Neue Alexa-Geräte:Amazon will in jedes Zimmer einziehen

Amazon.com Inc., Senior Vice President David Limp shows new voice-controlled Echo and Echo Plus devices announced at an event in the retailer's headquarters in Seattle

David Limp zeigt im Amazon-Hauptquartier den Echo and Echo Plus.

(Foto: Reuters)
  • Amazon hat im Hauptquartier in Seattle neue Produkte vorgestellt, darunter den "Echo Show", einen smarten Lautsprecher mit Display.
  • Die Geräte sind für Amazon nur Mittel zum Zweck: Der Konzern will sich im Alltag der Kunden unersetzlich machen und zur Schaltzentrale im Smart Home werden.

Von Kathrin Werner, Seattle

Es ist nicht leicht, der Sohn von David Limp zu sein. "Mein Sohn ist ein Teenager und kommt manchmal morgens nicht aus dem Bett", erzählt Limp, der bei Amazon für Hardware verantwortlich ist. Er schalte morgens immer den schlauen Lautsprecher neben dem Bett seines Sohnes ein und wecke ihn über die Heimsprechanlage auf, manchmal auch mit Musik. Und alles, ohne das Kinderzimmer zu betreten. "Funktioniert hervorragend, kann ich garantieren", sagt Limp.

Amazon hat in das Hauptquartier in Seattle geladen, um neue Produkte vorzustellen. Der Konzern ist inzwischen längst nicht mehr nur ein Online-Händler, alles von Büchern und Klamotten bis Fernseher und Klopapier. Es begann vor gut zehn Jahren mit dem E-Book-Lesegerät Kindle. Inzwischen gibt es dutzende Geräte von Amazon, zum Beispiel schlaue Lautsprecher namens Echo, die sich mit dem Internet verbinden oder einen kleinen, schwarzen Stick, den man in den Fernseher einstecken und so Serien aus dem Internet anschauen kann, er heißt Fire TV. In Seattle erzählt Limp von der neuen Amazon-Welt im eigenen Zuhause: Amazon ist überall. Im Kinderzimmer, in der Küche und im Schlafzimmer.

"Super cool!"

Limp hält eines der neuen Geräte in die Luft, es ist rund und sieht ein bisschen aus wie ein alter Wecker, hat aber ein Display. "Super cool!", ruft er, seine Stimme überschlägt sich vor Aufregung. Man kann mit ihm sprechen wie mit einem Menschen, denn das Gerät ist über das Internet verbunden mit der künstlichen Intelligenz in den Rechenzentren des Konzerns, sie heißt Alexa. Wenn Limp sagt: "Good morning Alexa", stellt das schlaue Gerät automatisch das Licht an und schaltet die Radionachrichten an. Echo Spot kann den Wetterbericht oder die Verkehrsnachrichten anzeigen. Es kann eine Einkaufsliste führen und den Wecker stellen. Es kann live anzeigen, was eine Kamera über der Wiege gerade aufzeichnet und ob das Baby noch schläft. Es kann sagen, ob die Haustür abgeschlossen ist, wenn man ein Hightech-Türschloss hat.

Neue Alexa-Geräte: Echo Spot zeigt die Uhrzeit an, aber auch Videotelefonie ist möglich.

Echo Spot zeigt die Uhrzeit an, aber auch Videotelefonie ist möglich.

(Foto: AP)

Amazon verdient mit all den Geräten, für die Limp zuständig ist, kein Geld. Sie kosten in etwa genauso viel, wie der Konzern für die Herstellung ausgibt. Natürlich ist Amazon ein Unternehmen, das Gewinne machen will - aber es denke eben langfristig, sagt Limp. "Andere Hardware-Firmen verdienen ihr Geld, wenn die Kunden ihr Produkt kaufen. Was danach kommt, ist ihnen egal. Wir verdienen unser Geld danach - mit all den Services, die die Leute dazukaufen." Die Entwicklung von Hardware kostet Geld. Noch teurer ist die Künstliche Intelligenz Alexa, hier liefert sich der Konzern ein Wettrennen um die schlauesten Sprachassistenten mit Siri von Apple und Cortana von Microsoft. 5000 Menschen arbeiten bei Amazon allein an Alexa. Vor etwas mehr als einem Jahr waren es nur 1000.

Andere Konzerne wie Apple können mit Amazons Hardware-Preisen kaum mithalten. Bei Limps Produktpräsentation ging es vor allem um eins: Preissenkungen. "Alle Geräte können mehr und kosten weniger als ihre Vorgängerversionen", sagt Limp. Für die Wettbewerber ist ein Rivale unheimlich, der nicht plant, mit seinen Produkten Geld zu verdienen. Google war zwar lange Partner von Amazon, hat aber am Dienstag die Youtube-Unterstützung überraschend gestrichen, nun kann man über den Echo Show, einen Verwandten des Echo Spot mit größerem Bildschirm, keine Youtube-Videos mehr schauen. Google hatte Amazon nicht vorgewarnt. Laut Marktforscher eMarketer hat sich Amazons Echo-Serie besser verkauft als der ebenfalls sprachgesteuerte Lautsprecher Google Home. Der Wettkampf um die schlauen Heimgeräte wird härter.

Mit dem Echo Spot, den Limp so begeistert vorzeigt, kann man sogar telefonieren. "Warten Sie kurz, ich rufe meine Frau an", sagt er vor den dutzenden Journalisten, die zu Amazons Produktpräsentation in Seattle angereist sind. Er drückt auf das runde Display. Das Gesicht seiner Frau Danielle erscheint darauf. "Hallo allerseits", sagt sie. "Das Gerät, das auf meinem Nachttisch steht, heißt übrigens Echo Spot, das ist jetzt kein Geheimnis mehr", sagt ihr Mann. "Okay, nett", sagt seine Frau und lächelt verhalten. Der Gesprächspartner muss noch nicht einmal ein Amazon-Gerät besitzen, der Videoanruf funktioniert auch mit der Alexa-App auf dem Smartphone. In den USA, Mexiko und Kanada lässt sich der Echo sogar für kostenlose Anrufe auf beliebige Festnetznummern benutzen. So wird Amazon auch zur Telefonfirma, zum Konkurrenten für die Telekom, für Handynetzbetreiber oder für Video-Telefoniedienste wie Skype.

Alle Kundenrezensionen gelesen

Die Geräte sind für Amazon nur Mittel zum Zweck: Der Konzern will sich im Alltag der Kunden unersetzlich machen. Erst sollen sich die Menschen daran gewöhnen, dass Alexa den Wecker stellt und die Echo-Geräte in jedem Zimmer der Wohnung stehen und auf Sprachbefehle warten. Danach werden sie andere Produkte von Amazon kaufen, mit denen der Konzern sein Geld verdient. Man muss seine Hände nicht benutzen und kann mit dem Echo nur per Stimme bei Amazon bestellen. Wer beim Backen mit den Händen im Mehl feststellt, dass er gerade das letzte Paket angebrochen hat, kann einfach sagen "Hey Alexa, bestell Mehl" und kauft das Mehl dann nicht erst später im Supermarkt.

Die Echo-Lautsprecher können Musik von Amazons Musikstreaming-Dienst oder Hörbücher von Amazons Hörbuch-Tochter Audible abspielen. Das Gerät mit dem Display zeigt Serien von Amazon Prime Video, dem hauseigenen Video-Streamingdienst. Sogar im Auto wird Alexa künftig leben. BMW integriert Amazons Sprachassistenten ab nächstem Jahr in das Cockpit der Autos.

Schaltzentrale für das Smart Home

Amazon ist Marktführer für das so genannte Smart Home, sagt Limp. Damit meint er nicht, dass Amazon mit Alexa so viele schlaue Haushaltsgeräte kontrolliert wie sonst niemand. Der Konzern habe aus den Fehlern von anderen Herstellern gelernt. Über Jahre hinweg hat sein Team alle Kundenrezensionen gelesen, in denen sich Käufer von schlauen Glühbirnen oder Türschlössern von anderen Unternehmen beschwert haben, wie schwer die Geräte zu bedienen sind. Schließlich kaufen sehr viele Menschen ihre Smart-Home-Produkte von Herstellern wie Philips über Amazon - und liefern über ihre Beschwerden und Sterne-Bewertungen kostenlosen Einblick in die Hürden für Smart Homes.

So beschwerten sich viele Käufer, dass es so kompliziert sei, die intelligenten Geräte erst einmal einzurichten. Amazon hat nun dem Lautsprecher Echo Plus beigebracht, die Installation zu übernehmen. Das Gerät hat eine Suchfunktion und findet eine schlaue Glühbirne, sobald man sie in die Fassung dreht. Der Echo ist also mehr als ein Lautsprecher, er ist die Schaltzentrale für das Smart Home. Je einfacher es ist, solche Technik zu bedienen, desto mehr Menschen werden sie kaufen, sagt Limp. Genauer gesagt: bei Amazon bestellen.

"Für uns ist es ein Fehlschlag, wenn die Menschen einen Echo kaufen und dann in die Schublade legen", sagt der 51-Jährige. Ja, Amazon habe dann zwar den Kaufpreis bekommen - aber das große Geld wäre ja erst danach geflossen. Neulich hat er im Flugzeug einen Mann gesehen, der auf einem zehn Jahre alten Kindle ein Buch las. "Dem haben wir zwar zehn Jahre lang keine neue Hardware verkauft, dafür aber wahrscheinlich hunderte E-Books. Das ist für uns Erfolg."

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