Süddeutsche Zeitung

Neue Handy-Dienste von Apple und Facebook:Mobile Schnäppchen

Tausche billigen Cappuccino gegen private Daten - wie Apple, Facebook und Google potentielle Kunden ködern wollen.

Varinia Bernau

Die Sesamstraße im US-Fernsehen macht sich gerade über die schier endlosen Fähigkeiten der sogenannten Smartphones lustig: die Butter streichen, einen Reifen aufpumpen oder den Hut aufhängen? "Auch dafür gibt's eine App", trällern die Puppen in einem kurzen Film. Eigentlich könnte Mark Zuckerberg mitsingen: eine kostenlose Jeans, einen billigen Cappuccino um die Ecke?

Auch dafür gibt's eine App. Aber natürlich meint der Facebook-Chef ernst, was er in dieser Woche verkündet hat: Der Konzern, der das soziale Netzwerk im Internet betreibt, erweitert seinen Ortungsdienst in den USA um ein Programm für Schnäppchenjäger - und läutet so eine neue Runde im Kampf ums Werbegeschäft im mobilen Internet ein.

Die neuen Alleskönner-Handys verbinden ihre Besitzer von unterwegs mit dem Internet und ermitteln per GPS-Satellit den Standort. Per Tastendruck kann so seit kurzem jeder seinen Facebook-Freunden verraten, in welcher Bar er gerade einen guten Mojito schlürft. Facebook erhält durch diese Handy-Anwendung, App genannt, wertvolle Informationen über die Vorlieben der 200 Millionen Menschen, die den Ortungsdienst übers Handy bislang nutzen, und kann ihnen Angebote von Läden in der Gegend machen. Damit erfüllt sich ein Traum von Marketingstrategen: Werbung, die am richtigen Ort den richtigen Kunden trifft.

Auch die Technologiekonzerne Apple und Google bieten für Smartphones sogenannte standortbasierte Dienste an - und wecken mit ihrer Sammelwut die Sorgen von Datenschützern. In den Nutzungsbedingungen lassen sie teilweise offen, ob sie die Daten, die etwa nötig sind, um auf dem Handy den kürzesten Weg zum nächsten Bankautomaten anzuzeigen, langfristig speichern. Ein Handy, das immer aus einem Nobelviertel Signale sendet, wäre ein gutes Ziel für Werbung von Luxusboutiquen.

Bislang begeistern sich für die Ortungsdienste auf dem Smartphone vor allem männliche Technikfreaks in Großstädten, aber mit Facebooks Schnäppchendienst könnten nun auch andere Nutzer Gefallen daran finden: Neben der Kaffeehauskette Starbucks und dem Fastfood-Laden McDonald's hat Facebook etwa 20 weitere Partner für seinen neuen Dienst gewonnen. GAP hat bereits 10000 kostenlose Jeans versprochen - für diejenigen, die sich schnellstmöglich über Facebook bei der Kleidungskette anmelden. Der Facebook-Dienst lässt sich zudem als eine Art digitale Kundenkarte einsetzen: Wer zehn Cappuccinos kauft, bekommt den elften geschenkt.

Ein ähnliches Konzept in Deutschland verfolgt die E-Plus-Tochter Gettings, die seit kurzem eine mobile Rabattlandkarte fürs Handy anbietet. Und auch das Portal Kaufda, das digitale Angebotsprospekte von 100000 Einzelhändlern wie Obi oder Kaufhof listet, gibt es als kleines Programm fürs Mobiltelefon.

Facebook will zunächst weder seine Nutzer noch die Unternehmen für den mobilen Schnäppchendienst zur Kasse bitten. Aber die Werbeanzeigen auf der Internetseite des sozialen Netzwerks, die sich mit den Sonderangeboten verknüpfen lassen, dürften nun noch wertvoller werden. Und Facebook gibt seinen 500 Millionen registrierten Mitgliedern ein Argument mehr dafür, übers Handy ihre Bedürfnisse und Sehnsüchte zu verraten.

Dies ist von strategischer Bedeutung: Internetkonzerne wie Facebook oder Google finanzieren sich vor allem über Werbung - und suchen emsig nach Möglichkeiten, um das Geschäftsmodell in die Zeit des mobilen Internets zu retten. Je mehr Alleskönner-Handys im Umlauf sind, desto attraktiver sind deren Bildschirme als Werbefläche. Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Price Waterhouse Coopers geht davon aus, dass 2013 weltweit 9,2 Milliarden Dollar mit Handy-Werbung umgesetzt werden. Erst kürzlich verkündete Google, 2010 mit mobiler Werbung die Marke von einer Milliarde Dollar Umsatz zu knacken.

Google hat gegenüber Konkurrenten einen Vorteil: Wie Facebook auf den Seiten seines sozialen Netzwerks kann Google Anzeigen auf seiner Suchmaschinenseite platzieren - auch auf den Bildschirmen der Alleskönner-Handys. Zugleich aber bietet der Konzern sein Betriebssystem Android mehreren Handyherstellern an. Die Analysten des Marktforschungsinstituts Gartner trauen diesem sogar zu, in den kommenden vier Jahren das meistgenutzte System für Smartphones zu werden. Und die Systemanbieter werden an den Werbeeeinnahmen beteiligt.

Konkurrent Apple nutzt bei seinem Alleskönner-Handy i-Phone nicht Googles Betriebssystem, sondern ein eigenes. Doch selbst wenn es Apple gelingt, Googles Siegeszug auf dem Smartphone-Markt aufzuhalten: Der Konzern hat anders als Google und Facebook keine eigene Internetseite, auf der er ohnehin schon Werbebanner verkauft. Deshalb war es ärgerlich für Apple, dass der Firma der Rivale Google Ende 2009 den Handywerbespezialisten Admob vor der Nase wegschnappte - für 750 Millionen Dollar. Apple kaufte sich daraufhin mit Quattro Wireless das notwendige Wissen ein, um Werbebanner und -filme in den Handy-Programmen unterzubringen.

Als Apple kurz darauf seine Werbeplattform i-Ad vorstellte, versicherte der Konzern, bereits Zusagen für Kampagnen im Wert von 60 Millionen Dollar zu haben. Das Marktforschungsinstitut IDC schätzt den US-Markt für mobile Internetwerbung 2010 auf 500 Millionen Dollar. Jeweils ein Fünftel davon geht an Apple und Google. Doch in der Branche geht es schnell zu. Ein Vorsprung währt selten lange. Und Facebook hat sich nun als ernst zu nehmender Rivale in Stellung gebracht.

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Quelle:
SZ vom 06.11.2010
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