Blaise Ndola:Der leise Internet-Revolutionär

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"Im Netz konnten wir die Zustände anprangern, ohne im Gefängnis zu landen." Blaise Ndola (Foto: oh)

Blaise Ndola hilft Kongolesen beim Start im Internet. Der 25-jährige Lehrer will Jugendlichen zeigen, wie sie einen Blog gestalten können - die digitale Revolution braucht ihn.

Von Judith Raupp

Schon wieder bricht die Internetverbindung ab. Zehn Kursteilnehmer schauen auf ihre Bildschirme und hoffen, dass die Seite irgendwann lädt. "Willkommen im Ostkongo", murmelt Blaise Ndola vor sich hin. Der 25 Jahre alte Lehrer für Online-Medien und Marketing will den Jugendlichen zeigen, wie sie einen Blog gestalten können. Sie arbeiten für eine Hilfsorganisation und sollen Teenager aufklären, damit sie Kondome benutzen.

Soziale Medien sind wichtige Informationsquellen für junge Menschen in der Millionenstadt Goma. Das ist gut für Ndola, er hat daraus seinen Job kreiert. Eigentlich hat er internationale Beziehungen studiert. Aber es gibt kaum Arbeit für Akademiker im Ostkongo. Statt Diplomaten zu beraten, schult Ndola nun einheimische Entwicklungshelfer und Jungunternehmer. Er betreibt außerdem Webseiten für kleine Firmen und berät Internet-Aktivisten in Medienrecht und Meinungsfreiheit.

"Das Netz geht wieder", ruft jemand in den kleinen Saal. Nun kann Ndola die Jugendlichen Klick für Klick zum Blog führen. Im Seminarraum in Goma versteht man jetzt kaum sein eigenes Wort mehr. Der Generator dröhnt draußen wie ein Traktor. Die Stadt liefert mal wieder keinen Strom. Ein Kursteilnehmer brüllt, jemand möge die Tür schließen. Die Luft im Raum wird stickig. Ndola trinkt Wasser und zieht seinen karierten Wollpullover aus.

Nicht einmal fünf Prozent sind online

Ndola hat sich das digitale Wissen selbst beigebracht. In Dakar und Nairobi besuchte er Kurse in Datenjournalismus und Organisation. Senegal und Kenia sind deutlich weiter auf dem Weg in die Moderne als die Demokratische Republik Kongo. Seine Kraft schöpft er sonntags im Gottesdienst. Er hat eine Engelsgeduld, selbst wenn Internet und Strom ständig ausfallen. Ndola ist ein leiser Revolutionär, kämpft für den digitalen Aufbruch in seiner rückständigen Heimat. Die sozialen Medien hat er als Student an der Universität Goma entdeckt: "Immer, wenn wir gegen die hohen Studiengebühren und Korruption protestiert haben, wurden einige von uns verhaftet. Im Netz konnten wir die Zustände anprangern, ohne im Gefängnis zu landen."

Ndola hat einen starken Willen. Sonst würde er nicht ausgerechnet im Kongo versuchen, via Internet zu überleben. Nicht einmal fünf Prozent der 80 Millionen Einwohner sind online. Die meisten Menschen sind arm. Im Osten, wo Ndola zu Hause ist, schikanieren Mörder und Vergewaltiger die Bevölkerung. "Soll ich deshalb nichts tun?", fragt Ndola. Er erzählt von Kongolesen mit Smartphone, die sich das Geld vom Mund absparen, um gelegentlich online gehen zu können. "Aber sie wissen nicht, wie sie das Netz sinnvoll nutzen können, wir müssen sie ausbilden", sagt er.

Die amerikanische Botschaft hat Ndola zum "Young African Leader", ernannt, zu einer Führungskraft mit Potenzial also. Manche Kongolesen sehen das anders. Sie beschimpfen ihn, weil er Mädchen schult und damit am traditionellen Rollenverständnis rüttelt. Plötzlich schreibt eine Frau ihre Meinung ins Netz, ohne Vater oder Ehemann zu fragen. Schlimmer noch aus Sicht konservativer Kongolesen, die Frauen entdecken das Geschäft. Sie finden online Kundinnen, für die sie Kleider nähen, oder vermarkten Schminktipps. Andere twittern gegen ein kleines Honorar von Bürgerversammlungen.

Ndola verdient monatlich mehrere Hundert Dollar. Er kann von seiner Arbeit leben, zu Internetkonferenzen in andere afrikanische Länder reisen und sogar zwei Brüdern das Studium bezahlen. In Europa war Ndola noch nie. Aber er kennt die Diskussion über die Flüchtlinge aus Afrika. "Wir jungen Leute träumen alle von Europa", gibt der Online-Spezialist zu. Aber Ndola will in Goma bleiben. Die digitale Revolution braucht ihn.

© SZ vom 23.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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