Netlabels:Lade! mich! herunter!

Während die großen Plattenfirmen dagegen ankämpfen, dass Menschen Musik frei im Internet tauschen, tun Online-Label genau das Gegenteil: Sie verschenken ihre Musik.

Nicola D. Schmidt

Früher war das Leben so einfach. Wenn einem ein Musikstück gefiel, nahm man es aus dem Radio auf oder fragte ein Freundin: "Hast Du den Song auf Kassette? Kann ich ihn mir überspielen?"

Netlabels: Download erwünscht: Homepages einiger Netlabels.

Download erwünscht: Homepages einiger Netlabels.

(Foto: Montage: sde)

Computer und Internet brachten hier nur vermeintlich einen Fortschritt: Die MP3-Datei eines Liedes zu versenden oder zu kopieren ist zwar qualitativ besser und viel einfacher als der Kampf mit dem Kassettenrecorder, dafür aber in vielen Fällen illegal.

Der Branchenverband der US-Musikindustrie Recording Industry Associataion of America (RIAA) verklagt seit Jahren sogenannte "Filesharer", die auf Plattformen wie Kazaa, Lime Wire oder Grokster Musikdateien tauschen.

Kleine Musiklabel im Internet, auch Netlabels genannt, setzen jedoch genau auf diesen Effekt: Dass Menschen die Musik herunterladen, über Dateitausch-Netzwerke verbreiten und so weiter bekannt machen.

Ihre Wurzeln haben die Online-Labels in den späten Neunziger Jahren, als Künstler ihre Demo-Dateien und Samples in Mailboxen tauschten.

Mittlerweile ist daraus eine aktive Netlabel-Szene entstanden, sie diskutiert auf Boards (http://www.netlabel-board.org/), organisiert Festivals (http://www.netaudiolondon.cc/), verschenkt Musik und versucht, irgendwie trotzdem Geld zu verdienen.

Während viele Labels als Hobby oder Freizeitprojekt entstanden, können einige der Gründer bereits davon leben. Die Palette der Musikstile reicht von Alternative Rock über Detroit Techno bis Triphop, aber einige haben auch Klassik im Programm.

Bei mp3.com oder Itunes würden die Stücke in der Masse des Angebots untergehen. Doch dank der Netlabels laden DJ's die Tracks einfach herunter, spielen sie auf Parties oder mixen sie wieder neu.

So entstehen Fangemeinden um die Seiten und die Musik verbreitet sich. "Es handelt sich meistens um Musik, die sich dem Computer oder wenig Musikern produzieren lässt, elektronische oder experimentelle Stile", erklärt John Buckman, vom Label Magnatune.com, "diese Musiker haben offenbar eher einen Bezug zu Internet und Filesharing."

Buckhams Label baut auf dem P2P-Gedanken auf, er verschenkt die Musik zwar nicht an Endkunden, aber man kann sich einen "fairen" Preis zwischen 4 und 14 Euro pro Album aussuchen.

Netlabels vertreiben ihre Musik unter der Creative-Commons-Lizenz, die von Stanford-Professor Lawrence Lessig erdacht wurde, um eine neue "Remix-Kultur" zu fördern. Die Lizenz erlaubt es, urheberrechtliche Werke frei zu verwenden, solange man keine kommerziellen Zwecke damit verfolgt.

Netlabels beruhen auf dieser Lizenz und erlauben damit in den meisten Fällen dem Home-Nutzer, die Werke kostenfrei zu laden. Geld fordern die Labels erst, wenn kommerzielle Projekte ihre Musik verwenden möchten.

Von den Einnahmen geht ein Teil an den Künstler, der außerdem an Auftritten und Konzerten verdient. Nicht zuletzt verkaufen viele Online-Labels trotz der kostenlosen Downloads mit viel Erfolg auch CDs, beispielsweise Epsilonlab, Textone oder Magnatune.

Auch Merchandising funktioniert: Der T-Shirt-Shop des Labels Thinner.cc ist mittlerweile ausverkauft. "Netlabels haben sich weiterentwickelt", so Moritz Sauer kürzlich auf dem Wizards of OS-Kongress in Berlin. Sauer ist Gründer von phlow.net und Betreiber des Portals netlabels.org.

Die Websites würden zunehmend professioneller, RSS und Podcasts bringen die Musik den Hörern näher. Doch Sauer mahnt auch, die reale Welt vor lauter Internet nicht zu vergessen: "Am wichtigsten bleibt es, die Musik unter die Leute zu bringen - mit Konzerten, Club-Nächten und Parties."

Erwähnte Netlabel zum Anklicken:

Epsilonlab Textone Thinner.cc Magnatune Creative-Commons-Lizenz Lawrence Lessig Katalog für Netlabel mit Kategorien, Neuzugängen und Suchfunktion: Messe rund um Freie Software und freies Wissen Wizards of OS

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