Süddeutsche Zeitung

Netzpolitikvereine der Parteien:Was CNetz, D64 und Digiges wollen

Sie geben sich bewusst originelle Namen und wollen die Internetkompetenz ihrer Parteien stärken. CNetz, D64 und Digiges heißen die Antworten der etablierten Parteien auf den Erfolg der Piratenpartei. Doch leisten die Vereine das, was sie versprechen?

Michael König und Johannes Kuhn

Ein bisschen nerdig muss der Name schon sein - die Konkurrenz hat es schließlich vorgemacht: "D64", ein vorrangig mit Sozialdemokraten besetzter Verein für Netzpolitik, ging schon im Dezember 2011 an den Start. Nostalgiker fühlten sich sofort an den C64 erinnert, den legendären Heimcomputer. Die Union legte nun Anfang der Woche mit "CNetz" nach, eine ähnlich ausgerichtete Lobbygruppe für konservative Netzpolitik.

C-Netz hieß auch das letzte analoge Mobilfunknetz in Deutschland, eine aus heutiger Sicht völlig veraltete Technik. Die Namensgeber des Vereins betonen, das C stehe für christlich, aber ein gehöriger Schuss Selbstironie wird wohl dabei gewesen sein. Auch dass bei Twitter gleich ein mittelschwerer Shitstorm aufzog, dürfte ins Kalkül der Mitglieder gepasst haben.

Die Netzpolitiker im bürgerlichen Lager wollen raus aus der Defensive, in der sie dank Zensursula, Vorratsdatenspeicherung, ACTA und Heveling stecken. Die Liste der Themen, bei denen "das Netz" kübelweise Spott über den Konservativen ausschüttete, ließe sich fortführen.

Die beiden Gründer Peter Tauber und Thomas Jarzombek, die schon als Blogger und Mitglieder der jüngst recht zerstrittenen "Enquete-Kommission Internet und digitale Gesellschaft" in Erscheinung getreten sind, dürften unter dem schlechten Ruf der Union in Sachen Netzpolitik gelitten haben. Dass sie mit Freude auf ein - satirisches - Protokoll der Gründungssitzung hinwiesen (Zitat: "Wir müssen jetzt auch irgendwas mit diesem Internet machen"), lässt zumindest den Schluss zu, dass sich die CDU-Mitglieder des Rufes ihrer Partei deutlich bewusst sind.

Die netzpolitische Glaubwürdigkeit verkörpern derzeit andere Parteien, nicht zuletzt die Piraten, die nach dem Berliner Abgeordnetenhaus (im September 2011) nun im Saarland ihr zweites Landesparlament eroberten. Bundesweit stehen sie in Umfragen bei zwölf Prozent. Die etablierte CDU-Konkurrenz hat dem Hype längst Rechnung getragen - wenn auch mit mäßigem Erfolg.

Vom SPD-nahen Zusammenschluss D64 war bereits die Rede. Schon seit April 2011 gibt es den Verein Digitale Gesellschaft (Digiges), der den Grünen nahesteht. Ihr Vorsitzender, der im Netz omnipräsente netzpolitik.org-Blogger Markus Beckedahl, war einst in der Grünen Jugend aktiv.

Gemeinsam mit CNetz ist somit ein Trio parteinaher Vereine entstanden, der jenseits von Organisationen wie dem Chaos Computer Club, Initiativen wie dem AK-Vorrat oder den IT-Branchenverbänden die Internet-Politik beeinflussen möchte. Das ist kein Zufall, sagt der Politikwissenschaftler Christoph Bieber: "Das ist zumindest indirekt eine Reaktion auf den Erfolg der Piraten". Die Parteien würden sich Möglichkeiten schaffen, "Dinge anders zu diskutieren, auch außerhalb der klassischen Räume innerhalb der Parteistrukturen".

"Anders" ist derzeit ein Wort, auf das - in Verbindung mit Politik - die Piraten derzeit ein Beinahe-Monopol haben. D64, CNetz und Digiges sind Bieber zufolge Versuche, dies zu ändern. Auch in den Parteien selbst versuchen Netzpolitiker, ihre Themen auf die Agenda zu bringen. Nicht immer erzielen sie damit allerdings die Resultate, die sie sich wünschen, wie der Parteitagsbeschluss der SPD vom Dezember 2011 zeigt, in dem man sich für ein Festhalten an einer abgeschwächten Form der Vorratsdatenspeicherung aussprach.

Parteinahe Lobbygruppen für eine netzaffinere Politik sollen deshalb auch ein verstärktes Signal in die jeweilige Partei hinein senden, progressivere Positionen einzunehmen, glaubt Bieber: "Sie können auch als eine Reaktion der Netzpolitiker auf den Umgang mit ihrem Thema in den eigenen Reihen verstanden werden." Netzpolitik sei nicht mehr so randständig wie früher, "im Gegenteil. Es gibt dort Kämpfe um bestimmte Positionen".

Wer steckt hinter den Vereinen? Und was wollen sie? Ein kleiner Überblick

[] CNetz

Als "Möchtegern-Piraten" wurden die Gründer des CNetz bereits bezeichnet - ein vorschnelles Urteil, denn bislang kann der Verein jenseits der Absichtserklärungen nicht beurteilt werden. In denen ist von einer "bürgerlichen und verantwortungsvollen Netzpolitik" die Rede, die einen "fairen Ausgleich zwischen den unterschiedlichen Interessen" schafft. Ob dies als verklausulierte Ablehnung der bisher wenig progressiven Netzpolitik der Union zu interpretieren ist, lassen die Autoren offen.

[] D64

Die SPD von innen zu verändern, funktioniere nicht, sagte D64-Vorsitzender Matthias Richel anlässlich der Gründung des Vereins. Die Organisation, zu der neben Parteimitgliedern bekannte Netz-Persönlichkeiten wie der Journalist Mario Sixutus oder der Internet-Berater Nico Lumma gehören, sieht sich eher als Think Tank, der den digitalen Wandel konstruktiv begleiten möchte. Derzeit liegt der Schwerpunkt auf Acta und der Urheberrechtsdebatte, auch mit den Positionen der Piraten befasst sich der Verein.

[] Digitale Gesellschaft

Der älteste der drei Netz-Vereine ist knapp ein Jahr alt und sorgte gleich zu Beginn für Kritik, als man nicht alle Gründungsmitglieder öffentlich nennen wollte. Inzwischen ist die Liste zwar nicht vollständig, aber länger. Markus Beckedahl dürfte wohl das prominenteste Mitglied der Organisation sein, die als Grünen-nah gilt und inzwischen durchaus öffentlichkeitswirksam agiert - zum Beispiel, als man jüngst für einen Aktivisten sammelte, der für die Veröffentlichung der deutschen Teilnehmer an den Acta-Verhandlungen kämpft.

Ob die Vereine tatsächlich einen Effekt haben könnten, nach innen oder außen, ist alles andere als sicher. Die mediale Aufmerksamkeit ist ein positives Signal. Wissenschaftler Bieber ist dennoch skeptisch: "Ob das dazu führt, dass sich die Positionen etablierter Parteien in der Netzpolitik verändern, ist noch nicht abzusehen."

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