Namen von Wifi-Netzwerken:Das gelobte Lan

"It burns when I pee": Vorbei sind die Zeiten, als unauffällige Ziffern als Namen von Wlan-Netzen genügten. Heute sollen viele Wifi-Namen für Aufmerksamkeit sorgen. Mit Witz, mit persönlichen Befindlichkeiten - oder auch verdrucksten Hausgemeinschafts-Denunziationen.

Von Hilmar Klute

Die freundliche Familie, die in Los Angeles ihr Gartenhäuschen an Gäste vermietet, hat zum Glück auch kostenfreies Wlan. Das ist ja immer das Dämliche an vielen Hotels, bei denen man für eine Stunde Internetgucken zwölf Dollar abdrücken muss, und dann stellt sich heraus, dass nur in der Lobby Empfang ist, wo schon 20 Backpacker in den Sesseln kauern und ihre Pelikan-im-Tiefflug-Fotos auf Facebook hochladen. Aber hier in dem Gartenhäuschen gab es einen Wlan- Zugang, dessen Name lautete: It burns when I pee. Entweder einer in der Familie wollte mit diesem stummen Hilfeschrei auf seine urologischen Scherereien aufmerksam machen, oder er neigte dazu, die Wirkung seiner Körperfunktionen zu überschätzen. Was sind das für Leute?

Das ist eine schöne und spannende Frage zum Thema, auf die es aber selten eine Antwort gibt. Im Allgemeinen erfährt man nämlich nicht, was für interessante Menschen sich hinter den lustigen Adressen verbergen. Schön und lehrreich ist es aber, zu Fuß durch die Stadtviertel zu gehen und dabei wie ein klassischer Still-online-Trottel sein iPhone in der Hand zu haben, um die Gegend nach besonders lustig klingenden Wifi-Namen abzuscannen.

Auch mal Politik machen

Der Service Set Identifier (SSID) lässt uns fragen: Wer wohnt da oben und nennt seinen Internetanschluss Altona sunshine, obwohl das hier Schwabing ist und Altona ein Stadtteil von Hamburg? In Altona selbst lebt einer, der selbstkritisch unter "I'm-an-idiot" angemeldet ist.

Als schmusig und anhänglich gilt der Mensch, der unter baerchen firmiert, in einer anderen, freilich dann doch eher kurzlebigen Haut möchte vielleicht 0tisredding stecken, altehippe hat vielleicht aus der Beschimpfung durch ihren Expartner eine trotzige Tugend gemacht, leberwurst-gast lässt auf einen rustikalen Gastgeber schließen, der seinen Freunden immer dasselbe Zeug aufs Brot schmiert, aber bei Reaktor1 sollte der Vermieter vielleicht mal klingeln und schauen, was er den ganzen Tag so macht.

Wlan-Namen, die nicht F607474 oder so ähnlich heißen, sind oft Botschaften aus den Zimmer an die Welt da draußen oder an die Nachbarn. kidsinthehouse könnte einerseits eine vorauseilende Entschuldigung für etwaigen Lärm sein oder das Gegenteil - eine Bitte, abends eher ruhig zu sein, weil die Kinder schlafen. Warum aber in einem unauffälligen Münchner Mietshaus illo's puff lan aktiv ist, hätte man gerne gewusst, zumal da es unmittelbar an das Wirkungsfeld von altkatholisch rührt - beides übrigens Maxvorstadt, wo auch die princess-wg online ist und möglicherweise von Mitgliedern der prince-wg besucht werden möchte.

Die SSID ist so etwas wie die digitale Fortsetzung der verdrucksten Hausgemeinschafts-Denunziation. Früher klebte man Zettel an die Briefkästen, wenn die Nachbarn zu laut waren. Heute wartet man darauf, dass die Nachbarn online gehen und die Wlan-Botschaft wir-koennen-dich-ficken-hoeren auf dem Display als stumme, aber unmissverständliche Mahnung zum Innehalten ernst nehmen.

Vielleicht kommen die nächtlich um die Häuser ziehenden Sprayer irgendwann darauf, dass sich der Slogan imperialismus-geh-tot auch ohne Farbe wirksam in die Köpfe der Wohlstandsgesellschaft sprühen lässt.

Man kann mit den Wlan-Namen auch ganz hübsch Politik machen. In den USA wurde mit Wlan-Namen zur Wahl von Barack Obama aufgerufen. Aber auch in geopolitisch auf unsicherem Feld stehenden Ländern transportiert der eine oder andere Botschaften, die viel unentspannter klängen, würde man sie in einem längeren Text darlegen.

In einem Vorort von Tel Aviv gibt es einen Spaßvogel, der seinen Anschluss unter the-promised-lan, das gelobte Lan, firmieren lässt. Damit gelingt ihm eine ironische Brechung des dort üblichen Patriotismus. Nicht das Land, klein, eng und bedroht, sei gelobt, sondern der Internetanschluss, mit dem er oder sie aus der Small World ins Globale gleitet.

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