Neue Smartphones auf dem Mobile World Congress:Ein Gerät für alles

Opening Day Of Mobile World Congress 2015

Braucht das neue Galaxy S6: die Samsung Gear VR

(Foto: Pau Barrena/Bloomberg)

VR-Brillenhalter, Navigationshilfe, Kommandozentrale: Die Hersteller haben immer neue Ideen, was noch alles an Funktionen in Smartphones gepackt werden könnte. Der Konkurrenzkampf wird härter.

Von Helmut Martin-Jung, Barcelona

Die Präsentation am Stand von Microsoft ist in vollem Gange, da brüllt gleich nebenan die Lautsprecheranlage los mit Motivationsmusik. Absicht oder nicht: Es hat symbolhaften Charakter, wenn die Konkurrenz hier auf dem weltweit wichtigsten Treffen der Mobilfunkbranche, dem Mobile World Congress in Barcelona, lautstark zeigt, dass sie nicht weit weg ist. Oder eigentlich doch: Denn dort, wo viele Anbieter sind, Samsung etwa, Lenovo oder Huawei und viele andere, da wäre Microsoft gerne.

Doch an der neuen Betriebssoftware wird noch geschraubt, deren Kern auf allen Arten von Computern - vom Handy über Tablets und Spielekonsolen bis hin zu Riesenbildschirmen - laufen soll. Und ein neues Spitzenhandy, das mit iPhones mithalten könnte oder mit den neuesten Geräten von Samsung oder HTC, will Microsoft erst mit dem neuen System bringen. "Irgendwann dieses Jahr", heißt es dazu nur von Stephen Elop, Microsofts Chef der Handysparte.

Doch klar ist: Jeder Monat, der vergeht und in dem der größte Software-Konzern der Welt seinen kleinen Marktanteil bei Handys - weltweit unter drei Prozent - nicht substanziell steigern kann, macht das Unterfangen schwieriger. Wie schwierig der Markt für Mobilgeräte ist, das musste zuletzt auch Branchenprimus Samsung erfahren. Weltweit verkaufte sich das Spitzen-Smartphone des Vorjahres, das Galaxy S5, viel schlechter als erwartet. Beim Nachfolger, dem S6, hat der koreanische Konzern versucht, die Kritik am S5 aufzunehmen und hat sehr viel Wert aufs Design gelegt - für manche sogar zu viel. Denn erstmals verzichtete Samsung darauf, dass man den Akku wechseln kann und auch zusätzlichen Speicher kann man nicht nachrüsten.

Teuerste Variante für 1049 Euro

Stattdessen bietet Samsung drei verschiedene Speichergrößen an und verlangt für die nächste Stufe 100 Euro mehr - genauso viel wie Apple. Das günstigste S6 mit 32 Gigabyte Speicher wird mit 699 Euro starten, für die Version mit 128 Gigabyte werden 899 Euro fällig. Das ist saftig, aber noch nicht das Ende. Denn vom S6 gibt es auch eine Variante mit einem Bildschirm, dessen Längsseiten sich nach hinten hin zum Gehäuse wölben. Die teuerste Variante kostet 1049 Euro.

Und was bringt die Wölbung? Zum einen kann man sich einige Informationen anzeigen lassen, wenn man wie an Aladins Wunderlampe seitlich am Display reibt - was auch Samsung-Mitarbeitern nicht immer auf Anhieb gelang. Zum anderen lassen sich Kontakten unterschiedliche Farben zuordnen. Ruft einer davon an und das Handy liegt auf dem Display, erkennt man an der Farbe des Bildschirms, wer anruft.

"76 Prozent aller Nutzer in Europa und den USA finden es unhöflich, wenn man in bestimmten Situationen Gespräche annimmt", sagt Lysa Clavenna, die bei Samsung solche weichen Faktoren erforscht. "Manchmal will man seinem Gegenüber eben auch die volle Aufmerksamkeit widmen." Beim S6 Edge, so heißt das Handy mit dem abgerundeten Bildschirm, legt man dann den Finger auf einen Sensor an der Rückseite, wodurch eine Nachricht an den Anrufer gesendet wird, Motto: "Kann gerade nicht rangehen".

Brauchen die Nutzer wirklich Technik für mehr als 1000 Euro?

Samsung wäre nicht Samsung, würde in den neuen Handys nicht die feinste Technik stecken, die derzeit zu haben ist, von der Kamera bis hin zum Prozessor mit acht Kernen und 64-Bit-Technik. Die Frage ist aber: Brauchen die Nutzer das alles wirklich, sind sie bereit, dafür bis zu 1000 Euro hinzulegen oder würde ein Gerät für 200 und 300 Euro ihre Bedürfnisse nicht ganz genauso abdecken? Und: Werden die neuen Galaxy-Flaggschiffe wie deren Vorgänger ihren Glanz auch auf die billigeren Geräte abstrahlen? Die sogenannten Mini-Versionen der Galaxy-Handys zum Beispiel hatten technisch gesehen wenig mit ihren großen Vorbildern zu tun, profitierten aber von deren Image.

Während Samsung beim Design radikal umschwenkte und Metall und Glas statt Plastik einsetzt, bleibt der taiwanesische Hersteller HTC bei seiner Linie. Das neue One M9 mit seinem Aluminium-Gehäuse, das viele als schönstes Android-Handy loben, unterscheidet sich äußerlich kaum von seinem Vorgänger, dem M8. Nachdem nun auch Samsung wie HTC auf fest verbaute Akkus und Speicherbausteine setzt, ist das Rennen spannender als je zuvor.

Ein Platz für Nischen

Auch das Feld wird immer größer. Von Herstellern wie Gionee haben vermutlich die wenigsten Handynutzer in Deutschland je gehört. Doch lässt man sich die Geräte vorführen, etwa das nur 5,5 Millimeter flache neue Spitzenmodell Elife S7, das für 399 Euro verkauft werden soll, kann man angesichts der guten Ausstattung schon ins Grübeln kommen. Noch zögern viele dieser Hersteller mit dem Sprung nach Europa, Gionee-Handys kann man derzeit nur über einen italienischen Distributor kaufen. Doch sollten sie das ernsthaft in Angriff nehmen, dann wird es noch einmal richtig spannend auf diesem Markt.

Ein Markt, auf dem auch Platz für Nischen ist. So verkauft etwa der pfiffige spanische Hersteller bq ein Smartphone mit einem Betriebssystem auf Basis von Ubuntu-Linux - die Alternative für Nutzer, die nicht von Systemen großer Anbieter wie Apple, Google oder Microsoft abhängig sein wollen, sondern auf ein System setzen, das von einer engagierten Gemeinschaft geschaffen wird und dessen Programmiercode vollständig offen liegt.

Die Ideen, was man alles in Smartphones packen könnte, von Iris-Scanner (Fujitsu) bis zu einem Ultraschall-Modul für 3-D-Fingerabdrücke (Qualcomm) gehen den Herstellern noch lange nicht aus. Und klar ist: Kein Gerät, das der moderne Mensch fast ständig bei sich trägt, vereint eine derartige Vielzahl von Funktionen wie das Smartphone.

Daran dürften auch die smarten Uhren so schnell nichts ändern, von denen auch einige in Barcelona vorgestellt wurden. Derzeit hat man dabei die Wahl zwischen klobig oder funktionsbeschränkt - als Must Have konnte sich bisher noch keine Smartwatch etablieren. Weshalb die Branche gebannt darauf wartet, wie die Apple Watch sich schlagen wird. Am Montag, wenn alle Messeteilnehmer wieder zu Hause sind, fällt der Startschuss.

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