Es kommt eher selten vor, dass man aus der Gala von den neuesten Entwicklungen in der Startup-Szene erfährt. Und doch meldete das Blatt vergangene Woche, dass Ashton Kutcher, seines Zeichens Hollywood-Star, Toy Boy und eben auch Risikokapitalgeber eine knappe Million Dollar in das gerade einmal ein paar Monate alte Berliner Webunternehmen Gidsy investiert habe.
Nicht nur Fitness- und Bridgekurse werden bei Gidsy angeboten. Das Startup bietet eine Internet-Börse für Serviceleistungen.
(Foto: Screenshot von gidsy.com)Bevor dann aber genauer auf das Anlageobjekt eingegangen wird, wird doch lieber noch ein bisschen Scheidungsschmutz mit Demi Moore kolportiert. Wem das Star-Geflüster zu künstlich ist, könnte bei Kutchers Investition fündig werden: Gidsy sagt von sich selbst, es sei ein "Marktplatz für authentische Erfahrungen".
Das Geschäftsmodell der Plattform besteht darin, Menschen die Möglichkeit zu geben, mit ihrer Expertise Geld zu verdienen. So bietet etwa Vanessa S. für zehn Euro pro Person eine "Alternative Nightlife Tour" durch Berlin an, Lucas V. referiert für 25 Euro anhand praktischer Beispiele über die Gentrifizierungswelle im Osten der Stadt und Klaus B. möchte - vielleicht etwas optimistisch - für 100 Euro Interessierten die Feinheiten des Bridge-Spiels näherbringen. Die Macher der Plattform kümmern sich um die Abrechnung und den Kundenservice. Und wie immer wird ein gewisser Teil der Einnahmen einbehalten, in diesem Fall sind es zehn Prozent.
Börsen für Events, Know-How, Übernachtungen
In den vergangenen Wochen und Monaten sind eine ganze Reihe ähnlicher Dienste bekannt geworden, die versuchen, über Peer-to-peer-Netzwerke nicht materielle Güter, sondern Dienstleistungen anzubieten. Während es auf sidetour.com, ähnlich wie bei Gidsy, vor allem Events und Erlebnisse sind, ist Skillshare eine Börse, um Erfahrung weiterzugeben. Hier lehren Profis oder Amateure Programmieren, Nähen oder Bierbrauen.
Taskrabbit schließlich funktioniert ähnlich wie eine digitale Handlanger-Agentur. Vom Stilberater über den IKEA-Einkaufsdienst bis hin zum Dogsitting werden sämtliche Servicebedürfnisse des modernen Großstädters abgedeckt. Es ist die Wiedergeburt des Helfens im 21. Jahrhundert.
Der Branchendienst The Next Web nennt Gidsy bereits einen der fünf "Trends to watch 2012". Genau wie die Peer-to-peer-Übernachtungsbörse Airbnb die Hotelbranche aufgerüttelt habe, werden die Service-Websites andere Branchen umkrempeln. Schließlich gab es für den freiberuflichen Klavierlehrer bislang kaum andere Möglichkeiten, im Netz auf sich aufmerksam zu machen als eine schlechte gerankte Website, die in den Google-Ergebnissen nicht auftaucht. Da bietet ein Ampel-Abrisszettel kaum weniger Reichweite.
Netztheoretiker sieht p2p-Wirtschaft als Arbeitsmarkt der Zukunft
All diese Beispiele zeigen, dass das Peer-to-peer-Konzept längst mehr Möglichkeiten bietet, als nur die Weitergabe von urheberrechtlich geschützten Medieninhalten (BitTorrent) oder dem Inhalt des eigenen Abstellraums (Ebay). Es können nicht nur alte Möbel verkauft werden, sondern auch implizites Wissen.
Gidsy und Konsorten sind Marktplätze, auf denen Humankapital feilgeboten wird. Der Netztheoretiker Douglas Rushkoff sinniert bereits darüber, ob eine p2p-Wirtschaft in Zeiten der permanenten Krise und des Jobless Growth, des Wachstums ohne Beschäftigungszuwachs, ein künftiges Ökonomiemodell sein könnte. "Unsere Wirtschaft läuft auf einem obsoleten, hochgradig zentralisierten Betriebssystem", so Rushkoff, "freie und direktere Mittel des Austauschs werden ersetzen, was wir heute noch unter einem Beschäftigungsverhältnis verstehen."