Neue Kommunikations-App "Wire":Nahrung für einen satten Markt

Messaging App Wire Berlin Hannah Beitzer

Die Kurznachrichten-App Wire ist für allen Mobilpattformen konzipiert, aber auch für stationäre Computer.

(Foto: oh)
  • Die neue App Wire soll Kurznachrichten, Telefonate und Gruppenchats ermöglichen, die auf allen mobilen Plattformen funktionieren, aber auch direkt übers Internet und am PC.
  • Zu den Investoren des Start-ups zählt unter anderem Skype-Mitgründer Janus Friis.
  • Die Bedienung der App ist bislang eher für erfahrene Nutzer geeignet.

Von Hannah Beitzer, Berlin

Telefonieren? Geht umsonst über Skype. SMS schreiben? Dafür gibt's Whatsapp oder - für Leute, die mehr Datenschutz wollen - Threema. Und dann ist da ja auch noch Slack, das Programm für Gruppenchats im Büro. Die Liste mit Kommunikationsprogrammen für Smartphones, Tablets und Computer scheint unendlich. Da ist es schon bemerkenswert, dass ausgerechnet Skype-Mitgründer Janus Friis in noch eine neue Kommunikations-App investiert: Sie heißt Wire und kombiniert auf den ersten Blick vor allem Leistungen der bisherigen Programme.

Mit Wire kann man telefonieren, chatten - mit Einzelpersonen und in der Gruppe -, Fotos und Youtube-Videos teilen, und das auf dem Smartphone, dem Tablet oder auf dem Mac. Die Macher der App mit Unternehmenssitz in der Schweiz kommen größtenteils von etablierten Unternehmen wie eben Skype oder Microsoft. Es sind also Leute, die Ahnung von der Branche haben.

Geschäftsführer Jonathan Christensen zum Beispiel hat sechs Jahre als Manager für Skype gearbeitet. Jetzt sitzt er in einem Dachgeschossbüro in Berlin-Mitte, wo etwa 40 Entwickler an Wire arbeiten, und erklärt, wozu die Welt seiner Meinung nach eine weitere Kommunikations-App braucht.

Schwerpunkt Design

Warum also nun ausgerechnet Wire? Zum einen funktioniert die App auf Smartphone, Tablet und PC. "Wenn ich meiner Frau aus Berlin ein Foto vom iPhone schicke, dann soll das auch gut aussehen, wenn sie es in groß auf ihrem Mac öffnet", sagt Christensen. Außerdem ist das Design den Machern wichtig, ebenso eine intuitive Bedienung.

In der Tat besticht Wire vor allem durch die Optik: Der Hintergrund schwarz, nur in feinem Grau tauchen im Chat die Profilbilder der Gesprächspartner auf. Die Schrift ist weiß und viel größer als in anderen Diensten. Da stören keine Fensterchen und Sprechblasen, es gibt einige nette Funktionen, zum Beispiel, dass im Gruppenchat immer das Profilbild desjenigen als Hintergrund erscheint, der zuletzt etwas geschrieben hat. Und man kann mit Wire eben auch telefonieren. Vorwärts kommt man in der App größtenteils durch Wischen. Immer wieder erscheinen große, pinkfarbene Ratgeber-Blasen auf dem Bildschirm, die dem Nutzer sagen, was zu tun ist.

Kritik an der Bedienung

Die lassen einen allerdings manchmal ratlos zurück. Vor allem zu Beginn ist es schwer, sich zurechtzufinden, da wischt man sich leicht mal in Sackgassen. Die Ratgeber-Blasen sind in solchen Momenten zu dürftig beschriftet. "Ich habe die App meinem 13-jährigen Sohn gegeben, der hat sie nach fünf Minuten verstanden und fand sie toll", sagt Christensen - gibt allerdings zu, dass für den durchschnittlichen Nutzer wohl noch ein wenig mehr Erklärungsbedarf besteht. "Wire ist für Leute, die gerne Dinge entdecken, ausprobieren", sagt Christensen. Also in der bisherigen Fassung eher eine App für den Digital Native als für den Familienchat mit Omi in Wuppertal.

Ein weiterer Balanceakt ist das Thema Datenschutz. "Die Privatsphäre unserer Nutzer ist einer unserer wichtigsten Werte", sagt Christensen. "Trotzdem wollten wir, dass die App leicht zu bedienen ist, also nicht allzu geeky." Der Kompromiss sieht dann so aus: Sprachanrufe sind komplett verschlüsselt, also "Ende-zu-Ende". Das heißt: Niemand außer den Gesprächspartnern kann mitlauschen. Anders ist das bei den Textnachrichten und dem Austausch von Dateien. Die werden nur auf dem Weg zum Server und weg vom Server verschlüsselt, sind also für die Betreiber zugänglich.

Experten kritisieren, dass Wire damit den hohen Ansprüchen vieler Nutzer an den Datenschutz nicht gerecht wird. Sogar der vielgerügte Dienst Whatsapp hat inzwischen angefangen, Textnachrichten in der Android-App komplett zu verschlüsseln. Anders als Whatsapp lädt Wire allerdings Daten aus den Telefonbüchern - also E-Mail-Adressen und Telefonnummern - nicht vollständig auf die Server, sondern nur die Hashwerte. Die Adressen werden zerstückelt und anonymisiert. Christensen verspricht außerdem, dass Wire die Daten der Kunden nicht für Werbung auswertet, die es in dem Dienst ohnehin nicht geben soll. Geld soll durch den Kauf zusätzlicher Funktionen hereinkommen. Der Nutzer soll also für eine Premium-Version von Wire zahlen.

Es ist bequemer, dort zu bleiben, wo alle sind

Der größte Knackpunkt ist jedoch ein anderer: Wie möchte Wire die Leute dazu bringen, von Whatsapp zu Wire überzulaufen? "Wir wollen gar nicht so sehr, dass die Leute Whatsapp verlassen", sagt Christensen. "Erst einmal möchten wir, dass sie Wire ausprobieren. Und dann sehen wir, ob es dafür Interesse gibt." Wichtig für den Erfolg eines neuen Dienstes in einem derart satten Markt ist es, etwas zu bieten, das sonst keiner hat. Threema zum Beispiel konnte bei einigen Kritikern der Whatsapp-Datenschutzpolitik mit einer ausgefeilten Verschlüsselung der Nachrichten punkten. Wire versucht sich nun mit einem in der Tat ungewöhnlichen Design und einer Kombination bewährter Funktionen über alle Geräte hinweg von der Konkurrenz abzusetzen.

Wie schwierig es jedoch ist, eine große Anzahl Nutzer für einen neuen, bisher ungewohnten Dienst zu begeistern, musste unter anderem Google Plus erfahren. Der Facebook-Konkurrent schaffte es nicht, sich in nennenswertem Umfang durchzusetzen. Es ist eben für den Durchschnittsnutzer einfach bequemer, dort zu bleiben, wo alle sind und ihre Kontaktdaten bereits ausgetauscht haben, anstatt sich das Adressbuch immer wieder neu zusammenzubasteln. Auch bei Wire müssen sich erst einmal genügend Freunde und Bekannte einfinden, die gemeinsam überhaupt dazu kommen, die vielen Funktionen auszuprobieren. Denn alleine macht ein Gruppenchat ja keinen Spaß.

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