Netz-Depeschen:Silicon Valley im Klon-Modus

Trotz der Erfolge vieler IT-Unternehmen fehlt es dem Silicon Valley an einem innovationsfreundlichen Klima, glaubt der Tech-Blogger Alexis Madrigal. Die meisten Start-ups arbeiten seiner Ansicht nach heute nur noch an minimalen Variationen derselben Idee. Doch ist das wirklich das eigentliche Problem?

Michael Moorstedt

SoLoMo heißt schon seit zu langer Zeit die fix angepinnte Erfolgsformel im Netz. Es geht also um soziale, lokale und mobile Anwendungen oder eine Kombination aus ihnen. Und egal, wohin man derzeit im Silicon Valley blickt, recht viel mehr wird einem nicht angeboten.

Hätte nicht schon längst eine neue Umwälzung stattfinden sollen? Das fragt sich Alexis Madrigal, Technologie-Blogger des Atlantic. Er benutzt große historische Vergleiche, um das Problem zu illustrieren: "Vor Jahrzehnten hieß es: Baut das Internet. Vor 15 Jahren hieß es: Baut das Web. Und vor fünf Jahren: Baut das soziale Web." Dank der omnipräsenten Facebook und Twitter könne man diesen Punkt auf der To-Do-Liste eigentlich abhaken und sich neuen Aufgaben zuwenden, schreibt Madrigal.

Stattdessen werde jede Woche eine neue Start-Up-Sau durchs globale Dorf getrieben. Tumblr, Instagram oder Pinterest, wie auch immer neue Hypes gerade heißen, seit Jahren operieren sie mit den gleichen Werkzeugen: Es gibt die Möglichkeit, Dinge zu bewerten, es gibt Fotos und ein Netzwerk von mehr oder weniger gut miteinander bekannten Menschen, mit denen man all das teilen kann.

Allenfalls wird ein bisschen an Benutzeroberflächen geschraubt oder zwei bereits bekannte Features miteinander kombiniert. Wir befinden uns laut Madrigal im Zeitalter des notorischen Klonens von Web-Plattformen und Dienstleistungen. Tausende von Start-ups arbeiten an minimalen Variationen desselben Themas, während die vier Großen - Apple, Amazon, Facebook und Google - den Markt dominieren. Beileibe kein Klima, das Innovation begünstigt.

Und so sind auch all die neuen Trends - egal, ob Cloud Computing oder Big Data - für Alexis Madrigal nur eine hübsche Fassade, die seit einiger Zeit dazu benutzt wird, um bei den Risikokapitalgebern Geld locker zu machen. Nicht mehr als eine nette Verpackung für Anwendungen, die seit jeher das Web bestimmen. Denn um was ging es dort jemals anders, als um das Speichern und Prozessieren von Daten?

Auf Seiten der Hardware herrsche im übrigen das gleiche Problem. Vielleicht habe sich die Auflösung des Displays verbessert, doch wenn man ehrlich sei, beherrsche das iPhone-Modell von 2007 die gleichen Funktionen wie sein aktueller Nachfolger. Bei den kurzfristigen Technologie-Zyklenan die man sich in der Vergangenheit gewohnt hat, fällt es deshalb schwer, nicht an Stillstand zu denken.

Auf die Frage, wie es denn aussehen könne, das nächste große Ding, bleibt Alexis Madrigal trotz aller Fundamentalkritik eine Antwort schuldig. Doch das eigentliche Problem ist ein anderes. Es geht nicht um einen weiteren Mega-Börsengang wie bei Facebook, sondern um eine Verschwendung von klugen Köpfen.

Egal, wie die Dienste von heute heißen - im sozialen Netz herrscht ein totalitäres Geschäftsmodell. Es lautet: Verkaufe den Nutzern anhand ihrer Daten Produkte. Oder verkaufe einfach diese Daten an Dritte, es ist einerlei, denn das Ergebnis bleibt gleich. "Die besten meiner Generation denken nur noch darüber nach, wie man Menschen dazu verleitet, auf Werbung zu klicken", sagte vor einigen Monaten der Mathematiker Jeff Hammerbacher, der einst einer der ersten Angestellten von Facebook war. "Und das ist ätzend."

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