Netzdepeschen:Auch Schriftsteller sind E-Book-Piraten

Der italienische Autor Vincenzo Latronico gibt öffentlich zu, digitale Bücher illegal aus dem Netz herunterzuladen - und löst damit eine Debatte aus: Müssen auch erfolgreiche Schriftsteller damit rechnen, ihre Kunst künftig als unbezahlte Nebenbeschäftigung auszuüben?

Niklas Hofmann

Wie man Bücher am geschicktesten stiehlt, habe er von Edgar Allan Poe gelernt, hat Roberto Bolaño in einem Essays erklärt, nämlich indem man sie einfach aus dem Laden trägt - so wie der entwendete Brief in Poes Kurzgeschichte vor aller Augen am sichersten versteckt war. Bolaño muss als finanziell klammer Teenager ein wahrer Serientäter gewesen sein, der Werke von Samuel Pepys oder Camus aus den Buchhandlungen von Mexiko-Stadt getragen hat.

Am Geld liegt es bei Vincenzo Latronico nicht in erster Linie. Der junge Schriftsteller (Jahrgang 1984) hat in Italien eine kleine Internetdebatte ausgelöst, als er sich über zwei Seiten der Literaturbeilage des Corriere della Sera hinweg Gedanken über "das Dilemma des E-Book-Piraten" gemacht hat.

Dort beichtete der durchaus erfolgreiche Jungliterat nicht nur, dass er das Ende des gedruckten Buchs weder für vermeidbar noch für ernsthaft bedauerlich halte. Sondern auch dass er einen erheblichen Teil seiner E-Book-Lektüre illegal aus dem Netz herunterlade.

Das macht aus Latronico bestimmt keinen Feind der Literatur. Interessanter als die Gründe, die er für sein Piratendasein aufführt, ist aber, dass er eigentlich keinen Ausweg aus dem Dilemma sieht. Denn digitales Rechtemanagement wäre, wenn es je lückenlos funktionieren würde, für Latronico eine "autoritäre Revolution", die er mit den großen Rechtswenden der italienischen Geschichte vergleicht. Und der Kampf gegen die Downloadportale läuft für ihn auf den "digitalen Polizeistaat" hinaus.

Was man stattdessen machen solle? "Ich weiß es nicht." Events, Lesungen, auch gegen Geld? Bei der Zeitschrift Wired Italien heißt es in einer von Latronico via Twitter gelobten Replik, auch Schriftsteller seien in erster Linie "Performer". Doch was die Einnahmemöglichkeiten jenseits der Literaturstars angeht, ist der Autor skeptisch. Wenn aber nur der gute Wille der Leser bleibe, sei man wieder beim moralischen Dilemma.

Für ihn, den noch nicht Dreißigjährigen, bilanziert er, werde die Literatur wie einst für Dante wohl "eine nicht oder kaum vergütete Tätigkeit sein, finanziert durch mein persönliches Vermögen (das ich nicht habe) oder andere Einnahmequellen." Kein Lamento, bloß eine nüchterne Feststellung.

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