insgesamt 156 000 Quadratmetern.

Aber wie kann man sich diesen Besucherandrang vorstellen? Rechnen wir mal grob nach: Für die Gamescom sind jährlich etwa 40 000 Fachbesucher - Aussteller, Presse, Firmenvertreter, usw. - akkreditiert. Sie sind die einzigen, die schon am Mittwoch das Messegelände betreten dürfen. Für das Publikum, das Eintrittspreise um 20 Euro pro Tag bezahlt, öffnen sich die Tore von Donnerstag bis Sonntag. Also vier Tage, an denen insgesamt etwa 300 000 zahlende Besucher kamen. Runden wir auf 320 000 auf, sind wir bei 80 000 pro Tag, das dürfte nach der Vergrößerung des Messegeländes für 2015 realistisch sein

Dazu die Fachbesucher, von denen die meisten mehrere Tage auf der Messe verbringen: Ab Donnerstag sind also täglich 100 000 bis 120 000 Menschen auf dem Messegelände. Sie treiben sich auf 156 000 Quadratmetern herum, nicht einmal eineinhalb Quadratmeter pro Mensch. Wenn da nicht noch die unzähligen Stände wären, die aufwendigen Dekorationen, die großzügig dimensionierten Bühnen mit riesenhaften Bildschirmen, die tausenden Computer- oder Spielkonsolen-Stationen oder die lebensgroße Nachbildung eines Star-Wars-Raumschiffs. Auch wenn sich ein Teil des Besucherstroms auf die Gänge zwischen den Messehallen verstreut: Ab Donnerstag ist die Gamescom randvoll.

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