Süddeutsche Zeitung

Preisvergabe an Dissidenten:Nobelpreiskomitee unter Cyberbeschuss

Liebesgrüße aus China? Vor der Verleihung des Friedensnobelpreises an den oppositionellen Schriftsteller Liu Xiaobo attackieren Hacker das Nobelpreiskomittee.

Rache für den falschen Preisträger? Das norwegische Nobelkomitee ist nach eigenen Angaben derzeit Ziel zahlreicher Hackerangriffe, die möglicherweise aus China kommen.

Vier Wochen nach der Verleihung des Friedensnobelpreises an den chinesischen Bürgerrechtler Liu Xiaobo bestätigte der Chef des Osloer Nobelinstitutes, Geir Lundestad in der Zeitung Aftenposten, dass es auch einen Versuch gab, über eine infizierte Mail in seinen Arbeits-PC einzudringen.

Lundestad hatte nach eigenen Angaben eine Nachricht erhalten, die von der Adresse eines IT-Dienstleisters des Instituts stammte. Als er auf einer Webseite sein Passwort eingeben sollte, wurde er jedoch stutzig und informierte die Polizei.

Ein Sprecher der norwegischen Datenaufsicht erklärte, die rechtzeitig erkannte Hacker-Attacke sei Teil von "koordinierten Anstrengungen" gewesen, das IT-System des Nobelinstitutes mit Viren zu infizieren.

Bereits vor wenigen Tagen hatten Angreifer die Internetseite des Noblekomittees mit Schadsoftware infiziert. Beim Besuch der Seite installierte sich in den Firefox-Versionen 3.5 und 3.6 unter Umständen ein Trojaner, mit dessen Hilfe die Hacker Zugang zum Computer des Besitzers erlangen konnten.

Server in Taiwan

Der Angriff auf die Homepage des Instituts kam nach ersten Erkenntnissen über einen Server in Taiwan, muss aber nicht von dort aus gestartet worden sein.

Offenbar sind derzeit auch E-Mails unterwegs, die als Einladungen zur Nobelpreisverleihung getarnt sind und schädliche Dateianhänge enthalten. Alle Angriffe, so heißt es bei den norwegischen Sicherheitsbehörden, seien höchstwahrscheinlich von "ein und demselben Akteur" ausgeführt worden.

Chinas Führung hat die Vergabe des Friedensnobelpreises an den zu elf Jahren Haft verurteilten Liu Xiaobo heftig kritisiert und Norwegen mit politischen sowie wirtschaftlichen Konsequenzen gedroht.

Lundestad erklärte ebenfalls am Mittwoch in der Zeitung VG, dass der Preis bei der am 10. Dezember geplanten Zeremonie im Osloer Rathaus möglicherweise nicht überreicht werden könne, weil weder der Preisträger noch die unter Hausarrest stehende Ehefrau Liu Xia oder eine andere Person seines Vertrauens die notwendige Ausreisegenehmigung bekommt.

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