Süddeutsche Zeitung

Netzpolitik der Bundesregierung:Merkel stellt Netzneutralität infrage

  • Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel plädiert auf einer Vodafone-Konferenz für die Abschaffung der Netzneutralität.
  • Künftig soll es ein Internet für "Spezialdienste" geben, bei dem bestimmte Übertragungsgeschwindigkeiten gewährleistet sind.
  • Das Thema wird derzeit auf EU-Ebene diskutiert.

Merkel will schnelleres Netz für "Spezialdienste"

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat sich für unterschiedliche Übertragungsgeschwindigkeiten im Internet ausgesprochen. Einige neue Dienste bräuchten eine gesicherte Übertragungsqualität, sagte Merkel auf einer Vodafone-Veranstaltung. "Innovationsfreundliches Internet heißt, dass es eine bestimmte Sicherheit für Spezialdienste gibt", sagte sie. Diese "Spezialdienste" sollten bevorzugt durchs Netz geleitet werden. "Wenn Sie das fahrerlose Autofahren haben wollen, oder wenn Sie bestimmte telemedizinische Anwendungen haben, dann müssen sie natürlich eine fehlerfreie und immer gesicherte Übertragung haben", sagte sie.

Merkel will Übertragungsgeschwindigkeiten ausbauen

Gleichzeitig müsse der Ausbau schneller Verbindungen insgesamt vorankommen. "Wir brauchen uns über Netzneutralität nicht zu unterhalten, wenn die Kapazitäten nicht zur Verfügung stehen." Merkel schlug eine Art Spagat vor: Man brauche "das freie Internet und das für Spezialdienste". "Diese beiden Seiten muss man zusammenbringen und ich glaube, dass uns das in den Verhandlungen in Brüssel in kurzer Zeit gelingen kann."

EU verhandelt über Netzneutralität

In der Europäischen Union wird seit einiger Zeit über die Netzneutralität gestritten. Das EU-Parlament fordert eine Gleichbehandlung aller Daten im Netz, die Mitgliedsstaaten ringen noch um eine gemeinsame Position. Merkels Vorschlag bedeutet eine Aufweichung des Prinzips der Netzneutralität. Dieses Prinzip besagt, dass alle Daten im Netz gleichrangig behandelt und keine Inhalte bevorzugt durchgeleitet werden dürfen. Auch in den Vereinigten Staaten gibt es eine Debatte über das Thema. Dort hat sich Präsident Barack Obama allerdings für die Netzneutralität ausgesprochen.

Telekomfirmen wollen weg von der Netzneutralität

Telekom-Unternehmen haben immer wieder eine Abkehr von der Netzneutralität gefordert. Netzaktivisten gehen davon aus, dass die Mobilfunkprovider dadurch zusätzliche Einnahmen gewinnen wollen. Die Netzbetreiber argumentieren, dass das Internet schon jetzt an seine Kapazitätsgrenzen stoße. "Wir brauchen sozusagen Verkehrsregeln, weil Produkte unterschiedliche Anforderungen haben", sagte Vodafone-Deutschlandchef Jens Schulte-Bockum der Nachrichtenagentur dpa. Echtzeit-Angebote bräuchten eine gesicherte Übertragungs-Qualität. Für die sollen die Kunden extra zahlen.

Internetfirmen treten für Netzneutralität ein

Aus der Internet-Branche heißt es hingegen immer wieder, an den Hauptadern des Netzes gebe es kein Kapazitätsproblem. Zum Stau komme es lediglich auf dem letzen Wegabschnitt zu den Nutzern. Gerade dort ist der Ausbau besonders teuer. Internetfirmen fürchten, in einem Zwei-Klassen-Internet für schnelle Übertragungsgeschwindigkeiten zur Kasse gebeten zu werden. Dies würde Innovationen ausbremsen, da vor allem junge Unternehmen mit den zusätzlichen Kosten zu kämpfen hätten.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.2252640
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ.de/dpa/pauk/luk
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.