Netzneutralität:Aigner greift Google und Verizon an

Verbraucherschutzministerin Aigner lehnt "Eintrittsgelder" für schnelle Internetdienste ab - doch bei den Telekom-Anbietern wachsen die Begehrlichkeiten.

Varinia Bernau

Es war ein Alarmsignal - und zwar eines, das auch noch über den Ozean hinweg zu hören war: Kaum gab es Gerüchte, der Suchmaschinenbetreiber Google und das Telekomunternehmen Verizon könnten sich darauf verständigen, manche Daten schneller durch amerikanische Leitungen zu schleusen - da fanden sich in Deutschland Politiker und Blogger zu einem Bündnis zusammen, um auch hierzulande jenes Prinzip zu verteidigen, nach dem alle Daten im Internet gleich behandelt werden. Denn für Trends in den neuen Medien geben die USA den Takt vor.

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CSU-Verbraucherschutzministerin Aigner: "Kein Verständnis" für den Google-Verizon-Vorstoß.

(Foto: Getty Images)

Die Herausforderungen sind in Deutschland ohnehin dieselben wie in Amerika: Auch hierzulande wollen immer mehr Menschen immer mehr Daten über das Internet schicken. Eine Prognose, wie viele Bits und Bytes hier hin- und hergehen, gibt die Bundesnetzagentur zwar nicht ab. Fest steht aber: Es werden immer mehr.

Allein in den vergangenen vier Jahren hat sich die Datenmenge in den deutschen Breitbandnetzen mehr als verdoppelt. Und auch hierzulande ächzen die Kabelbetreiber unter den steigenden Kosten. Für den Ausbau der Kapazitäten hätten sie beständig mehr als 20 Prozent ihrer Umsätze investiert, sagt Peter Charissé, Geschäftsführer des Verbands deutscher Kabelbetreiber.

Im Schnitt seien es jährlich etwa 700 Millionen Euro gewesen. Auch Charissé hat seine Position deshalb schnell klargemacht, als die Debatte um die Netzneutralität in dieser Woche auch nach Deutschland kam: "Die Unternehmen, die massiv profitieren, sollen sich auch an den Netzkosten beteiligen."

Wer viel verschickt, der zahlt

Den deutschen Kabelnetzbetreibern schwebt dabei ein Modell mit abgestuften Gebühren vor: eine Art Maut für die Datenautobahn. Wer große Mengen verschickt, den Verkehr also erhöht, der soll auch mehr bezahlen. Im Blick haben die Kabelbetreiber dabei vor allem Videoanbieter wie das zu Google gehörende Portal Youtube.

Etwa 90 Prozent des weltweiten Datenverkehrs, so schätzt der Netzwerkausrüster Cisco, sind Videodateien. Die Gesamtspielzeit aller im Jahr 2014 übertragenen Videos würde demnach etwa 72 Millionen Jahre betragen. Um kleine Unternehmen nicht zu benachteiligen, auch das haben die deutschen Kabelanbieter betont, soll es in dem Gebührenmodell eine Grenze geben. Wer darunter liegt, darf seine Daten kostenlos übers Internet schicken. Das dürfte auch für die meisten privaten Internetnutzer gelten, die beispielsweise Blogs betreiben oder kürzere Videos über Portale hochladen.

Aigner: "Kein Verständnis dafür"

Die Vorstellungen sind noch vage, doch die Kritik ließ nicht auf sich warten. "Ich habe kein Verständnis dafür, dass der Wettbewerb, auch zulasten der Verbraucher, dadurch verzerrt werden könnte, dass sich Unternehmen durch Zahlung besonderer Eintritts- oder Nutzungsgelder einen Vorteil verschaffen, um ihre Angebote schneller als andere an den Verbraucher zu bringen", sagte Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CDU) der Süddeutschen Zeitung. Schließlich hätten die Verbraucher für die Nutzung des Internets schon einmal gezahlt. "Sie erwarten dafür, dass sie keine manipulierten Angebote erhalten."

Entsprechend vorsichtig gibt sich die Deutsche Telekom, die hierzulande die meisten Netze betreibt: "Es geht nicht um Zensur oder die Frage, ob bestimmte Daten überhaupt transportiert werden. Es geht lediglich darum, welche Qualität beim Transport garantiert wird", sagte ein Unternehmenssprecher.

Ebenso wie Verizon in den USA führt aber auch die Deutsche Telekom Gespräche mit Google. Von Ergebnissen sei man noch weit entfernt und auch mit anderen Internetdiensten und Telekommunikationsfirmen in der Diskussionen, betonte der Sprecher - und verwies darauf, dass derzeit gerade einmal drei Prozent aller Internetnutzer die Hälfte des Datenverkehrs verursachen.

Weiße Flecken auf der Landkarte

Das solle niemand bei der Debatte um Netzneutralität vergessen: Wenige verstopften das Netz, aber alle litten darunter. Auch unter solchen Bedingungen würden kleinere Dienste mit neuen Angeboten faktisch ausgebremst.

Die Frage, wer auf deutschen Datenautobahnen Vorfahrt hat, stellt sich noch an anderer Stelle: Neue Glasfaserkabel, die einen schnellen Datenverkehr ermöglichen, gibt es vor allem in großen Städten. Dort lohnt sich die Investition für die Kabelbetreiber, denn dort gibt es viele Internetnutzer - und große Firmen, die höhere Tarife für bessere Netze zahlen.

In ländlichen Regionen gibt es auch in Deutschland noch viele weiße Flecken. Ein Problem, das ihn umtreibe, sei die Frage der Gleichheit in Deutschland, sagte Matthias Kurth, Präsident der Bundesnetzagentur, kürzlich in einem Interview mit Deutschlandradio Kultur. Nicht nur Großstädter sollten solche schnellen Leitungen bekommen. Noch sehe er die Netzneutralität in Deutschland nicht in Gefahr. Aber man müsse schauen, wie unser Netz der Zukunft aussieht.

Lesen Sie hierzu Berichte in der Süddeutschen Zeitung.

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