Netzneutralität im Bundestag:Für ein freies Internet

Montag befasst sich der Petitionsausschuss des Bundestages mit dem sperrigen Thema Netzneutralität. Anlass sind die Drosselpläne der Telekom. Bitter daran ist, dass die Kritiker jetzt nach dem Staat rufen, weil ihnen nichts besseres einfällt. Trotzdem muss man ihnen Erfolg wünschen.

Ein Kommentar von Johannes Boie

Ausgerechnet "Netzneutralität". Da steht das Internet vor einer der wichtigsten Debatten seit seiner Entwicklung, und dann klingt das Wort dafür so spannend wie "Steuererklärung". Schon wichtig, irgendwie, aber man hat wirklich auch noch ein paar andere Dinge zu tun. Eis essen, Ausflug machen, Buch lesen, arbeiten.

Dabei geht es in der Auseinandersetzung zwischen Netzbetreibern wie der Telekom, Internetnutzern, Politikern aller Parteien und Netzaktivisten um die grundlegende Struktur des Internets, auch in der Anhörung, die dazu am Montag im Bundestag stattfindet. Was soll das sein, die "grundlegende Struktur"? Das Netz funktioniert, vereinfacht gesagt, so: Daten werden von einem Sender zu einem Empfänger geschickt. Zum Beispiel, wenn der Empfänger sich ein Video anschaut oder seine E-Mails abruft.

Damit alle Daten hin- und hergeschickt werden können, werden sie zur Beförderung in kleine Pakete aufgespalten. In aller Regel werden diese Datenpakete über Leitungen geschickt, die in Deutschland vor allem der Telekom gehören. Dafür lässt sich das Unternehmen bezahlen: von seinen Privatkunden für den Internetempfang. Das geschieht oft pauschal, Abrechnung per Flatrate. Die soll für Telekom-Kunden teurer werden, ungefähr zehn bis 20 Euro. Das ist das gute Recht der Telekom, die Nachfrage nach Flatrates ist hoch, der Betrieb und Ausbau der Netze teuer, und vor allem kann, wer will, den Anbieter wechseln und sich mit den Menschen in der O2-Hotline rumschlagen, die auch nicht besser sind als die in der Telekom-Hotline.

Netzstruktur in Gefahr

Die grundsätzliche Netzstruktur gerät aber wegen anderer Pläne der Telekom in Gefahr, die mit den neuen Preisen nur bedingt zu tun haben. Das Unternehmen möchte das Netz so ausbauen, dass es künftig neben dem normalen Internet eine Art zweites Netz gibt. Die Telekom nennt das "Managed Service". In diesem Netz werden die kleinen Datenpakete schneller und mit weniger Unterbrechungen zum Empfänger gesendet.

Bislang macht das die Telekom nur für eigene Produkte, zum Beispiel Fernsehen über die Internetleitung. Sie lässt sich dafür von ihren Kunden gesondert bezahlen. Künftig möchte der Provider auch anderen Unternehmen, die im Netz Inhalte wie Videos anbieten, das bessere, teure Netz zur Verfügung stellen, damit die Kunden dieser Unternehmen die Inhalte unterbrechungsfrei abrufen können. Die Telekom möchte dann von beiden Seiten kassieren, von Empfängern und Sendern.

Das Unternehmen argumentiert, man brauche das Premium-Netz, weil manche Dienste, zum Beispiel Videotelefonie, nur gut funktionieren, wenn die Datenübertragung nicht stockt. Das stimmt. Aber sollten dann nicht schlicht die Dienste besser befördert werden, die darauf angewiesen sind, anstatt jene, deren Anbieter extra Geld überweisen?

Und besteht nicht die Gefahr, dass ein neues Premium-Internet zulasten des normalen Netzes geht, in dem Innovation und Wachstum gerade wegen der einheitlichen Wettbewerbsbedingungen gedeihen? Droht nicht ein Internet wie in den Neunzigerjahren, als man "zu AOL" ging oder "zu T-Online" statt allgemein "ins Netz", wenn einzelne Dienste herausgehoben werden, besonders schnell und gut funktionieren? Und, Stichwort Datenschutz, ist es begrüßenswert, wenn sich Internetnutzer für Inhalte wie eine Videoplattform beim Provider mit ihren Zahlungsdaten identifizieren müssen? Die Gefahren, die die Pläne der Telekom für das freie, offene Netz bergen, sind beträchtlich.

Andererseits ist es verständlich, wenn ein Unternehmen seinen Gewinn maximieren möchte. Und natürlich ist es bitter, dass all den Kritikern der Telekompläne, vor allem Politikern von Grün, Rot und Netzaktivisten nichts anderes einfällt, als nach dem Staat zu rufen. Ein Gesetz für Netzneutralität soll her, am besten mit staatlicher Oberaufsicht, welche die Provider überwacht.

Freiheit durch den Staat garantieren lassen zu wollen, ist prinzipiell eine seltsame Idee. Aber wenn die Telekom, als Ex-Monopolist im Wettbewerb noch immer verdächtig weit vorn, nicht zur Besinnung kommt, muss man den Forderungen der Kritiker leider Erfolg wünschen. Die Hoffnung stirbt zuletzt: Dass der Konzern auf die Verbraucher hören kann, hat er erst vor ein paar Tagen bewiesen, als er eine angekündigte Geschwindigkeitsbegrenzung im Netz nach Protesten deutlich reduzierte.

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