Neue Allensbach-Studie:Selbstdarstellung statt Information

Das Netz informiert schneller als Tageszeitungen und das Fernsehen. Doch die meisten User suchen im Internet etwas ganz anderes.

Mirjam Hauck

Welche Bank geht gerade bankrott, wie tief fallen die Aktienkurse, wie steuern die europäischen Regierungen dagegen? Im Minutentakt lassen sich im Internet die neuesten Entwicklungen der Weltwirtschaft nachlesen - das Netz informiert schneller als Tageszeitungen und das Fernsehen.

Doch wie die Allensbacher Meinungsforscher in ihrer aktuellen Computer- und Technik-Analyse (ACTA) herausfanden, ist das Internet nicht das News-Medium. Zwar gibt es einen ungebrochenen Anstieg der Internetnutzung, 76 Prozent der 14- bis 64-Jährigen sind inzwischen online, doch nur für 46 Prozent gehören nach eigenen Angaben Informationen aus dem Web zum täglichen Pflichtprogramm.

Wer hinter diesen 46 Prozent nun regelmäßige Leser von Nachrichtenportalen vermutet, liegt falsch. Nur ein kleiner Kreis informiert sich regelmäßig im Netz über gesellschaftspolitische Themen. Magere sieben Prozent lesen häufiger Wirtschaftsnachrichten, 13 Prozent suchen nach Neuigkeiten aus der Politik. Mehr Interesse wecken dagegen Produkttipps und Preisvergleiche.

Die wichtigste Informationsquelle über das aktuelle Geschehen bleiben nach wie vor Fernsehen und Zeitungen - auch für Internetnutzer. Zwar verlieren diese beiden Mediengattungen kontinuierlich. Mit 74 Prozent beziehungsweise 51 Prozent liegen sie aber immer noch deutlich vor dem Internet.

Insgesamt beobachten die Allensbacher Meinungsforscher ein sinkendes Bedürfnis nach kontinuierlicher Information. Haben im Jahr 2003 noch 61 Prozent der Bevölkerung angegeben, dass sie über das aktuelle Geschehen immer auf dem Laufenden sein möchten, sind es in diesem Jahr noch 56 Prozent.

Bin jetzt zuhause am Computer!Noch gravierender sind die Zahlen für die unter 30-Jährigen. Nur noch ein Drittel will wissen, was in der Welt passiert. In dieser Altersgruppe hat Allensbach neben der Informationsmüdigkeit auch eine große Politikmüdigkeit festgestellt. Themen wie Umweltschutz, die vor 20 Jahren noch junge Erwachsene zu tausenden auf Anti-Atomkraft Demonstrationen getrieben haben, stoßen bei der Jugend auf wenig Resonanz.

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Selbstdarstellung statt Information

Wichtig für die jungen User sind dagegen im Internet Multimedia-Inhalte wie Videos und User-generated Content wie selbst erstellte Inhalte. Sie wollen im Internet eigene Beiträge schreiben und Fotos ins Netz stellen.

Allensbach hat für diese Aktionen drei unterschiedliche Motivstrukturen festgestellt: Die Nutzer suchen eine Gemeinschaft, indem sie Teil der Web-Family werden, sie möchten sich mit Profilen in sozialen Netzwerken präsentieren und Inhalte wie Musik und Filme im Netz bewerten. Das wichtigste Instrument sind hierfür die Communitys. 47 Prozent der 14- bis 19-Jährigen sind Mitglied in einem sozialen Netzwerk, bei den 20- bis 29-Jährigen 40 Prozent. Bei den Älteren brechen die Mitgliederzahlen dagegen ein.

Das Internet hat nicht, wie vor Jahren beschworen, zu einer Vereinsamung der Nutzer geführt. Im Gegenteil: Die Digital Natives, also die nach 1980 Geborenen, die ganz selbstverständlich mit den neuen Technologien und Medien umgehen, sind deutlich häufiger im Netz als der Rest der Bevölkerung - auch wenn die Kommunikation dabei oft nur aus banalen Mitteilungen wie "Ich bin jetzt wieder zuhause und sitze am Computer", besteht.

Mit dieser Suche nach Nähe und der Abkehr von Nachrichten kapitulieren vor allem die jungen Nutzer vor der Fülle an Informationen, die das Internet bietet. Die Nutzer fokussieren und selektieren schärfer, sie blenden aus, was sie nicht interessiert. Im Internet ließe sich zwar das Wissen der Welt mit wenigen Mausklicks finden, aber viele Nutzer suchen gar nicht danach. Die Informationsfülle führt vielmehr zu einer stärkeren Bezogenheit auf das eigene Leben. Es geht nicht mehr um das Lesen, sondern darum gelesen zu werden: Für die Jugendlichen ist wichtig, wie viele Freunde sie auf ihren Profilseiten bei StudiVZ, SchuelerVZ oder bei den Lokalisten haben. Je mehr Kontakte, desto beliebter. Das ist zeitaufwendig. Für Politik, Wirtschaft und Kultur ist da kein Platz mehr.

Der Nutzer sucht also im Internet in erster Linie nach sich selbst oder nach Verwertbarem für seinen persönlichen Bedarf, sei es für den Beruf, das Privatleben oder Hobbys.

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