Netzpolitik in Frankreich:Hollande, ein Meister der Vagheit

Nach fünf Jahren äußerst konservativer Netzpolitik könnte der Sozialist François Hollande dafür sorgen, dass Frankreichs Regierung endlich das ganze Potential des Internets erkennt. Doch weil er sich bislang mit konkreten Vorschlägen zurückhält, sind nicht nur Netzaktivisten skeptisch.

Johannes Kuhn

Eigentlich müsste Jérémie Zimmermann zufrieden sein: Für Frankreichs wohl bekanntesten Internet-Aktivisten und seine Organisation La Quadrature du Net bedeuteten die fünf Sarkozy-Jahre Schwerstarbeit. Statt an progressiver Netzpolitik versuchte sich der nun abgewählte Präsident vor allem an der Kontrolle des ihm suspekten Internets - und überschritt dabei nicht nur einmal die Grenzen des für Bürgerrechtler Erträglichen.

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Wahlsieger François Hollande: Wenig konkrete Vorschläge in Sachen Netzpolitik.

(Foto: AFP)

Doch Zimmermann, der gerade auf der amerikanischen Netzphänomen-Konferenz ROFLcon als "Verteidiger des Internet" ausgezeichnet wurde, ist anders als viele linke Franzosen wenig angetan von der Wahl François Hollandes: "Wir werden ihn an den Taten messen, nicht an den Wahlversprechen. Und selbst letztere waren nicht gerade vielversprechend."

Im Wahlkampf hatte Hollande das Thema Internet eher zurückhaltend behandelt und sich auf soziale und wirtschaftliche Fragen konzentriert. Die Digitalisierung der Gesellschaft spielte in seinen Reden und Debatten kaum eine Rolle. Dabei hatte die Sarkozy-Regierung mit kontroversen Gesetzen durchaus genügend Angriffspunkte geliefert. Vor allem die Einsetzung der Hadopi-Behörde ("Haute Autorité pour la diffusion des œuvres et la protection des droits sur internet") sorgte für Kritik.

Per Gesetz ermöglichte die konservative Regierung Hadopi, illegale Downloads zu verfolgen und dabei nicht nur Warnschreiben zu verschicken, sondern bei mehrmaligem Verstoß theoretisch sogar den Internet-Anschluss eines Filesharers kappen (three strikes). Eine erforderliche richterliche Zustimmung zu einem solchen Schritt wurde erst in das Gesetz eingeführt, nachdem das französische Verfassungsgericht es zwischendurch kassiert hatte.

"So ungerecht, dass es schon lächerlich ist"

"Hollande hat zu Hadopi alles Mögliche gesagt, von 'wir werden das Gesetz kassieren' bis hin zu 'wir werden es nicht abschaffen, aber ein Ergänzungsgesetz verabschieden', als er vor der französischen Filmindustrie geredet hat", klagt Zimmermann. "Wenn er nicht einmal bei seinen Versprechen konsistent ist, wie wird es erst bei seinen Entscheidungen sein?"

Der Erfolg von Hadopi ist umstritten: So haben sechs Prozent aller französischen Internet-Anschlussinhaber mindestens eine Warnung erhalten, die Unterlassungsquote liegt einer ersten Bilanz zufolge in jeder Warnstufe bei mehr als 90 Prozent, Anschlüsse wurden bislang nicht gekappt. Ob die gleichzeitig vermeldeten sinkenden Filesharing-Zahlen allerdings wirklich mit Hadopi zu tun haben, oder einem generellen Trend folgen, ist völlig unklar. Web-Erfinder Tim Berners-Lee erklärte erst im April, das Gesetz sei "so ungerecht, dass es schon lächerlich ist".

Hadopi-Chefin Marie-Francois hingegen ließ wenige Tage vor der Wahl verlauten, sie rechne damit, dass Hadopi auch bei einem Regierungswechsel in irgendeiner Form weiterbestehen würde - und kündigte gleichzeitig an, die Regeln neben Peer-to-Peer-Filesharing auch auf Filehoster, also Plattformen wie Megaupload oder Rapidshare, anwenden zu wollen.

Kulturflatrate gestrichen

Weil in der Kulturbranche die Akzeptanz von Hadopi groß ist, bleibt unklar, ob Hollande sich mit seinen Unterstützern aus diesem Milieu anlegen möchte. In Sachen Internet-Piraterie wolle er "alle Beteiligten an einen Tisch bringen", erklärte der künftige Präsident vor einigen Wochen vage. Im Laufe des Wahlkampfs verschwanden allerdings Passagen aus dem Wahlprogramm, in denen eine Reform des Urheberrechts im Sinne einer Kulturflatrate angedeutet wurde - ein solcher Schritt wurde Filesharing entkriminalisieren.

Während die Hadopi-Frage ungelöst bleibt, hat sich Hollande zumindest klar gegen das umstrittene Anti-Piraterie-Abkommen Acta positioniert. Komplizierter wird es, wenn es um ein Ende des "Loppsi-2"- Überwachungsgesetzes geht. Das Mammut-Werk mit 142 Punkten erweitert unter anderem die Möglichkeiten zur Online-Durchsuchung und sieht Netzsperren gegen kinderpornographische Seiten vor. 2011 sorgten die Pläne bei vielen Internetnutzern für Entrüstung, weshalb Lopssi-2 zwar beschlossen, aber noch nicht umgesetzt wurde.

Loppsi-2 ist für den Sozialisten eine unangenehme Angelegenheit. Zwar kann Hollande bei Bürgerrechtlern punkten, wenn er das straffe Gesetz entschärfte oder ganz entsorgen würde. Doch gerade auf dem Gebiet der inneren Sicherheit könnte er den Konservativen seinerseits Angriffsfläche bieten, würde seine Haltung als zu lax wahrgenommen.

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