Neue Endungen im Internet:Verliebt in .berlin

Idiotischer geht's gar nicht: Das weltweite Netz soll in abgeriegelte Provinzen aufgeteilt werden. Dafür will sich ab jetzt der Bundestag starkmachen. Webseiten finden wird zum Stochern im Nebel.

Helena Kysela, Berlin

Wer die Internetadresse des Hyatt-Hotels in Berlin eingibt, muss lange tippen. Sie lautet www.berlin.grand.hyatt.com. Viel einfacher wäre es wenn es die Adresse www.hyatt.berlin gäbe. Sie existiert nicht, aber das soll sich jetzt ändern. Die Hotel-Kette ist eines von vielen Berliner Unternehmen, die die Initiative "DotBerlin" unterstützen.

Berlin, Reuters

Die Große Koaltion unterstützt die Ausweitung des Adressraums in Internet.

(Foto: Foto: Reuters)

Die Marketinginitiative setzt sich dafür ein, dass von 2009 an das Hyatt und andere Berliner Firmen mit der sogenannten Top-Level-Domain .berlin arbeiten können. Weltweit bewerben sich auch andere Städte und Regionen um so eine regionale Domain, darunter Paris und New York. Zuständig für die Vergabe ist die Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) mit Sitz in der kalifornischen Küstenkleinstadt Marina del Rey. Die ICANN verwaltet und vergibt weltweit die Domains.

DotBerlin hat gestern hochrangige politische Unterstützung für ihr Anliegen erhalten. Der Bundestag hat mit den Stimmen der Großen Koalition beschlossen, dass die Bundesregierung sich bei der ICANN verstärkt für regionale Top-Level-Domains einsetzen soll. Zu sagen hat die Bundesregierung dort zwar nicht viel. Aber jede Unterstützung scheint willkommen.

Ausländische Wunsch-Domain

Fast elf Millionen Domainnamen mit der Endung .de existieren bereits. Da haben es Unternehmen und Organisationen schwer, noch verständliche und vor allem kurze Adressen anzumelden. Auch Domains mit den Endungen .com, .org und .info sind oft schon belegt. Manche beschaffen sich ihre Wunsch-Domain daher im Ausland. Die Stadt Rosenheim findet man tatsächlich auch unter www.rosenheim.ro - .ro ist die Top-Level-Domain von Rumänien. Verschiedene bayerische Internetseiten enden auf .by, eigentlich das Kürzel von Europas einziger Diktatur Weißrussland.

Neue lokale und regionale Top-Level-Domains könnten also eine sinnvolle Ergänzung darstellen. Der Verband der deutschen Internetwirtschaft (eco) unterstützt den Trend. "Man sollte diese Entwicklung nicht verpassen, sie tut niemand weh, kostet nichts und macht vieles einfacher", sagt dessen Geschäftsführer Harald Summa.

Das sehen offenbar auch die Großkoalitionäre im Bundestag so. Sie glauben darüber hinaus, dass neue regionale Endungen die lokale Wirtschaft fördern und dem Aufbau einer lokalen Identität im Internet für Wirtschaft, Kultur, Politik und Bürger diene, wie es im Beschluss des Bundestages heißt. Der übrigens stellenweise aufs Wort einem Positionspapier des eco-Verbands gleicht.

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Verliebt in .berlin

Die Gefahr der Unübersichtlichkeit

Nicht alle Fraktionen sehen das so. Die Linke lehnt den Antrag ab und bezweifelt, ob so eine Ausweitung überhaupt notwendig ist. Die Koalition folge nur einen Trend, sagt die Linke-Abgeordnete Luc Jochimsen. Die Begründung sei eher dünn. Das bestehende System habe sich bewährt. Außerdem werde das Internet so unübersichtlicher und schwäche den Verbraucherschutz. So steigt beispielsweise die Gefahr von Phishing-Angriffen. Jochimsen: "Wir wittern privatwirtschaftliche Interessen."

Die medienpolitische Sprecherin der Grünen, Gretje Bettin, hält die regionalen Endungen für ein Randthema. Es wäre besser, die Bundesregierung kümmere sich stärker um die Verhinderung von Spam-Attacken oder rechtsradikale Inhalte im Internet. Neue regionale Endungen seinen zwar nicht schlimm. "Aber es gibt wichtigeres."

So sieht das auch die Landesregierung Brandenburg. Sie hat sich bisher noch nicht mit regionalen Top-Level-Domains beschäftigt und hält sie für sinnlos. Regierungssprecher Thomas Braune sagte sueddeutsche.de: "Der vermeintlichen Stiftung einer regionalen Identität steht eine Zersplitterung der Inhalte und der Nutzer gegenüber." Die Orientierung im Netz würde durch neue Top-Level-Domainnamen "nicht erleichtert, sondern erschwert", sagt Braune.

Verliebt in .berlin

Die Gefahr der Unübersichtlichkeit sieht auch Helmut Berger, Referatsleiter für Informations- und Kommunikationswirtschaft der IHK München. "Das Ziel sollte sein, dass die Transparenz des Internets erhalten bleibt. Durch die Regionalisierung aber wird die strukturierende Wirkung der Top-Level-Domains entwertet." So könnten sich mit der Endung .paris sowohl Unternehmen der französischen Hauptstadt schmücken, als auch der Bäcker von Paris im US-Bundesstaat Texas.

Keine große Rolle

Große Sorge muss Berger der gestrige Beschluss des Bundestages aber nicht machen. Die Bundesregierung spielt in den Entscheidungsprozessen der ICANN kaum ein Rolle. Roberto Gaetano, Vizepräsident im Board of Directors der ICANN, sagt, die Bundesregierung könne als Mitglied des Governmental Advisory Committees lediglich ihre Meinung äußern.

Dennoch gibt es in der ICANN Bestrebungen, die Bewilligung neuer Top Level Domains zu vereinfachen. "Die ICANN möchte klare Regeln aufstellen, um so nicht jeden Fall wie .berlin, .paris oder .nyc einzeln entscheiden zu müssen", erklärte Gaetano sueddeutsche.de. Ihm sei dabei nur wichtig, dass etwa in Deutschland nicht die betroffene Landesregierung oder die Kommune gegen eine solche regionale Endung sei.

Für die Kämpfer von DotBerlin könnte das der Todesstoß sein. Der Berliner Senat hält nichts von einer .berlin-Domain. Noch sei ja nicht einmal geklärt, wer die neuen Endungen vergebe. Dahinter steckt die Sorge, das vor allem Sex-Seiten-Anbieter aus der Provinz mit .berlin heißen Großstadtverkehr vorgaukeln wollen.

Soweit ist es noch lange nicht. Laut ICANN wird der Prozess für den Regelkatalog nicht vor Ende des Jahres abgeschlossen sein. Und wenn der Berliner Senat weiter blockt, wird es auch in Zukunft kein www.hyatt.berlin geben.

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